• 30.08.2009 19:11

  • von Dieter Rencken

Roberts: "Wir geben weiter Vollgas"

Force Indias Technischer Direktor Simon Roberts im Interview über das Rennen in Spa, die Leistung seines Teams und den restlichen Saisonverlauf

(Motorsport-Total.com) - Erst die Pole-Position, dann Rang zwei: Giancarlo Fisichella bescherte Force India in Belgien nicht nur die ersten Punkte in der Formel 1, sondern durfte obendrein noch an der Siegerehrung nach dem Rennen teilnehmen. Simon Roberts, der Technische Direktor des britisch-indischen Rennstalls, spricht im Interview über die Fortschritte bei seinem Team und gibt einen Ausblick auf das neue Jahr.

Titel-Bild zur News: Silverstone, Grand Prix Circuit Silverstone

Simon Roberts war mit dem Abschneiden seines Teams in Spa hochzufrieden

Frage: "Simon, was ist im Winter bei Force India passiert? Die Umstrukturierung hatte offensichtlich einen recht großen Effekt..."
Simon Roberts: "Keine Ahnung. Ich habe niemals wirklich analysiert, was davor passiert ist. Ich kann da also nicht viel dazu sagen. Vielleicht war es so, doch das entzieht sich meiner Kenntnis. Seit der Umstrukturierung haben sich jedenfalls einige Dinge verändert."#w1#

"Wir haben einen neuen Motor und auch die Partnerschaft beim Getriebe hilft uns sehr. So können wir uns voll und ganz auf die Aerodynamik und der Geometrie des Rennwagens widmen, ohne dabei Zeit über den Daten des Getriebes zu verschwenden. Das hat sich bezahlt gemacht."

Frage: "Die Formel-1-Karriere von Giancarlo Fisichella schien sich schon ihrem Ende zu nähern - bis zu diesem Wochenende, wo er sich wie ausgewechselt präsentierte. Wie konnte es dazu kommen?"
Roberts: "Er hat schon zu Beginn dieser Saison bedeutende Fortschritte gemacht. Möglicherweise zieht er aufgrund seines Status' in dieser Sportart einige Kommentare an, die nicht wirklich nötig und auch nicht sonderlich fair sind. Wir haben uns dann einmal mit ihm darüber unterhalten und von diesem Augenblick an hat er sich voll und ganz dieser Sache verschrieben."

"Wir haben an diesem Wochenende nichts anders gemacht als sonst. Er war einfach nur spitzenklasse. Adrian treibt ihn immer mehr an. Adrian ist normalerweise immer sehr konstant, doch Giancarlo war heute im Rennen einfach makellos unterwegs - Runde für Runde."

Fisichella erlöst Force India - und sich selbst

Frage: "Schon in den vergangenen vier oder fünf Rennen hat Fisi eine starke Rennleistung gezeigt. Oftmals scheiterte er aber schon im ersten Abschnitt der Qualifikation. Hast du eine Veränderung in der Herangehensweise an das Zeittraining bei ihm feststellen können?"
Roberts: "Nein. Da habe ich nichts bewusst wahrgenommen. Es hat wohl einfach nur 'klick' gemacht. Das ist auch schon bei Adrian der Fall gewesen. In der Qualifikation von Valencia hat es bei Fisi leider nicht ganz geklappt. Es ist derzeit einfach so eng."

"In der ersten Teilsession des Qualifyings liegen alle Teams in einem Bruchteil einer Sekunde. Da kannst du dir keinen einzigen Fehler erlauben. In Valencia hat Fisi in Q1 satte sechs Zehntel im letzten Sektor liegen lassen. Er hätte es locker in die zweite Einheit geschafft."

Frage: "Glaubst du, dass ihn die Spekulationen um Ferrari zusätzlich angespornt haben?"
Roberts: "Wenn er das wirklich im Hinterkopf hatte, dann hat ihm das sicherlich auf irgendeine Weise geholfen."

Frage: "Werdet ihr Probleme damit bekommen, Fisichella aufgrund seines ausgezeichneten Ergebnisses für die anstehenden Rennen im Cockpit zu behalten?"
Roberts: "Keine Ahnung. Das liegt nicht in meinem Aufgabenbereich."

