Richards: BAR-Honda "lebte einen Traum"

David Richards beschreibt gegenüber 'F1Total.com', was er vorgefunden hat, als er im Dezember 2001 Teamchef bei BAR-Honda wurde

(Motorsport-Total.com) - Als David Richards im Dezember 2001 Teamchef bei BAR-Honda wurde und mit seiner 1.000 Mann starken Firma Prodrive den Rennstall aus Brackley aufzumöbeln begann, waren ein sechster Platz in der Konstrukteurs-WM mit 17 Punkten und ein maßlos überzogenes Budget die Basis, auf die er aufbauen musste. Knapp drei Jahre später übergab er bei seinem Rückzug nicht nur ein intaktes Unternehmen, sondern vor allem das zu dem Zeitpunkt zweitbeste Team der Formel 1 hinter Ferrari.

Titel-Bild zur News: David Richards

David Richards mit Zigarre: So kannte man den Briten in der Formel 1...

Der Weg zum Erfolg der vergangenen Saison war aber steinig, wie Richards am Mittwoch in einem exklusiven Interview mit 'F1Total.com', welches am Samstag und Sonntag in zwei Teilen veröffentlicht wird, erklärte. Mit der Erfahrung seiner Benetton-Zeit nahm er den Posten überhaupt erst an, als die Teameigentümer vom BAT-Tabakkonzern seine Visionen für die Zukunft bedingungslos akzeptiert hatten - und mit dem Know-how von Prodrive im Rücken gelang es dem Briten tatsächlich, BAR-Honda binnen kurzer Zeit an die Spitze zu führen.#w1#

Formel-1-Team genau wie eine Fußballmannschaft...

"Wenn ein neues Unternehmen gegründet wird", erinnerte sich Richards an seine ersten Arbeitstage in Brackley, "dann passiert das manchmal ohne eine angemessene Struktur um die Firma herum. Das war bei BAR der Fall. Es ist wie bei einer neuen Fußballmannschaft: Wenn man einen Tag lang die elf besten Fußballspieler der Welt auf den Platz stellen würde, wären sie sicher nicht das beste Team. Das muss sich erst einspielen. Mit Firmen ist es genau dasselbe."

Das Potenzial des aus Tyrrell hervorgegangenen Rennstalls sei von Anfang an vorhanden gewesen, unterstrich der 53-Jährige, doch es sei damals der schwerwiegende Fehler gemacht worden, dass die Eigentümer kurzfristigen Erfolg um jeden Preis erkaufen wollten und dabei das Erschaffen einer langfristigen Vision links liegen gelassen haben.

"Als ich zu BAR gekommen bin, fand ich großen Enthusiasmus und sehr talentierte Mitarbeiter vor, aber es gab keine Führung und keine Struktur innerhalb des Unternehmens. Sie lebten einen Traum", so Richards. "Irgendwie haben sie einfach nur dadurch, dass sie in der Formel 1 waren, ein paar gute Resultate erzielt. Von selbst wäre aber nie etwas passiert. Es war eine signifikante Neuorganisierung notwendig."

Richards: "Es wurde unangemessen viel Geld ausgegeben"

"Es wurde viel Geld - in vielen Fällen unangemessen viel - ausgegeben. Unsere Aufgabe bestand also zum Teil auch im Controlling. Das Einzige, was BAT damals davon abgehalten hat, Rennen zu gewinnen, war, dass sie so viel Geld und so viele Mitarbeiter in das Team steckten. Das Erste, was ich dann getan habe, war eine Kürzung des Budgets und des Personalstands. Dadurch wurde das Team zu einer kompakteren und effizienteren Organisation", fügte er an.

Richards verriet unter anderem, dass das Budget des Formel-1-Teams so locker gehandhabt wurde, dass der BAT-Konzern im Vorhinein nicht einmal wusste, wie viel das Projekt im jeweils darauf folgenden Jahr kosten würde. Die Budgets wurden ohne jedes Controlling gnadenlos überzogen, was das Team an den Rand des Ruins brachte. Unter der Regie von Prodrive wurden daher 20 Prozent der Mitarbeiter abgebaut und der Haushalt massiv gekürzt.

Dass Richards und sein Team seinerzeit von BAT verpflichtet wurden, hatte aber auch von Beginn an einen ganz anderen Hintergrund: Der Tabakkonzern wusste damals bereits darüber Bescheid, dass Tabakwerbung in der Formel 1 früher oder später verboten sein würde. Folglich beauftragte man Prodrive damit, für das Team einen Käufer zu finden - was Ende vergangenen Jahres, als Honda einstieg, auch gelang. Richards' Mission war damit schon früher als geplant beendet...