• 22.05.2012 20:37

Renault: Intensive Vorbereitungen auf das Heimspiel

Auch die Motoren stellt die Strecke von Monaco vor besondere Herausforderungen, doch Renault hat sich darauf intensiv vorbereitet

(Motorsport-Total.com) - Der Formel-1-Grand-Prix im mondänen Fürstentum an der Cote d'Azur ist für die RS27-Achtzylinder von Renault so etwas wie ein Heimspiel. Nach dem Spanien-Sieg von Pastor Maldonado, der mit diesem Erfolg den ersten Höhepunkt in der wiederbelebten Partnerschaft zwischen Williams und dem französischen Automobilhersteller gesetzt hat, lautet die Frage vor dem sechsten Saisonlauf: Werden die Zuschauer in Monte Carlo auch den sechsten Sieger der laufenden WM-Kampagne erleben?

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

In Monaco sind nicht nur die Fahrer, sondern auch die Motoren hart gefordert

Dabei gilt für Williams ebenso wie für Red Bull, Lotus und Caterham: Für das spektakuläre Stadtrennen im 3,340 Kilometer langen Leitplankenkanal der Mittelmeer-Metropole erwarten sie von Renault einen Motor, der extrem direkt und früh auf Gaspedalbefehle anspricht. In Zahlen ausgedrückt: Statt wie sonst zwischen 16.000 und 18.000 Umdrehungen müssen die 2,4 Liter großen V8 bereits ab 15.000 Touren genügend Leistung und Drehmoment bereitstellen, um kraftvoll aus engen Kurven herausbeschleunigen zu können.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit, die die Formel-1-Piloten in den Straßen von Monte Carlo erreichen, ist mit rund 160 km/h die niedrigste der gesamten Grand-Prix-Saison. Lediglich 50 Prozent pro Runde stehen die Fahrer voll auf dem Gas - auf anderen permanenten Rennstrecken schnellt dieser Wert gut und gerne auf 70 Prozent hoch. Auch die Top-Speeds bleiben mit 290 km/h, die die Formel-1-Boliden am Ausgang des Tunnels erreichen, weit hinter sonst üblichen Werten zurück. Zum Vergleich: Beim Großen Preis von Spanien pfeilten die Teilnehmer dank flachgestellter Flügel mit bis zu 320 km/h auf das Ende der Start-Ziel-Geraden zu.

Unebenheiten fordern den Motor

Apropos Start-Ziel-Gerade: Die entpuppt sich in Monaco eher als langgezogene Rechtsbiegung. Der Anlauf bis zu Kurve eins ist von der ersten Startposition aus mit lediglich 140 Metern so kurz wie auf keiner anderen GP-Rennstrecke - und der Pole-Position-Inhaber benötigt hierfür nach dem Erlöschen der Ampeln kaum mehr als vier Sekunden. Zu wenig, um den Zusatzschub des regenerativen KER-Systems voll zur Geltung zu bringen.

Bei der Anfahrt von der ersten Kurve bis zum Casino überwinden die Teilnehmer in nur zehn Sekunden 30 Höhenmeter. In dieser Passage kommt es vor allem auf einen reaktiv ansprechenden Motor an. Die Ingenieure von Renault passen die Kennfeldsteuerung so auf die besonders kurze Übersetzung des Getriebes an, dass exakt beim Anbremspunkt der folgenden Linkskurve die Drehzahlgrenze erreicht wird. Die Auffahrt bietet eine gute Gelegenheit, den KERS-Extraschub einzusetzen - auch wenn sich der Effekt dieses System angesichts der steilen Steigung weniger effizient auswirkt.

Die welligen, unebenen Straßen des Fürstentums sorgen an vielen Stellen dafür, dass der Kraftschluss zwischen Reifen und Fahrbahn kurz unterbrochen wird. Dieses Springen führt auch dazu, dass die Autos einerseits Zeit verlieren und auf der anderen Seite die Motoren im Verlauf einer Runde immer wieder für einen kurzen Moment in den Drehzahlbegrenzer schnellen. Dies stellt insbesondere für die mechanisch beweglichen Teile eine enorme Zusatzbelastung dar.

Aggregate erhalten wenig Kühlluft

Auch wenn diese Effekte nur für kleinste Bruchteile einer Sekunde auftreten, so können sie im Extremfall doch für einen kapitalen Schaden sorgen. Entsprechend bemüht sind die Fahrer, den übelsten Unebenheiten aus dem Weg zu gehen. Besonders markant für dieses Vorhaben ist der weite Schlenker, mit dem sie zwischen Casino und der Mirabeau-Rechtskurve von der Ideallinie abweichen.

In der engen Spitzkehre am Grand Hotel erreichen die Achtzylinder die geringste Drehzahl der gesamten Saison - mehr als 65 km/h oder 6.500 Touren lässt die Haarnadelkurve selbst für Formel-1-Rennwagen nicht zu. Es gibt übrigens auch keine zweite Passage, in der die Fahrer am Volant umgreifen müssen, um einen genügend großen Lenkwinkel aufzubauen.

Abgesehen von der kurzen Start-Ziel-Geraden bietet die Passage durch den Tunnel die einzige Möglichkeit, in der die schnellen Einsitzer so richtig auf Tempo und Drehzahl kommen. Dabei biegen die Piloten in der Portier-Rechtskurve im zweiten Gang auf die Uferstraße ab und schalten das Getriebe unter Vollgas bis in die höchste Stufe durch. Hier zählen vor allem eine gute Traktion und ein kraftvoll zubeißender Motor. Bis zur anschließenden Schikane sind es nur 670 Meter oder acht bis neun Sekunden.

