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  • 08.07.2011 23:02

  • von Dieter Rencken

Ricciardo: "Es würde nicht schaden, Liuzzi zu schlagen"

Daniel Ricciardo im Interview: Wie er das erste Formel-1-Wochenende erlebt, warum er Liuzzi besiegen muss und wieso er durch das Scheitern der Eltern Formel-1-Pilot wurde

(Motorsport-Total.com) - Ein Freitagseinsatz in der Formel 1 ist für Red-Bull-Junior Daniel Ricciardo nichts Neues. Doch zum ersten Mal in seiner Karriere ging der Australier in Silverstone mit dem Ziel in ein Formel-1-Wochenende, sich auf das Rennen am Sonntag vorzubereiten. Im ausführlichen Interview spricht der HRT-Neuling über die ersten Eindrücke von seinem neuen Rennstall, seinen Karriereplan mit Red Bull, die Konkurrenz mit Teamkollegen Tonio Liuzzi und erklärt, warum er eigentlich Tennisspieler hätte werden sollen.

Titel-Bild zur News: Daniel Ricciardo

Daniel Ricciardo befindet sich bei HRT im Red-Bull-Testlabor

Frage: "Daniel, wie war dein erster Tag als Formel-1-Fahrer?"
Daniel Ricciardo: "Es war in Ordnung, es lief ganz gut. Wir waren durch die Bedingungen ziemlich limitiert - typisches englisches Wetter. Leider hat es für uns heute eine ziemliche Show abgezogen. Dennoch konnten wir ein paar Runden fahren, also war nicht alles schlecht. Es war in Ordnung, ich konnte mich ein bisschen an das Auto und an das Team gewöhnen."

"Ich lernte die Knöpfe am Lenkrad kennen, denn die Anordnung ist etwas anders als bei meinen Autos in der Vergangenheit. Es wäre schön gewesen, etwas mehr Runden fahren zu können - vielleicht im Trockenen. Hoffentlich wird der Rest des Wochenendes diesbezüglich etwas angenehmer für uns."

Frage: "Warst du auf das Lenkrad bereits vorbereitet?"
Ricciardo: "Ja, ich bin seit Mittwoch hier an der Strecke, um einen Sitz anzufertigen und um in das Team eingeführt zu werden. Ich habe versucht, alles zu erlernen. Ich hatte bereits eine klare Idee, aber wenn du schnell fährst, dann passieren noch ein paar andere Dinge rund um dich. Das kann es etwas schwieriger machen. Bis zum zweiten Freien Training konnte ich die notwendigen Knöpfe aber ordnungsgemäß bedienen."

Der Sprung ins kalte Wasser

Frage: "Hat das Team einen Simulator?"
Ricciardo: "Nein."

Frage: "Du konntest dich also nicht vorbereiten."
Ricciardo: "Ja, aber zumindest habe ich etwas Testerfahrung mit Red Bull und Toro Rosso in diesem Jahr. Daher ist nicht alles neu für mich. Es ist ein neues Team und ein neuen Auto, aber grundsätzlich ist es das Gleiche."

Frage: "Gab es ein paar peinliche Momente, als du einen Knopf nicht fandest?"
Ricciardo: "Nein, es war in Ordnung. Heute Morgen gab es vielleicht einen Moment, in dem es mich zehn statt zwei Sekunden kostete, um eine Einstellung zu verändern, aber nichts Dramatisches."

Frage: "Passt der Sitz?"
Ricciardo: "Wir müssen noch ein paar abschließende Anpassungen machen, damit es komfortabler ist. Das ist aber immer so, wenn man ein Auto zum ersten Mal fährt. Ich habe nie das Glück, dass ich mich auf Anhieb wohl fühle, aber heute Nacht werde ich vielleicht da und dort ein Polster hingeben, dann sollte ich mich morgen wohler fühlen."

Frage: "Wie würdest du dein Auto mit den Autos der Vergangenheit vergleichen?"
Ricciardo: "Es ist anders. Ich schätze, dass man sagen kann, dass dieses Auto nicht mit dem Red Bull vergleichbar ist, den ich in Abu Dhabi fuhr. Die Bedingungen brachten das heute aber etwas durcheinander. Um das Potenzial des Autos wirklich beurteilen zu können, muss ich wahrscheinlich auf trockene Bedingungen warten."


