• 08.11.2014 18:51

  • von Dominik Sharaf

Pole mit Psycho-Hieb: Rosberg foppt Hamilton doppelt

Der Deutsche behauptet mit demonstrativer Gelassenheit, kein optimales Auto gehabt zu haben, während sein Kollege trotz Patzers nur über den Spaß spricht

(Motorsport-Total.com) - Für Nico Rosberg war das Qualifying zum Brasilien-Grand-Prix am Samstag mehr Prestigeerfolg als großer Wendepunkt im Kampf um den WM-Titel, trotzdem kostet er die Sache aus. Die zehnte Pole-Position der Saison sicherte dem Deutschen vorzeitig die Sondertrophäe für die meisten ersten Startplätze des Jahres, eine Fabelrunde in 1:10.023 Minuten die 0,033 Sekunden Vorsprung auf Lewis Hamilton. Dem Briten genügen aber zweite Ränge in Sao Paulo und Abu Dhabi für die Fahrerkrone.

Höchste Zeit, die mentale Kriegsführung zu initiieren: Rosberg will keinen optimalen Boliden am Lenkrad gehabt haben: "Ich war von den Einstellungen im Auto - und da lässt es sich extrem beeinflussen - nicht im richtigen Bereich. Es ließ sich aber nichts mehr ändern", sagt der Wiesbadener. "Dann ist das Auto anders und das Risiko, einen Fehler zu machen, vorhanden. Ich musste einfach im Rhythmus bleiben. Daher musste ich mit nicht idealen Einstellungen fahren." Trotzdem habe es noch für eine gute Runde gereicht.

Rosberg jubelt: "Ich freue mich sehr. Es ist echt klasse, wieder auf Pole-Position zu sein. Am Ende war es richtig eng." Toto Wolff kann sich bei 'Sky' ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen, wenn es um die angeblich so misslungene Setupwahl seines Schützlings geht. "Wahrscheinlich sind ein paar Psychospielchen dabei, aber das gehört auf diesem hohen Niveau dazu", weiß der Mercedes-Motorsportchef und unterstellt auch Hamilton Defizite in Sachen Abstimmung.

Kompromisse bei der Abstimmung

Wolff erklärt mit Blick auf die unklare Wetterlage am Sonntag und die neue Asphaltdecke des Autodromo Jose Carlos Pace: "Beide sind Kompromisse bezüglich des Setups eingegangen, weil wir auf dem härteren Reifen viel Untersteuern hatten. Deswegen ließe es sich nicht auf die Qualifying-Runde optimieren." Für die Rosberg-Leistung gibt es dennoch viel Lob von den Chefs: "Jeder Fahrer würde das als echtes Bonbon auf dem Weg zum WM-Titel sehen", so Technikchef Paddy Lowe bei 'Sky Sports F1' über die Pole-Position-Trophäe.

"Man muss es als große Leistung anerkennen. Da müssen andere keine Entschuldigung finden. Nico ist ein toller Fahrer und die Statistik spricht für sich", adelt der Brite. Rosberg hat die knifflige Ausgangslage seine Gelassenheit nicht genommen: "Druck? Es ist das Gleiche wie sonst auch. Adrenalin und Spannung sind vorhanden, so viel ändert sich daran nicht." Für den 29-Jährigen ist eine positive Herangehensweise der Schlüssel zum Erfolg, Patzer der Vergangenheit beeindrucken ihn nicht mehr: "Ich versuche, immer optimistisch zu bleiben und bin es auch. Aus Austin habe ich gelernt und weiß, was ich besser machen muss. Das werde ich morgen umsetzen."


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Brasilien


Auch Hamilton hatte trotz Fauxpas seinen Spaß

Hamilton will das verhindern und degradiert die Pole-Position zum Etappensieg: "Das war nur das Qualifying. Es hat riesig Spaß gemacht und ich hatte eine tolle Runde." Die Gute-Laune-Offensive des Briten geht trotz eines mutmaßlich entscheidenden Verbremsers weiter: "In Kurve 10 habe ich ein bisschen Zeit verloren und vielleicht noch ein paar Späne in der ersten Kurve, aber rauszufahren und zu kämpfen war toll. Darum geht es in einem Qualifying. Wenn es nur immer so knapp wäre...", schwärmt Hamilton.

Lewis Hamilton

Lewis Hamilton hatte die Pole-Position wohl ebenfalls im Tank Zoom

"Das begeistert die Menschen. Natürlich startet es sich auf der Pole-Position am besten, aber es sollte dank der Pitstopps und den Unbekannten beim Wetter spannend werden", findet der WM-Führende. Niki Lauda nimmt ihn bei 'RTL' wegen seines Patzers in Schutz: "Das gehört dazu. Wenn man kämpft, darf man es nicht übertreiben. Die beiden sind wirklich am Limit gefahren, denn die Williams waren wirklich nahe dran." Auch Hamilton glaubt, dass der Fauxpas der Hitze des Augenblicks geschuldet war: "Ich war mit meiner Balance glücklich. Mein Verbremser - da habe ich einfach tierisch Druck gemacht. Das ist nicht das Ende der Welt."

Williams laut Wolff im Rennen schwächer

Sich mit dem in Sachen WM ausreichenden zweiten Platz zu begnügen, kommt nicht infrage: "Ich bin da, um zu gewinnen, wie alle anderen auch. Lasst und ein Rennen fahren!" Wolff ist angetan von dem Duell seiner wichtigsten Angestellten: "Nicht schlecht, der Kutscher", lobt er Rosberg und klopft auch Hamilton auf die Schulter: "Wir haben ausgerechnet, dass der Unterschied eineinhalb Meter auf der gesamten Streckenlänge betrug. Die beiden schenken sich einfach nichts."

Dass die Williams-Piloten Felipe Massa und Valtteri Bottas in Schlagdistanz waren, ist dem Österreicher nicht entgangen: "Es war wesentlich knapper als sonst", sagt Wolff, relativiert aber bezüglich des Renntempos der beiden: "In den jüngsten Rennen hat man gesehen, dass sie Schwächen haben und sehr auf das Qualifying hin optimieren."

Nico Rosberg, Lewis Hamilton

Macht ein Regenchaos am Sonntag das Rennen zum Vabanquespiel? Zoom

Eher hat er einen formverbesserten Rosberg auf der Rechnung, Hamilton Serie von fünf Erfolgen zu beenden: "Er hat kleine Fehler gemacht. Er muss alles zusammenbekommen, dann kann er gewinnen." Rosberg hat noch einen Psychopfeil im Köcher: "Wir haben am Vormittag entgegen unserer gewohnten Herangehensweise mehr für das Rennen getan. Ich habe mich mit viel Sprit wohlgefühlt." Hat Hamilton sicher auch gehört.