• 08.10.2004 12:20

Richards: "Alles im Leben entwickelt sich weiter"

BAR-Teamchef David Richards im Interview über aktuelle sportpolitische Themen - Silverstone, Tabakwerbung und mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "David, morgen blüht uns hier ein gewaltiger Taifun, der gerade in seiner erwarteten Stärke nach oben revidiert wurde. Wie wird dadurch das Qualifying beeinträchtigt und wie möchtest du am liebsten verfahren, falls am Samstag nicht gefahren werden kann?"
David Richards: "Mir ist diesbezüglich aufgefallen, dass sich alle mit Sandwiches eindecken und die Kabinen des Streckenhotels für das Mittagessen mieten wollen! Es ist natürlich eine unglückliche Situation, am meisten für die Fans, die heute bei diesem Wetter auf den Tribünen gewartet haben und fast nichts sehen konnten. Der Gedanke, dass morgen ganz abgesagt werden könnte, ist schon beunruhigend. Das führt uns dann auch zum Qualifying. Was wir damit machen, ist ein weiteres Thema. Überall kommen jetzt hastig Ideen hervor, aber das ist gerade eine sehr entscheidende Phase der Weltmeisterschaft für manche Teams und es ist wichtig, dass es keine Lösung gibt, die am Ende einem Team Vorteile bringt. Es gibt meiner Meinung nach drei mögliche Varianten. Am besten wäre wahrscheinlich, beide Qualifyings am Sonntagmorgen auszutragen. Ich hoffe, die Veranstalter kriegen das hin. Geht das nicht, sollten wir vielleicht direkt ins zweite Qualifying gehen und als Startreihenfolge die umgekehrte Reihenfolge des letzten Rennergebnisses hernehmen. Alternativ könnte man die Startaufstellung auch noch einfach wie die Reihenfolge des letzten Rennens gestalten, wenn sonst gar nichts mehr geht. Das sind wohl die fairsten Möglichkeiten."#w1#

Titel-Bild zur News: David Richards

David Richards wünscht sich 2005 ein Rennen in Silverstone

Frage: "Kannst du dir vorstellen, der Idee zuzustimmen, dass Minardi 2005 ein modifiziertes 2004er-Auto einsetzen darf?"
Richards: "Die Position von BAR zu diesem Thema ist die, dass wir finden, das ist Sache der FIA. Sie haben neue Regeln eingeführt mit dem Argument, dass sie aus Sicherheitsgründen notwendig sind. Wenn die FIA sagt, Pauls Autos sind sicher genug, dann hätten wir sicher nichts einzuwenden."

Honda bringt immer in Japan eine Motorenausbaustufe

Frage: "Ihr kommt mit einem neuen Motor, einem verbesserten Getriebe und weiteren Modifikationen hierher. Eure Weiterentwicklung geht gegen Saisonende sehr aggressiv voran, um den zweiten Platz zu verteidigen, nicht wahr?"
Richards: "Gut beobachtet! Wir haben nicht aufgesteckt, haben zuletzt ziemlich viel getestet, gerade vergangene Woche in Jerez, und nächste Woche werden wir wieder testen. Es sind weitere Modifikationen da, wie richtig gesagt wurde. Honda bringt bei ihrem Heimrennen immer eine neue Ausbaustufe. Da haben sie uns auch diesmal nicht im Stich gelassen. Geoff hat auch für das Auto ein paar designtechnische Verbesserungen ausgeheckt, und wir hoffen, dass wir den Fortschritt hier und dann in Brasilien spüren werden."

Frage: "Anfang des Jahres hast du gesagt, die Sponsoren würden sich ein Bein ausreißen, um mit euch zusammenarbeiten zu können..."
Richards: "Ich glaube nicht, dass ich das so formuliert habe, aber ich wünschte, es wäre so."

Frage: "Ich will darauf hinaus, dass Sponsoren verloren gehen könnten, wenn Jenson Button zu Williams wechselt. Gibt es einen Notfallplan, wie man diese verlorenen Sponsoren zu ersetzen gedenkt?"
Richards: "Sponsorenseitig ist das Interesse am Team in diesem Jahr substanziell gewachsen, je besser unsere Leistungen wurden. Man muss kein großer Wissenschafter sein, um zu wissen, dass Sponsoren nach Leistung Ausschau halten, und es ist auch kein Geheimnis, dass die meisten Budgets jeweils für ein Jahr fest sind. Daher erwarte ich keine signifikanten Zuwächse bis nächstes Jahr, abgesehen davon, dass wir hier 'Epson' dabei haben und wir kürzlich einen Deal mit 'Ray-Ban' gemacht haben. Gut möglich, dass es vor Saisonende noch einen weiteren neuen Sponsor geben wird, aber grundsätzlich orientieren wir uns eher an nächstem Jahr. Grundsätzlich ist die Situation aber so, wie ich am Anfang des Jahres gesagt habe."

