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  • 11.07.2002 12:29

  • von Fabian Hust

Regentaufe für die Formel 1

Silverstone war das erste Regenrennen dieser Saison, das Ergebnis sprach dabei eine deutliche Sprache

(Motorsport-Total.com) - Seit letztem Jahr hat Michelin zwar viel an den Regenreifen gearbeitet und man konnte auch riesige Fortschritte machen, denn bei starkem Regen, das zeigte sich am Freitag in Silverstone, ist man mit Bridgestone mindestens ebenbürtig. Die Intermediate-Reifen sind allerdings je nach Bedingungen um zwei bis vier Sekunden pro Runde langsamer als das Gegenstück von Bridgestone. Aus diesem Grund war es auch kein Wunder, dass die Michelin-Teams lieber den Regenreifen aufzogen, auch wenn angesichts des vergleichsweise geringen Wasserstandes auf der Strecke Intermediate-Reifen besser geeignet wesen wären.

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher im F2002

Schumi musste nicht einmal 100 Prozent geben, um das Rennen zu gewinnen

Der Rennausgang mit fünf Fahrern unter den ersten Sechs sagte eigentlich alles aus ? Bridgestone war Michelin unter diesen Bedingungen deutlich überlegen, was sich auch anhand der schnellsten Rennrunden deutlich machen lässt. Schon vor dem Rennen gab es unterschiedliche Wünsche, was das Rennwetter angeht. Ferrari war das Wetter weitestgehend egal, denn man würde immer konkurrenzfähig sein. Die chancenlosen Bridgestone-Teams wie Jordan beteten für Regen und bei Michelin hoffte man, dass es entweder ganz trocken bleibt oder kräftig regnet.

Ferrari ? 118 WM-Punkte ? Platz 1
Innerhalb von 19 Runden stürmte Rubens Barrichello vom 21. auf den zweiten Platz nach vorne, dies macht deutlich, wie überlegen die Roten mit ihrem Paket beim Großen Preis von Großbritannien waren. Michael Schumacher konnte vorne das Tempo beinahe nach Belieben diktieren, er fuhr spielerisch um zwei bis vier Sekunden schnellere Rundenzeiten als sein Verfolger Juan-Pablo Montoya. In seiner schnellsten Runde war Barrichello um 0,743 Sekunden flotter unterwegs als Schumacher, das zeigt, dass der Deutsche nicht am Limit fuhr.

Der Weltmeister fuhr ein absolut perfektes Rennen ohne Fahrfehler. Zur Anfangsphase lieferte er sich ein packendes Duell mit Juan-Pablo Montoya, bei dem er sich immer wieder zeigte, aber auf eine Harakiri-Aktion verzichtete, was die Erfahrung eines 60-fachen Grand-Prix-Siegers widerspiegelt. Rubens Barrichello leistete sich bei seiner Aufholjagd einen Dreher, was aber bei diesen Bedingungen verzeihlich ist. Dass "Rubinho" dennoch Zweiter werden konnte, untermauert die Überlegenheit des Autos.

Die Arbeit vom Boxenteam Ferraris rund um Technikdirektor Ross Brawn war wieder einmal perfekt, die Zuverlässigkeit der Autos bis auf den Schluckauf an Barrichellos Auto am Vorstart erneut vorbildlich. Ein ausgezeichnetes Auto zusammen mit einem exzellenten Reifen machte den Großen Preis von Großbritannien für Ferrari zur bisher überlegensten Triumphfahrt dieser Saison.

Kurzprognose:
Der WM-Titel ist Michael Schumacher zwar mathematisch noch zu nehmen, aber selbst wenn der Deutsche aus irgendeinem Grund nicht mehr fahren könnte, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass er seinen fünften Titel noch verpassen würde. Der Rekord von neun Siegen pro Saison dürfte Schumacher knacken. Etwas offener ist es noch in der Konstrukteurswertung, doch auch hier dürfte Ferrari der Titel mehr oder weniger sicher sein. Nur Michelin konzentriert sich noch auf die Saison 2002, die anderen Teams haben den Titelkampf längst aufgegeben und orientieren sich vermehrt am kommenden Jahr, somit ist ein Machtwechsel an der Spitze sehr unwahrscheinlich.

BMW-Williams ? 61 WM-Punkte ? Platz 2
Die Weiß-blauen waren wieder einmal in der Qualifikation zusammen mit Juan-Pablo Montoya am Schnellsten, auch wenn dieses Mal der Abstand geringer war. Man erhoffte sich durch einen konservativeren Reifen eine bessere Vorstellung im Rennen. Doch durch das Wetter konnte man nicht sehen, ob die Taktik von Michelin aufging.

