Risikofreudige "Silberpfeile" riechen wieder Siege
Mercedes-Sportchef Norbert Haug erklärt, wie Kimi Räikkönen in Monaco gewonnen hätte, und rechtfertigt die beiden Brände im Auspuffbereich
(Motorsport-Total.com) - Mark Webber und sein Williams-Cosworth spielten heute aus Sicht von McLaren-Mercedes in Monaco eine entscheidende Rolle: Erst musste der Australier in der zweiten Kurve bei der Anfahrt zu Massenet Kimi Räikkönen überholen lassen, dann machte er jedoch viel später indirekt alle Hoffnungen des "Icemans" zunichte.

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Juan-Pablo Montoya sammelte als Zweiter in Monaco acht wichtige WM-Punkte
In der 49. Runde blieb Webber nach Sainte Devote mit rauchendem Heck stehen, wodurch das Safety-Car auf die Strecke gehen musste. Fernando Alonso und Räikkönen nutzten diese Gelegenheit natürlich, um ihren letzten Boxenstopp zu absolvieren, was für McLaren-Mercedes in doppelter Hinsicht schlecht war: Einerseits ging dadurch der Vorteil des länger angesetzten Mittelstints flöten, andererseits überhitzte dabei auch das Auspuffsystem des MP4-21.#w1#
Gleicher Defekt wie am Donnerstag trat wieder auf
"Es gibt Hitzeschilder beim Auspuff. Offenbar lagen diese zu nah an oder zu dicht beisammen. Jedenfalls führte die Hitze dort zu einem Brand, und dann nahm die Elektronik Schaden", erklärte Mercedes-Sportchef Norbert Haug gegenüber 'RTL'. "Bei einem Boxenstopp gibt es einen Hitzestau, weil die Kühlung nicht gut genug ist, und wenn man dann auch noch hinter dem Safety-Car langsam fahren muss und nicht im Fahrtwind steht, kann so etwas passieren."
"Wir haben sehr ambitioniert weiterentwickelt, um unseren Speed zu verbessern - vielleicht ein Stück zu ambitioniert", gab er zu. Aber: "Wir müssen pushen und nach dem Sieg schauen. Man kann uns kritisieren und sagen, dass wir das Kühlungspaket besser machen hätten sollen, aber bei Montoya ging es ja, nur bei Kimi nicht. Wer sich nicht traut, an die Grenzen zu gehen, der wird es in der Formel 1 nicht schaffen. Wer in einem Aufholprozess ist, muss alles auf eine Karte setzen. Wir werden das schaffen."
Haug erwartet, dass die Probleme schon beim nächsten Rennen kein Thema mehr sein werden: "Monaco ist von der Kühlung her am schwierigsten, weil man vergleichsweise am langsamsten unterwegs ist", so der Deutsche. "Das sieht in Silverstone ganz anders aus. Wir hatten hier zum ersten Mal ein neues Kühlungspaket, welches uns vom Speed her hilft, aber wir müssen schauen, dass es auch hundertprozentig zuverlässig wird, was heute leider nicht der Fall war."
Haug voll des Lobes für Räikkönen
Auffällig war wieder einmal, dass der Mercedes-Sportchef Räikkönens Schultern auffällig öffentlich klopfte ("Der arme Kerl tut mir wirklich Leid!"), während er über Montoyas guten zweiten Platz kein Wort verlor. Besonders beeindruckt zeigte sich Haug von Räikkönens Überholmanöver gegen Webber in der zweiten Runde: "Das war die entscheidende Szene, ein Schlüsselmanöver im Rennen", gab der 53-Jährige zu Protokoll.
"Mark hatte einen kleinen Fehler eingangs der Sainte Devote - sicher auch unter Kimis Druck. Dort geht es mit 250 km/h zur Sache. Kimi hat das eiskalt genutzt, aber Mark war fair. Das war ein Manöver, das man in Monaco nur alle Jubeljahre mal sieht", so Haug. "Er konnte dann wirklich Druck machen, aber das Safety-Car hat dann alles zunichte gemacht. Ohne Safety-Car wäre er sechs bis acht Runden länger gefahren als Alonso. Damit hätte er allerbeste Siegchancen gehabt."
Räikkönen folgte Alonso wie ein Schatten, aber hätte er tatsächlich gewinnen können? "Ich glaube das hundertprozentig! Er hätte länger fahren können als Alonso, denn wir wissen ja intern, wie lange die Konkurrenz tankt", analysierte der Mercedes-Sportchef selbstbewusst. "Einer, der bis auf einen Meter dran ist, der fährt dann am Vordermann vorbei. Das war der Plan. Nach meiner Einschätzung waren wir hier vorne."
MP4-21 nur in Monaco so konkurrenzfähig

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Tragischer Held: Kimi Räikkönen schied auch heute wieder mit Defekt aus Zoom
Ob der MP4-21 von nun an immer so stark sein wird wie heute im Rennen, sei aber noch nicht absehbar: "Die Strecke hier ist ganz anders als Silverstone, daher müssen wir schauen, ob wir die Dinge wirklich schon überall gut beherrschen. Es wird dort für den Renault und möglicherweise auch für den Ferrari Vorteile geben, aber wir kommen heran und arbeiten das ab. Da braucht man Geduld und die richtige Moral. Ich denke, die haben wir", fügte er an.
Und weiter: "Wir müssen nur nach hinten gucken und schauen, wie sich andere Konzerne schlagen. Glauben Sie mir: Die sind nicht schlecht! Es sieht manchmal aus, als würde man es nicht beherrschen, aber das ist nicht so. Es ist ein ganz enger und harter Kampf, den momentan Renault am besten beherrscht. Ferrari war im vergangenen Jahr weg vom Fenster, hat sich aber wieder aufgerappelt", teilte Haug im 'Premiere'-Interview mit.
"Mir ist wichtig, dass wir dazu stehen und sagen, dass wir Fehler machen, ich wünsche mir aber auch, dass anerkannt wird, dass wir pushen müssen", bat Haug abschließend um eine Schonfrist für seine "Silberpfeile". "Wer das Hitzeschild zu dick macht, der hat keine Brandgefahr im Auto, aber der wird halt überrundet! Das muss man richtig ausloten. Zuverlässigkeit mit Speed kombiniert hat Renault im Moment am besten."