Das Starterfeld ist so eng wie nie

Frage: "Wart ihr überrascht darüber, dass Kimi Räikkönen in derselben Runde wie ihr zum Tanken an die Box kam?"
Roberts: "Ja. Wir haben das auf dem Teamradio gehört und haben Fisi gesagt, dass er Gas geben soll. Wir wussten also, was auf uns zukam. Vielleicht ging aber auch etwas bei der Berechnung schief, denn eigentlich hatten sie anfangs viel mehr Sprit an Bord als wir. Sie haben ihre Strategie möglicherweise umgestellt. Ich weiß es nicht. Wir werden uns das aber sicherlich noch einmal ansehen."

Frage: "Hast du eine Ahnung, warum diese Meisterschaft so bunt durchgemischt ist? Heute hatten wir den sechsten Rennsieger dieser Saison und gestern gab es den siebten Pole-Setter des Jahres..."
Roberts: "Dafür habe ich keine Erklärung. Ich kann nur sagen, dass sich die Autos wirklich unheimlich schnell weiterentwickeln. Wir haben uns in der ersten Saisonhälfte auch intensiv mit den Wagen unserer Rivalen beschäftigt. Du kannst aber nicht einfach nur hingehen und Lösungen kopieren."

"Man muss schon verstehen, was die Teams damit bezwecken. Erst dann kannst du darüber nachdenken, ein solches Teil auch an dein Chassis zu schrauben. Ein Flügel eines anderen Autos könnte auf deinem Fahrzeug schließlich überhaupt nicht funktionieren."

Die FOTA ist wieder ein Thema

Frage: "Wie kurz davor steht ihr, euch wieder der FOTA anzuschließen?"
Roberts: "Ich habe kürzlich mit Vijay darüber gesprochen. Wir sind offenbar wieder eingeladen worden, der FOTA beizutreten. Wir beteiligen uns stets, sofern es uns möglich ist. Wir entsprechend ganz offensichtlich den Bestimmungen und Regeln. Das freut uns natürlich. Ganz ehrlich: Aufgrund der Fabrikschließung in der Sommerpause waren wir in letzter Zeit wirklich sehr beschäftigt."

"Vor dieser Zwangspause war alles prima, denn wir waren über die Vorgänge im Bilde. Wir wollten diese Sache nach den Ferien wieder aufgreifen. Der Urlaub war toll und das Team hatte endlich einmal Gelegenheit, ein paar Tage frei zu machen - ohne gestört oder angerufen zu werden."

"Das Ergebnis waren die zwei vergangenen Wochen, die doch recht anstrengend waren. Jetzt haben wir dieses tolle Resultat in der Tasche und können uns erst einmal wieder etwas zurücklehnen. Hoffentlich können wir uns gemeinsam mit Vijay nun wieder diesem Thema widmen und einen Vorstoß wagen."

Frage: "Mittlerweile wurden schon zwei Rennen von KERS-Autos gewonnen. Denkst du, dass man noch einmal gründlich darüber nachdenken müsste?"
Roberts: "Keine Ahnung. Ich denke, es war für Kimi eine Hilfe beim Überholen. Danach konnte er aber nicht davonziehen. Es geht wohl darum, wie man sein Auto ausbalancieren kann. KERS hat sicherlich seine Vorzüge - auf manchen Strecken wahrscheinlich mehr als auf anderen. In der Qualifikation ist es wohl eine recht große Hilfe. Allerdings arbeitet das Feld diesbezüglich nicht wirklich in eine Richtung."


Fotos: Großer Preis von Belgien


Neues Selbstbewusstsein bei Force India

Frage: "Werdet ihr KERS in dieser Saison noch verwenden? Eigentlich hätte es schon am Nürburgring debütieren sollen..."
Roberts: "Wir haben das Auto auf die Verwendung von KERS ausgelegt. Bis vor kurzem haben wir auch gesagt, dass wir uns diese Option offen lassen wollen. Wir haben uns aber mit Mercedes darauf verständigt, dass die Kosten dafür zu groß wären. Es zu benutzen wäre okay, doch dafür müssten wir einiges an Ausrüstung dazukaufen."

"Wir haben also eine Entscheidung getroffen. Aufgrund des Pakets, das wir in Valencia eingeführt haben, können wir KERS nun nicht mehr unterbringen. Wir könnten aber freilich noch immer zu unserer Silverstone-Modifikation zurückgehen und KERS einbauen. Wir überlegen uns das von Rennen zu Rennen."