Sponsorensituation bei BAR sieht rosig aus

Frage: "Sind von den größeren Deals welche dabei, die daran gebunden sind, dass Jenson im Team sein muss?"
Richards: "Nein, denn ich würde nie einen Vertrag machen, der an einen individuellen Fahrer gebunden ist. So mache ich das nicht."

Frage: "Eine Frage bezüglich der Tabakwerbung. Es gibt per 31. Juli 2005 eine Deadline, die eingehalten werden muss. Was passiert dann? Beendet ihr die Saison ohne 'Lucky-Strike'-Branding oder geht es ganz normal weiter? Falls ihr weitermachen solltet, geht dann jemand ins Gefägnis? Schließlich ist es gegen das Gesetz in Großbritannien."
Richards: "Ich will das in einfachen Worten erklären. England, besser gesagt die Europäische Union, um genau zu sein, hat vor ein paar Jahren ein Tabakwerbegesetz beschlossen. Jedes Mitgliedsland der EU muss dieses Gesetz in Kraft treten lassen. Großbritannien, wie immer ziemlich pedantisch, hat dieses Gesetz ein bisschen zu sehr auf die Goldwaage gelegt, und als Resultat ist eine Zweideutigkeit entstanden, denn ursprünglich sah das Gesetz nur ein Tabakwerbeverbot innerhalb der EU vor. Es war nie die Absicht - und das hat die Regierung jetzt erkannt -, zu verbieten, was wir außerhalb der EU machen, also beispielsweise in Japan oder China oder Brasilien. Dennoch könnte man den Entwurf nach dem derzeitigen Stand der Dinge so auslegen. Diesbezüglich wollen wir im Moment Klarheit erlangen. Ich hoffe, dass das bald der Fall sein wird. Dann können wir außerhalb der EU bis Ende 2006 in unserer normalen Lackierung antreten, denn dann tritt ohnehin das selbstauferlegte Tabakwerbeverbot der Tabakindustrie in Kraft. Wenn die Lage aber nicht geklärt wird, müssten wir nach Juli 2005 alle Sponsorenaufkleber von Tabakfirmen entfernen. Das beträfe alle Firmen mit Sitz in Großbritannien oder britische Sponsoren. Dann wäre es gesetzeswidrig, mit Tabakwerbung zu fahren."

Frage: "Am Thema Silverstone kommt man im Moment nicht vorbei. Was glaubst du, wie es ausgehen wird?"
Richards: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr dort fahren werden."

30 Millionen Dollar für 16 Rennen pro Jahr

Frage: "Erwartest du eine Extrazahlung dafür, denn es wäre ja ein zusätzlicher Grand Prix, zu dem die Teams nicht verpflichtet sind?"
Richards: "Dafür muss man zuerst einmal die Finanzen verstehen und sehen, wie wenig Geld von einer Grand-Prix-Veranstaltung an die Teams geht. Wenn ich mich nicht täusche, werden 30 Millionen Dollar unter allen Teams für 16 Grands Prix aufgeteilt."

Frage: "Findest du die Summe, die von Silverstone gefordert wird, gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass sie jedes Jahr um zehn Prozent steigen soll?"
Richards: "Ich bin ja keiner der Verhandler für Silverstone und kenne daher die Summen nicht, aber die Summe sollte schon leistbar sein, dem Markt entsprechen, wenn man so will. Andererseits gibt es Veranstalter auf der Welt, die können fast jeden Preis für einen Grand Prix zahlen. Dadurch ergibt sich natürlich ein hoher Marktwert, das ist ganz logisch."

Frage: "Aber glaubst du nicht, dass Tradition in diesem Sport mindestens ebenso wichtig ist wie marktwirtschaftliche Aspekte?"
Richards: "Natürlich ist Tradition ein sehr wichtiger Faktor in der Formel 1, aber am Ende des Tages muss man das richtige Gleichgewicht finden. Alles im Leben entwickelt sich weiter. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der findet, dass die Aufnahme von Shanghai in den Kalender dem Sport geschadet hat, aber das bedeutet nun einmal auch, dass alte Strecke gestrichen werden müssen. So ist das nun mal."

Frage: "Wenn du sagst, dass du bezüglich Silverstone ein gutes Gefühl hast, ist das nur ein Gefühl im Bauch oder eine Annahme anhand der Entwicklungen der letzten 24 Stunden?"
Richards: "Nein, es ist nur mein persönliches Gefühl und mein persönlicher Wunsch. Für mein Team und sicher auch viele andere britische Teams ist es einfach nicht akzeptabel, das Rennen zu verlieren, auch aus kommerziellen Gründen. Die Auswirkungen auf die Belegschaft wären auch negativ. Wir müssen eine Lösung finden."

Frage: "Hast du Kontakt zu Kim Cockburn und dem Nigel-Mansell-Konsortium?"
Richards: "Nein. Ich habe davon nie gehört."