"Reifenflüstern": GP2 noch dramatischer als die Formel 1
Beide kennen die Situation in der GP2 und in der Formel 1: Alexander Rossi und Jules Bianchi erklären, dass "Reifenflüstern" kein reines Formel-1-Phänomen ist
(Motorsport-Total.com) - Die leidigen Diskussionen über die schnell abbauenden Pirelli-Reifen kann weder von den Fans noch von den Beteiligten im Fahrerlager jemand weiter hören. Dennoch lässt sich das Thema natürlich nicht wegdiskutieren - und ein Aspekt wurde bisher fast gänzlich ausgeblendet: Auch in der GP2, dem Sprungbrett in die Formel 1, ist die Situation vergleichbar.

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Stark abbauende Reifen kennt Alexander Rossi auch aus der GP2 Zoom
"Auch in der GP2 kannst du nicht das ganze Rennen voll fahren, denn es gibt nur einen Boxenstopp", erklärt Marussia-Rookie Jules Bianchi im Interview mit 'Motorsport-Total.com'. "Wenn du voll attackieren würdest, müsstest du zwei Boxenstopps machen, aber das kostet zu viel Zeit." Das Thema sei daher "genau das gleiche" wie in der Formel 1 - was zumindest Bedenken entkräftet, die GP2 sei so gesehen eine schlechte Vorbereitung auf die Königsklasse.
Alexander Rossi, Caterham-Pilot in der GP2 und am Freitagmorgen in Montreal auch in der Formel 1 im Trainingseinsatz, geht noch einen Schritt weiter: "In der GP2 ist es sogar noch schlimmer, denn es ist der gleiche Reifen, aber die Autos haben nicht annähernd den gleichen Anpressdruck oder Grip. Also rutscht man viel mehr herum", verrät er gegenüber 'Motorsport-Total.com' und ergänzt: "In der GP2 fährt man vielleicht mit 70 Prozent, hier vielleicht mit 90."
Auch in der GP2 ist "Reifenflüstern" also wichtiger geworden als das reine Tempo: "Der Unterschied zwischen Qualifying und Rennen liegt in der GP2 schon mal bei acht Sekunden. Da bummelst du im Rennen nur herum und achtest auf die Reifen. Und du hast nur einen Boxenstopp, während du in der Formel 1 auch drei machen kannst. Ich würde sagen, dass die Situation in der GP2 so gesehen noch dramatischer ist als in der Formel 1", findet Rossi.
Was die Frage aufwirft: Sollte es nicht oberstes Ziel einer Nachwuchsserie wie der GP2 sein, die schnellsten Talente hervorzubringen - und nicht die besten "Reifenflüsterer"? "Unterm Strich ist es immer noch die beste Vorbereitung auf die Formel 1, etwas zu machen, was ähnlich ist. Sticht in der GP2 immer der schnellste Fahrer heraus? Nein. Aber bereitet es dich am besten auf die Formel 1 vor? Ja", argumentiert Rossi.
Bianchi findet die Situation in der Formel 1 ohnehin "okay", denn: "Es ist für alle gleich. Du kannst im Rennen keine Qualifying-Runden fahren, aber du musst so schnell wie möglich sein und gleichzeitig mit den Reifen haushalten. Wenn du das gut hinbekommst, gewinnt immer noch der schnellste Fahrer", widerspricht er der Kritik, dass sich in der Königsklasse momentan nicht mehr zwingend das größte Naturtalent durchsetze.