Wer glaubt, dass der Tunnel-Abschnitt - auf dem die Fahrzeuge ihren Top-Speed erreichen - den V8-Aggregaten eine mehr als willkommene Frischluftzufuhr ermöglicht, irrt. Tatsächlich staut sich in dem Bauwerk verbrauchte Abgasluft. Und die ist eher sauerstoffarm und zudem noch so heiß wie sonst nur bei den Formel-1-Rennen in Abu Dhabi oder Malaysia.

Der "Circuit de Monaco" aus der Sicht des Fahrers

"Jeder Grand-Prix-Pilot liebt das Stadtrennen von Monte Carlo - die Präzision, die uns der Leitplankenkanal abverlangt, ist phänomenal", sagt Romain Grosjean. "Dies gilt übrigens nicht nur für uns Fahrer, sondern auch für die Ingenieure und ist auch nicht nur der Formel 1 vorbehalten, sondern allen Formel-Serien, die hier an den Start gehen. Auch wenn diese Anforderungen für die Königsklasse mit ihren hochsensiblen Rennwagen natürlich ganz besonders schwierig sind. Ich kenne die Strecke aus meiner Zeit in der GP2 recht gut, mit einem Formel 1 bin ich jedoch noch nie in Monaco gefahren"

Romain Grosjean

Romain Grosjean freut sich auf sein Formel-1-Debut in Monaco Zoom

"Entsprechend intensiv habe ich mich auf den sechsten Saisonlauf vorbereitet", erklärt der Lotus-Pilot. "Wichtig für uns ist: Viel Vertrauen in das zuverlässige Ansprechen des Motors aufbauen. Wenn du dich darauf verlassen kannst, am Kurvenein- und ausgang jenen Schub und jene Traktion vorzufinden, die du brauchst, dann kannst du auch richtig attackieren. Tatsächlich wird der Große Preis im Fürstentum wohl jenes Rennen sein, an dem ich mich so intensiv mit den Motoren-Ingenieuren von Renault verdrahte wie nirgendwo sonst. Wenn das Ansprechen der Achtzylinder aus den engen Ecken richtig gut funktioniert, bringt das gleich mehrere Zehntelsekunden pro Runde."

Der "Circuit de Monaco" aus der Sicht des Motoren-Ingenieurs

"Der Kurs von Monaco stellt höchste Ansprüche an die richtige Abstimmung von Motor und Motormanagement", sagt Renault-Sportchef Remi Taffin. "Bei keinem anderen Grand Prix verwenden die Ingenieure von Renault so viel Zeit für die Vorbereitung auf diese ganz spezielle Strecke. Die Motorenprüfstände und die gesamte Abteilung laufen während eines Zeitraums von zwei bis vier Tagen auf Hochtouren. Zum Vergleich: Bei einem 'durchschnittlichen' Rennen wie zum Beispiel dem Grand Prix von Spanien genügt rund ein Tag."

Renault-Motor

In Monaco zählt gute Fahrbarkeit mehr als Spitzenleistung Zoom

"Der Kurs durch den Leitplankenkanal von Monaco ist verglichen mit anderen Strecken unglaublich langsam. Unser Fokus liegt daher auf optimaler Fahrbarkeit bei niedrigen Drehzahlen", erklärt Taffin. "Gleichzeitig müssen wir die Getriebeabstimmung jedoch so anpassen, dass die Fahrer zwischen den einzelnen Kurven effizient beschleunigen können. Dabei ist die optimale Übersetzung immer ein Kompromiss. Denn jede Kurve ist anders und verlangt daher eigentlich nach einer anderen Abstufung des Getriebes."

"Darüber hinaus widmen wir einen Großteil unserer Aufmerksamkeit auch der effizienten Kühlung. Denn aufgrund der zahlreichen langsamen und mittelschnellen Kurven in Monaco wird der Motor nur mit wenig Kühlluft versorgt und kann eigentlich nie wirklich 'verschnaufen'. Das erhöht die Gefahr einer Überhitzung. Da es sich um einen reinen Straßenkurs handelt, liegen viel Schmutz und Fremdkörper auf der Strecke, die die Lufteinlässe verstopfen können. Um ein Heißlaufen des Motors zu verhindern, können wir jedoch nicht einfach zusätzliche Kühlluftöffnungen oder Lüftungsschlitze in die Karosserie schneiden. Denn die langsamen Kurven erfordern maximalen Anpressdruck."

"Eine weitere Besonderheit, die die Ingenierue berücksichtigen müssen, sind die zahlreichen Fahrbahnunebenheiten in Monaco. Gullydeckel, lackierte Flächen und mehrere große Bodenwellen sorgen dafür, dass die Motoren weitaus öfter in den Drehzahlbegrenzer laufen als auf permanenten Rennstrecken wie Sepang oder Monza. Um dies zu verhindern, passen wir die Schaltpunktanzeige im Cockpit entsprechend an und ermutigen die Fahrer dazu, früher hochzuschalten."

"Der Kurs von Monaco ist Jahr für Jahr eine große Herausforderung. Aber wir sind optimistisch, dass wir die passende Abstimmung finden werden. Bislang lief die Saison für die Partnerteams von Renault sehr erfolgreich. Wir freuen uns, dass wir unseren Teil zu den tollen Ergebnissen beitragen konnten. In den bisherigen Rennen haben die vier Partnerteams von Renault mehr Punkte eingefahren als die Konkurrenz. Zwei Siege und sechs Podiumsplatzierungen sprechen eine deutliche Sprache. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir natürlich in Monaco fortsetzen."