• 11.05.2012 14:30

Renault: Der Motor schont die Reifen

Wie Motorenhersteller Renault für eine längere Lebensdauer der Formel-1-Hinterreifen sorgen möchte: Das spezielle Mapping entlastet, aber es kostet auch

(Motorsport-Total.com) - Zwei Themen bestimmen die bisherige Saison: die sensationelle Ausgeglichenheit des aktuellen Formel-1-Feldes und die Pirelli-Rennreifen. Auch aus Sicht des Motorenherstellers Renault ist das "schwarze Gold" von höchster Bedeutung. Denn als einzige Verbindung zwischen Auto und Straße bringen die Reifen schließlich die Motorleistung auf den Asphalt. David Lamb, der Motoreningenieur von Renault im Partnerteam Williams, weiß um die Bedeutung eines idealen Zusammenspiels von Pneus und Power.

Titel-Bild zur News: Pastor Maldonado

Vor allem die Hinterreifen bescheren den Teams oft Kopfzerbrechen

"Bei den ersten beiden Saisonrennen spielte der Reifenverschleiß kaum eine Rolle. In Shanghai und Bahrain rückte er aber sehr in den Vordergrund - das Reifen-Management wurde plötzlich zu einem der Schlüsselfaktoren für die Rennperformance. In der Regel lassen die Hinterreifen zuerst nach, weil sie beim Beschleunigen und Runterschalten die größeren Lasten schultern müssen. Und da das Motorenmapping auf diese beiden Punkte erheblichen Einfluss hat, wussten wir, dass wir unseren Partnern beim schonenden Umgang mit den Reifen helfen können", erklärt der Brite.

"Wenn der Fahrer vom Gas geht, werden die Hinterreifen entlastet - sobald er wieder beschleunigt, wirken die Kräfte umso heftiger. Dieses ständige Aus-An der Belastung verstärkt den Verschleiß. Und wenn du dann noch ein Rad beim Bremsen blockierst, kostet das nicht nur Zeit, es heizt den Reifen auch auf; das beschleunigt den Abbau nochmals", schildert Lamb. "Wir versuchen über das Motormanagement unter anderem, das Blockieren der Hinterräder zu vermeiden und so die Lebensdauer der Pneus zu erhöhen."

"Die erste Maßnahme besteht darin, dass wir auch im Schubbetrieb immer etwas Drehmoment aufrechterhalten. Auch wenn der Fahrer den Fuß komplett vom Gaspedal nimmt, liefert das Triebwerk etwas Leistung. Das geschieht über die erlaubten Mapping-Einstellungen innerhalb der Standardsoftware", sagt der Renault-Fachmann. "Dieser Eingriff stabilisiert das Heck beim Bremsen und verhindert ein Blockieren durch zu starke Motorbremse - im Ergebnis leben die Reifen länger."

"Die Leistung wird natürlich trotzdem stark heruntergeregelt, denn seit dieser Saison ist es bekanntlich verboten, dass bei null Prozent Gaspedalstellung gleichviel oder mehr Drehmoment geliefert wird. Die Fahrer haben drei oder vier Stufen zur Verfügung, um diese Funktion nach ihren Wünschen einzustellen. Welche sie wählen, hängt auch von der jeweiligen Rennsituation ab", beschreibt der britische Motorentechniker.

Thema des Jahres: Die Reifen der Generation 2012 leiden teilweise enorm Zoom

Das Konzept klingt erst mal schlüssig und simpel. Aber wie alles im technisch anspruchsvollsten Sport der Welt muss jeder Vorteil gegen mögliche Nachteile abgewogen werden. "Fakt ist, dass dieser Kunstgriff den Spritverbrauch leicht erhöht. Er steigt exponentiell je nachdem, wie viel Schub du beibehältst", räumt Lamb ein. "Der Verbrauch kann um bis zu ein oder zwei Prozent pro Runde steigen. Das summiert sich auf rund drei Kilo Mehrgewicht beim Rennstart. Dieses Gewicht kostet dich unweigerlich etwas Rundenzeit, wenn auch nur ein paar Hundertstelsekunden. Ironi-scherweise trägt das Benzin, das du mitnimmst, um die Reifen zu schonen, durch sein Gewicht auch zu deren Verschleiß bei."

Ebenfalls zu bedenken: Die durchschnittliche Motortemperatur geht in die Höhe. "Wenn du das Triebwerk mit diesem sogenannten Overrun betreibst, läuft der Motor eine längere Zeit unter Schub. Also steigen auch die Betriebstemperaturen. Das dürfte hier in Barcelona kein Problem darstellen, aber in Bahrain waren wir wegen der hohen Lufttemperaturen schon nah am Limit." Doch die Ingenieure von Renault haben neben dem Overrun noch andere Pfeile im Köcher. Das Mapping des Gaspedals etwa ist heute so wichtig wie nie zuvor, betont Lamb.


Fotos: Großer Preis von Spanien


"Diese 'Pedal-Maps' wirken sich auf den Reifenverschleiß aus, weil sie bestimmen, wie viel Drehmoment bei bestimmten Gaspedalstellungen abgerufen wird", beschreibt Lamb. "Nehmen wir ein etwas extremes Beispiel. Ein Fahrer sagt: Ok, wenn ich 30 Prozent Gas gebe, möchte ich 15 Prozent des maximal möglichen Drehmoments. Ein 'weiches' Pedal-Mapping ermöglicht auf dem ersten Teil des Pedalweges eine relativ große Spreizung des abgerufenen Drehmoments. Zwischen null und 50 Prozent Pedalweg könnte er zum Beispiel null bis 80 Prozent der Power bekommen."

"Je weiter das Pedal jedoch durchgetreten wird, umso mehr gleichen sich Pedalstellung und Leistungsabgabe an. Der Grund für diesen weniger progressiven Verlauf im oberen Leistungsbereich ist, dass das Reglement zwei Eckpunkte des Pedal-Mappings vorgibt: Bei null Prozent der Gaspedalposition muss das minimale, bei 100 Prozent das maximale Drehmoment anliegen", so der Brite. "Wenn du also in einem bestimmten Bereich eine stärkere Progression vornimmst, wird die Kurve in einem anderen Bereich dafür flacher ausfallen."

"Diese Einstellung wirkt sich deutlich auf die Art und Weise aus, wie die Reifen beansprucht werden. Sie wird spezifisch für jeden Fahrer und jede Strecke programmiert - und manchmal sogar von Kurve zu Kurve, damit die Räder beim Beschleunigen möglichst wenig durchdrehen", sagt der Renault-Techniker. "Für uns als Ingenieure ist das Pedal-Mapping eine der interessantesten Herausforderungen. Die Regeln limitieren diese Eingriffe natürlich, damit wir nicht durch die Hintertür eine neue Art Traktionskontrolle einführen."

"Die FIA untersucht diesen Bereich ganz genau, besonders die Einstellungen für das Startprozedere. Wir arbeiten in den Freitagstrainings mittlerweile sehr intensiv daran, die Pedal-Maps für jeden Fahrer und jede Kurve zu programmieren. Wir möchten, dass die Piloten in unseren Partnerteams mit dem Ansprechverhalten, dem Pedalgefühl und der Leistungsabgabe glücklich sind."