• 15.07.2004 11:59

Renaults Analyse des Silverstone-Rennens

Ohne Punkte musste das Renault-Team aus Silverstone abreisen - die Franzosen geben Einblicke in ihre Analyse des Rennens

(Motorsport-Total.com) - Der Rückblick auf den Grand Prix von England fördert eine unbestreitbare Tatsache zu Tage: Das Renault-Team trat in Silverstone durchaus mit einem Rennwagen an, der in der Lage war, WM-Punkte zu ergattern. Doch nach dem schlimmen Unfall von Jarno Trulli - nach Angaben des Italieners der schwerste seiner bisherigen Karriere - brachte der französisch-britische Rennstall nur noch ein Auto ins Ziel.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso konnte in Silverstone nicht in die Punkte fahren

Der Renault von Fernando Alonso lief auf dem enttäuschenden zehnten Rang ein. Wäre ein besseres Ergebnis machbar gewesen, oder hatte die Mannschaft von Flavio Briatore bereits mit dem Motorschaden - der Alonsos Renner am Samstagmorgen ereilte und für eine Rückstufung in der Startaufstellung um zehn Plätze sorgte - bereits alle Chancen verwirkt?#w1#

Dieses Mal kein Raketenstart von Alonso

"Ich bin der festen Überzeugung, dass für uns auch der fünfte oder sechste Rang in Reichweite gelegen hätte", kommentiert Bob Bell, der Technische Direktor des Renault-Teams. "Wir wussten, dass Fernandos Rennen von seiner schlechten Startposition natürlich maßgeblich beeinflusst würde, aber daran ließ sich nichts mehr ändern." Zu allem Überfluss konnte der Spanier auch nicht auf den ersten Metern - wie sonst üblich - einige Gegner überholen, sondern kehrte gar nur als 17. aus der Auftaktrunde zurück.

Viel Pech im Rennen

Und die Pechsträhne hielt an: Mit Ausnahme des verunfallten Jarno Trulli schieden nur jene Teilnehmer mit einem Defekt aus dem Rennen aus, die ohnehin hinter Alonso lagen. Auf seinem Weg in die Punkteränge musste Fernando also mindestens acht Positionen aus eigener Kraft aufholen. Obwohl seine Konkurrenten mit unterschiedlichsten Strategien antraten, kam der Renault-Pilot noch bis auf eine Sekunde an den achten Platz heran. Wäre mehr möglich gewesen?

Der Unfall kostete das Team gleich doppelt Punkte

Unmittelbar nach Rennende lautete die Theorie: Die Chance auf die achte Position wurde in dem Moment vergeben, als Jarno Trulli durch seinen Abflug eine Safety Car-Phase auslöste. Als Alonso die Unfallstelle passierte, blieb den Strategen am Renault-Kommandostand nur zwei Kurven Zeit, um auf die neue Situation zu reagieren und eventuell den dritten und letzten Boxenstopp des Spaniers vorzuziehen. Doch der Plan besagte: Fernando sollte erst einen Vorsprung auf seine Verfolger Mark Webber und Felipe Massa - beide unterwegs auf einer Zweistopp-Taktik - aufbauen, um dann nach seinem eigenen Nachtanken vor beiden auf die Strecke zurückzukehren.

Allerdings hatte Alonso erst freie Fahrt, als Cristiano da Matta in der 37. Runde in die Box abbog: Der Spanier legte unverzüglich um 0,4 Sekunden bessere Rundenzeiten vor. Mark Webber holte sich in der 37. Runde frische Reifen ab und kehrte mit einem Rückstand von 3,2 Sekunden hinter dem Renault-Piloten auf die Strecke zurück. Da Fernandos Boxenstopp für den 43. Umlauf auf dem Programm stand, blieben dem Asturier genau sechs Runden, um den notwendigen 20-Sekunden-Vorsprung herauszuarbeiten.

Was wäre wenn?

Ob sich dieses ehrgeizige Vorhaben hätte verwirklichen lassen, wird wohl auf ewig ein Geheimnis der Rennsportgeschichte bleiben - auch wenn ein wichtiges Indiz einen Hinweis gibt: Nach dem Ende der Safety-Car-Phase in Runde 46 kam Webber nicht mehr über 1.22er-Zeiten hinaus - rund zwei Sekunden langsamer, als Alonso zu diesem Zeitpunkt fahren konnte. Dies hätte, freie Fahrt vorausgesetzt, nur noch zu einem 12-Sekunden-Polster gereicht.