Frage: "Zählt ihr deiner Meinung nach in den restlichen Saisonrennen zu den regelmäßigen Punkteanwärtern?"
Roberts: "Ich denke, ab Valencia haben wir eine andere Einstellung angenommen. Wir sehen uns selbst nun als ein starkes Q2-Team. Unser Ziel ist also ganz klar der zweite Qualifikationsabschnitt. Wenn wir diese Hürde nicht nehmen, dann verbringen wir viel Zeit damit, diesen Missstand zu analysieren und eine Lösung für dieses Problem aufzutun."

"Wir haben also unsere Herangehensweise umgestellt und das gilt sowohl für die Fahrer als auch für alle anderen Teammitglieder. Vielleicht müssen wir uns nach diesem Wochenende noch einmal etwas Neues überlegen. Wir geben auf jeden Fall weiter Vollgas."

Auch in Monza ein Punkteanwärter?

Frage: "Wie ist es um eure Modifikationen bestellt? Es wird in Monza noch einmal neue Teile geben, aber folgt danach noch einmal ein größeres Paket?"
Roberts: "Für Monza haben wir noch einmal einige neue Flügel im Gepäck, um dem geringen Luftwiderstand gerecht zu werden. Diese Teile werden wir dort ausprobieren. In der kommenden Woche haben wir einen Aerotest angesetzt. Im Gegensatz zum Freitag in Spa werden wir am Freitag von Monza schon wissen, was die neuen Flügel bringen werden und wie es um unsere Modifikationen bestellt ist."

"Wir sollten dort also einen recht starken Auftritt hinlegen können. In Singapur werden wir dann schließlich wieder einige neue Dinge am Start haben. Wir könnten das unter Umständen sogar vorziehen, weil dabei geht es eigentlich auch um wenig Luftwiderstand. Die Entwicklung ist keinesfalls abgeschlossen. Wir pushen noch immer."

Frage: "Könnt ihr dieses Ergebnis in Monza bestätigen?"
Roberts: "Das war jetzt genau das Resultat, nach dem sich jeder hier gesehnt hat. Alle fühlen sich einfach großartig und daran würden wir natürlich nur zu gerne anknüpfen."

Frage: "Traust du Force India eine ähnliche Leistung zu wie Toro Rosso im vergangenen Jahr? Sie haben zwar kein eigenes Chassis konstruiert, holten im letzten Saisondrittel aber einige Punkte..."
Roberts: "Hoffentlich! Wir wollen jedenfalls keine Rückschritte machen. Für uns geht es nur nach vorne."

2010: Force India ist auf Kurs

Frage: "Wie ist es um eure Vorbereitungen für die kommende Saison bestellt? Läuft beim neuen Auto alles in geregelten Bahnen?"
Roberts: "Aber klar, voll und ganz. Die Programme laufen ganz normal nebenher."

Frage: "Wie sieht euer Ablaufplan aus? Wollt ihr den neuen Wagen im Januar fertig gestellt haben?"
Roberts: "Um diesen Dreh, ja. Wir haben erst jetzt von den Testtagen erfahren. Wir werden möglicherweise nicht an allen teilnehmen. Das schauen wir uns gerade an. Das ist immer ein Balanceakt. Je später man das Auto auf die Strecke bringt, umso schwieriger wird es, schon im ersten Rennen richtig stark zu sein."

Frage: "Sollte ein Wintertest in Bahrain abgehalten werden?"
Roberts: "Wir haben uns schon darüber unterhalten, ob es nützlich sein würde. Das kommt natürlich immer auf die Terminlage an. Würde dieser Test nur eine Woche vor dem Rennen stattfinden, dann könnte uns das in Bezug auf den Transport etwas unter Druck setzen. Wir sind mit dem bisher bekannten Testplan ganz zufrieden."

Frage: "Wie denkt ihr als kleiner Rennstall über die Testbeschränkung nach, die im kommenden Jahr quasi unverändert Bestand haben werden?"
Roberts: "Das ist okay für uns. Die ganzen Regeldiskussionen drehen sich für gewöhnlich um den Aufwand, den wir ohnehin schon betreiben. Wir werden in diesem Jahr nicht alle Aerotests durchführen, die wir eigentlich absolvieren dürften."

"Wir haben auch unser Windkanalpensum nicht vollständig ausgeschöpft. Insgesamt würde ich sagen, dass uns diese Regeln nicht weh tun, aber sie behindern uns auch nicht. Wir machen einfach so weiter, wie bisher. Vielleicht betrifft das den Rest der Startaufstellung etwas mehr als uns."