Fotos: HRT, Großer Preis von Großbritannien


"Es ist aber immer noch ein Formel-1-Auto und es leistet zum Beispiel bei der Geschwindigkeit und auf der Bremse großartige Dinge - sogar unter den heutigen Bedingungen. Ich habe definitiv Spaß und ich bin schon gespannt, wie es morgen bei trockenen Bedingungen aussehen wird."

Frage: "Wirst du morgen einen weiteren enormen Lernprozess durchmachen?"
Ricciardo: "Es wird ein weiterer Lernprozess, aber ich habe heute schon einen Schritt dorthin gemacht. Bei diesen Bedingungen war es möglicherweise schwieriger. Ich fange im Trockenen also nicht bei null an, sondern lerne einen weiteren Aspekt des Ganzen. Ich glaube, dass mich der heutige Tag ganz gut vorbereitet hat."

Frage: "Normalerweise ist deine Arbeit bei Toro Rosso nach dem Freitag beendet. Wie cool fühlt es sich für dich an, jetzt das ganze Wochenende über im Einsatz zu sein?"
Ricciardo: "Ja, das ist schön. Selbst beim Fahrerbriefing Freitagnacht machen sie sich manchmal Sorgen, dass ich nicht mehr wirklich interessiert bin, denn mein Wochenende ist vorbei. Nein, im ernst. Es ist schön, dass ich auch in den nächsten Tagen fahren werde. Es gibt natürlich Bereiche, in denen ich mich verbessern kann. Es ist immer schön für einen Fahrer, wenn er weiß, dass er dazu die Möglichkeit bekommt."

Erstes Formel-1-Wochenende mit Perspektive

Frage: "Bisher hast du immer nur deine Eindrücke abgegeben, jetzt musst du dafür sorgen, dass deine Ideen am Samstag und am Sonntag umgesetzt werden. Eine komplett unterschiedliche Aufgabe, nicht wahr?"
Ricciardo: "Ja, jetzt spielt die Vorbereitung und das Feedback eine viel größere Rolle. Wie erwartet verbringe ich jetzt viel mehr Zeit mit den Ingenieuren, weil dann kein anderer Fahrer in das Cockpit einsteigt. Ich habe den Ingenieur jetzt länger für mich alleine. Wir werden sehen, wie es läuft, aber es liegt sicher noch sehr viel Arbeit vor uns, damit wir ein ordentliches Gleichgewicht finden."

Frage: "Wer ist dein Renningenieur?"
Ricciardo: "Angel Baena."

Frage: "Du hast ihn hier zum ersten Mal gesehen?"
Ricciardo: "Ja. Er ist Spanier, lebt aber in England. Ich weiß also ein bisschen was über ihn. (lacht) Es ist eine frische Beziehung."

Frage: "Wo lebst du?"
Ricciardo: "In Milton Keynes."

Frage: "Schläfst du zuhause?"
Ricciardo: "Ja. Das ist schön, dass ich an meinem ersten Formel-1-Wochenende zuhause schlafen kann."

Frage: "Auf die Frage, ob du am Sonntag um Ruhm oder um eine Zielankunft kämpfen solltest, meinte Mark Webber, der viel Erfahrung mit schlechten Autos hat, dass die Zielankunft wichtiger ist. Wie siehst du das?"
Ricciardo: "Wenn ich realistisch bin, dann muss es das Hauptziel sein, am Sonntag ins Ziel zu kommen. Natürlich werde ich pushen und versuchen, das Bestmögliche aus dem Auto herauszuholen. Ich habe wenig Zeit mit dem Team verbracht und ich glaube, dass wir nicht gegen Red Bull oder Ferrari kämpfen werden."¿pbvin|512|3861||0|1pb¿

"Wenn ich ein paar Plätze im Feld gewinnen kann, dann werde ich es natürlich probieren. Ich plane nicht, am Ende des Feldes mein eigenes Rennen zu fahren, sondern möchte einen guten Kampf haben und werde das ganze Rennen über pushen. Das ist mein Ziel."