Hätte der vorgezogene Boxenstopp an dieser Tatsache etwas ändern können? Zumindest wäre Fernando eine langsame Runde hinter dem Streckensicherungs-Fahrzeug erspart geblieben. Doch nach Runde 40 überquerte Webber die Ziellinie mit einem Acht-Sekunden-Rückstand auf Alonso, Massa folgte eine weitere Sekunde dahinter. Mit anderen Worten: Auch der frühere Reifentausch hätte keine Positionsverbesserung gebracht, sondern nur dafür gesorgt, dass Fernandos Verfolger eine Runde früher aufgerückt wären. WM-Punkte gingen an dieser Stelle des Rennens also nicht verloren.

Renault mit dem grundsätzlichen Speed zufrieden

Der grundsätzliche Speed des Renault R24 in Silverstone konnte sich durchaus sehen lassen. Alonso setzte während des Rennens die achtschnellste Runde, doch auch dies erzählt nur die halbe Geschichte. Wie Kimi Räikkönen bei seiner Jagd auf Michael Schumacher besonders anschaulich unter Beweis stellte, boten die Rennreifen von Michelin besonders in neuem Zustand einen besonders großen Vorteil gegenüber den Produkten des Mitbewerbers - also immer genau dann, wenn der Renault-Pilot hinter langsameren Teilnehmern steckte und das Potenzial seiner Pneus nicht nutzen konnte.

Zu keinem Zeitpunkt des Grand Prix von Großbritannien hatte der Spanier die Chance, mit einem vergleichsweise leichten Auto schnelle Runden zu drehen - seine Bestzeit von 1.20.442 Minuten legte er in der 39. Runde vor, also kurz vor dem Unfall von Jarno Trulli. In diesem Moment hatte er noch genügend Treibstoff für vier weitere Runden an Bord. Zehn Kilogramm Treibstoff wirken sich in Silverstone angesichts der vielen schnellen Kurven jedoch mit einem Nachteil von rund 0,4 Sekunden pro Umlauf aus. Alonso führte noch mindestens zwölf Kilogramm Benzin mit. Dies bedeutet: Von der Geschwindigkeit her lag er durchaus auf einem Niveau mit Juan-Pablo Montoya oder auch Giancarlo Fisichella.

Es sollte einfach nicht sollen sein

Auch wenn Chef-Stratege Pat Symonds unmittelbar nach dem Rennen der scheinbar verpassten Chance während der Safety-Car-Phase nachtrauerte: Die wahre Ursache für das schlechte Abschneiden seines Piloten lag eher in den zahlreichen langsameren Teilnehmern vor ihm begründet, die er während des Grand Prix nicht überholen konnte - obwohl Renault noch versuchte, das Steuer mit dem Wechsel auf eine Dreistopp-Taktik spontan herumzureißen. Am vergangenen Sonntag sollte es einfach nicht sein.

Renault in schnellen Passagen noch zu schwach

Auf eine Runde betrachtet, profitierte der R24 in Silverstone speziell im etwas engeren dritten Streckenabschnitt als fünftschnellstes Auto von seiner vorzüglichen mechanischen Traktion. Im ersten Sektor legte Alonso die elftbeste, im zweiten Teil die zehnte Zeit vor - klares Indiz dafür, dass der Renault in langsameren Kurven aufholen sollte, was er in den Hochgeschwindigkeits-Passagen einbüßte.

Dabei konnte der französisch-britische Rennstall in puncto Höchstgeschwindigkeiten durchaus mithalten: Fernando beeindruckte mit dem fünftbesten Topspeed, Jarno Trulli durchquerte die Lichtschranke als Neuntschnellster. Dennoch: Silverstone entpuppte sich für Renault einmal mehr nicht als Lieblingsstrecke, die unebene Piste und die wechselhaften Windverhältnisse spielen dem R24 nicht in die Karten. Von der Papierform her sollte die Grand Prix-Strecke im badischen Hockenheim dem gelb-blauen Renner deutlich besser liegen...