Frage: "Du warst heute schneller als Tonio. Ist er auch deine erste Messlatte?"
Ricciardo: "Ja, zuerst vergleichst du dich immer mit dem Teamkollegen - das ist in allen Teams so. Ich möchte auch von ihm lernen, denn er ist recht erfahren und hat mit dem Team zumindest etwas mehr Zeit verbracht als ich. Es ist für mich wichtig, mit ihm zu sprechen und versuchen zu verstehen, wie sie sich seit Anfang des Jahres entwickelt haben und in welche Richtung sie mit dem Auto gehen."

"Was das Tempo angeht, bin ich heute recht zufrieden, dass ich konkurrenzfähig bin. Wir werden sehen, wie es im Trockenen aussieht, aber es war ein guter erster Tag."

Liuzzi als Lehrmeister und Rivale

Frage: "Ist es für deine Zukunft bei Toro Rosso wichtig, ihn zu besiegen?"
Ricciardo: "Es gibt eigentlich keine Sollwerte, aber ich schätze, es würde nicht schaden. Ich werde so schnell fahren wie es geht, und wo ich dann liege, wird den Ausschlag über die Zukunft geben. Es ist der Plan, noch lange hier zu sein und Rennen zu fahren, daher muss ich schnell sein. Ich hoffe, dass ich das irgendwie beweisen kann."

Frage: "Glaubst du, dass deine Erfahrung von Toro Rosso dabei helfen wird, um HRT etwas näher an das Mittelfeld heranzubringen?"
Ricciardo: "Es gibt grundsätzliche Dinge, bei denen ich das Gefühl habe, dass das andere Auto vielleicht etwas stärker ist, die allgemeine Balance. Ich denke, dass mein Feedback fair ist. Ich kann etwas Feedback geben, aber ich persönlich weiß gar nicht so viel über die technische Seite der Autos. Ich würde keine Informationen weitergeben, selbst wenn ich sie hätte. Es gibt eine gewisse Grenze und eine Vertraulichkeit."

"Ich kann aber mein Gefühle über die anderen Autos und wo bei HRT Raum für Verbesserungen existiert frei äußern. Ich glaube, dass das für das Team sehr nützlich ist, und wenn ich dabei mithelfen kann, dass das Team ein paar Plätze im Feld gutmachen kann, dann werde ich das tun - natürlich innerhalb gewisser Grenzen."

Frage: "Du bist in einer ungewöhnlichen Position, da du diese Saison drei unterschiedliche Formel-1-Autos gefahren bist."
Ricciardo: "Ja, seit November letzten Jahres ist es nun das dritte - und alles in einem kurzen Zeitraum. Ich fuhr drei verschiedene Autos für drei verschiedene Teams. Das ist eine ungewöhnliche Situation, aber ich denke, dass das eigentlich eine ziemlich coole Situation für einen jungen Fahrer ist."

Frage: "Du hast sogar die volle Bandbreite - von der Spitze bis ganz nach hinten. Gibt es da Unterschiede, was den Spaß angeht?"
Ricciardo: "Ich würde nicht sagen, dass der Unterschied so groß ist. Sogar mit meinem Renault-World-Series-Auto habe ich Spaß, wenn ich es ans Limit pushe, obwohl es nicht die Rundenzeiten der Formel 1 ermöglicht. Natürlich ist es schöner, deinen Namen auf Platz eins als auf Platz 20 zu sehen, aber das ist auch schon der ganze Unterschied. Das Fahren gibt einem aber trotzdem diese Befriedigung, wenn man am Limit ist. Das gilt sogar für ein Go-Kart."

Ricciardo dank Scheitern der Eltern Formel-1-Pilot

Frage: "Dachtest du als Formel-Ford-Fahrer daran, einmal ein Formel-1-Fahrer zu sein?"
Ricciardo: "Damals noch nicht. Ich war nicht besonders gut darin, die Gänge zu wechseln. Ich bin ziemlich dankbar, dass es die Schaltwippen gibt. Das macht das Leben einfacher. Erst jetzt wurde es wahr. Sogar, als ich ein Jahr später nach Europa kam, war es immer noch weit weg. Doch dann kam Red Bull an Bord und alles schien plötzlich ein bisschen näher zu kommen, dennoch war es immer noch weit weg."¿pbvin|512|3852||0|1pb¿

"Ich war 18, als ich von Red Bull aufgenommen wurde. Dann dauerte es immer noch ein paar Jahre, bis ich ihnen beweisen konnte, dass ich durch die Kategorien nach oben komme und es in die Formel 1 schaffe. Nein, damals glaubte ich nicht daran."

Frage: "Erinnerst du dich an dein erstes Kart?"
Ricciardo: "Ja, ich erinnere mich. Es war von der Marke Demon und in einem Fluor-Orange und in Schwarz gehalten. Es war sehr sexy. Ich bekam es, nachdem ich meine Eltern ein Jahr lang angebettelt hatte, ob ich ein Go-Kart haben kann. Ich wollte Rennen fahren, aber meine Mutter war ziemlich besorgt und wollte ihren kleinen Jungen nicht diese schnellen, kleinen Dinger fahren lassen. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn ich Tennis oder so etwas gespielt hätte."

"Es dauerte eine Weile, und mein Vater kaufte ein ziemlich billiges, beschissenes Go-Kart für mich, um mich auf einen anderen Weg zu bringen. Die anderen sollten mir den Arsch versohlen, damit ich etwas anderes tun möchte. Irgendwie habe ich es aber geliebt - ich fand meine eigene Leidenschaft, um weiterzumachen. Das war die Wende: Ich hatte plötzlich ihre volle Unterstützung erhielt nach ein paar Jahren ein besseres Go-Kart."

Auf den Spuren von Damon Hill?

Frage: "Damon Hill gab hier 1992 bei Brabham sein Debüt, war im Jahr darauf Teamkollege von Alain Prost bei Williams und 1996 Weltmeister. Ist das auch dein Plan mit Red Bull?"
Ricciardo: "Ich habe natürlich weiterhin eine Verbindung mit Red Bull. Natürlich ist das irgendwo in meinem Hinterkopf - es wäre schön eines Tages. Ich habe erst letzte Woche die Nachricht erhalten, dass ich fahren kann. Das füllt meinen Kopf nun zu einem großen Teil. Das sollte mich durch das Jahr bringen, und dann sehen wir, was passiert. Ich möchte jetzt einfach genießen, was ich habe."

Frage: "Was denkst du, warum hat dich Red Bull mitten in der Saison in der Formel 1 untergebracht?"
Ricciardo: "Ich denke, es hat etwas mit HRT zu tun, hoffentlich, weil sie finden, dass ich einen Platz in der Formel 1 verdient habe. Ich bin wirklich glücklich mit dem Deal, denn ich kann nun zur Gänze Formel 1 fahren und zwar früher als ich dachte. Das ist vielleicht ein weiterer Test, um mich zu bewerten, um zu sehen, wie ich mich schlage."

"Sie testen mich die ganze Zeit, und ich muss Leistung bringen. Sie wissen, dass wir keine Rennen gewinnen werden, aber es gibt trotzdem ein Ziel. Ich bin sicher, dass sie ihre eigenen Ziele haben, und dass sie genau wissen, was sie von mir verlangen. Ich muss pushen, und hoffentlich entspreche ich den Erwartungen."

Frage: "Mark Webber lebt auch in Großbritannien. Triffst du ihn häufig?"
Ricciardo: "Wir leben nicht weit voneinander entfernt, aber wir haben beide sehr viele Termine und sehen uns nicht oft abseits der Rennstrecke. Wenn er ein freies Wochenende hat, dann fahre ich üblicherweise in der Renault-World-Series."¿pbvin|512|3850||0|1pb¿

Frage: "Ist es eine professionelle Beziehung?"
Ricciardo: "Er ist sehr offen, und wenn ich einen Rat bräuchte, dann würde er mir auf jeden Fall helfen. Obwohl ich ihn nicht oft sehe - und das ist schön, finde ich."

Frage: "Ist deine Familie von Perth nach Großbritannien gekommen?"
Ricciardo: "Ja, meine Eltern waren bereits in Europa, denn sie kamen zu meinem Rennen in Monaco. Sie sind bereits einen Monat lang hier. Nur meine Schwester war zuhause in Australien und sie ist wegen des Rennens jetzt extra gekommen. Es ist schön, dass sie diese Erfahrung mit mir teilen - sie sind genauso aufgeregt wie ich. Sie wollten diesen Tag nicht verpassen."