Juan-Pablo Montoya fuhr im Rahmen seiner Möglichkeiten ein exzellentes Rennen. Er versuchte Michael Schumacher so lange wie möglich zu halten, fuhr dabei aber nie unfair. Teamkollege Ralf Schumacher hatte riesiges Pech. Er wäre hinter seinem Teamkollegen als Vierter ins Ziel gekommen, doch die streikende Tankanlage machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Das Team schiebt die Schuld auf den Hersteller der Tankanlagen, doch dass auch die Ersatzanlage nicht funktionierte zeigte, dass das Team in der Hektik den Stutzen falsch aufsetzte und verkantete. Ein bisschen mehr Übung und mehr Gelassenheit in solchen Situation sind also dringend notwendig.

Als die Strecke zum Schluss trockener wurde, ging Juan-Pablo Montoya vom Gas, da er Benzin sparen musste. Dies erklärt auch, warum Ralf Schumacher in seiner schnellsten Rennrunde mit 1,503 Sekunden auf den dritten Platz kam und Montoya mit 2,386 Sekunden Rückstand nur den zehnten Rang belegte.

Kurzprognose:
Nur einen einzigen Sieg konnte man in zehn Rennen bisher einfahren, viel zu wenig. Doch BMW-Williams hat in diesem Jahr noch Siegpotenzial, aber man wird heiße Temperaturen benötigen, um dieses Ziel zu erreichen. Im Nassen oder Kühlen ist Ferrari derzeit deutlich überlegen. Auch wenn McLaren-Mercedes zuletzt deutlich näher kam, scheint der zweite Platz von BMW-Williams nicht gefährdet zu sein. Spannend: Sowohl Ralf Schumacher und Juan-Pablo Montoya besitzen das Potenzial auf den Vizetitel, die etwas besseren Chancen dürfte wohl der Kolumbianer haben.

McLaren-Mercedes ? 37 WM-Punkte ? Platz 3
Wenn etwas schief geht, dann geht es meistens richtig schief. So war das in diesem Wochenende bei McLaren-Mercedes, wo man noch bei starkem Regen am Freitag hatte sehr gute Zeiten fahren können. Doch im Rennen ging alles schief, was nur schief gehen kann. David Coulthard steuerte die Box an, als keiner bereit war, er erhielt die falschen Reifen, stand lange Zeit als "Dreirad" an der Box, der Tankschlauch klemmte und schlussendlich leistete sich der Schotte auch noch ein paar Fahrfehler.

Und auch die Technik war nicht perfekt, Kimi Räikkönen, der mit Abstand besser unterwegs war als Coulthard, fiel vorzeitig mit einem Motorschaden aus. In seiner schnellsten Rennrunde war der Finne bist dahin 2,326 Sekunden langsamer als Barrichello, was den neunten Platz bedeutete. David Coulthard landete zwei Plätze dahinter mit 2,409 Sekunden Rückstand.

Kurzprognose
Das Team hat auf vielen Gebieten eklatante Schwächen aufgezeigt, an denen man arbeiten muss. Hoffnungen auf Siege kann man sich bei den Silbernen vielleicht in Ungarn noch machen wenn es heiß ist. Ansonsten ist sicherlich der eine oder andere Podiumsplatz im Bereich des Möglichen und der dritte Platz in der Konstrukteurswertung manifestiert.

Renault ? 14 WM-Punkte ? Platz 4
Die Franzosen haben über den Winter den größten Schritt nach vorne gemacht, aber in der Saison scheint man in Sachen Weiterentwicklung ein wenig zu stagnieren. Das neue Aerodynamikpaket konnte auf der Strecke bisher nicht das gewünschte Ergebnis erzielen. Im Rennen fielen beide Autos mit technischen Problemen aus. Ein Hoffnungsschimmer war Jarno Trullis siebter Platz im Qualifying.

Kurzprognose:
Das Team muss den vierten Platz gegen das Sauber-Team verteidigen, was eigentlich im Bereich des Möglichen liegen sollte. Ein Platz auf dem Podium, wie man sich das im Team erhofft, ist im Moment wohl ein wenig unrealistisch.

Sauber ? 10 WM-Punkte ? Platz 5
Mit dem Rennen in Silverstone kann das Sauber-Team zufrieden sein. Felipe Massa verpasste zwar als Neunter einen Platz in den Punkten, dafür sorgte er aber mit seinen zahlreichen Drehern für wertvolle TV-Minuten. Teamkollege Nick Heidfeld gelang als Sechster eine weitere Platzierung in den WM-Punkten.

Abgesehen von dem Dreher waren beide Sauber-Fahrer im Rennen ähnlich stark. Nick Heidfeld drehte mit 1,913 Sekunden Rückstand die fünftschnellste Runde. Massa war als Sechstschnellster nur 0,062 Sekunden langsamer. Auch das Schweizer Team profitierte davon, dass man unter den Bedingungen auf den exzellenten Intermediate-Reifen zurückgreifen konnte.

Kurzprognose:
Das Sauber-Team hat weiterhin das erklärte Ziel, den vierten Platz der Konstrukteure zu verteidigen. Dass dies nicht unrealistisch ist, zeigt die Leistung der Autos, aber Renault spielt auf einem ähnlichen Level. Es wird in diesem Zweikampf sicherlich auch eine gehörige Portion Glück über den Ausgang mitentscheiden.

Jordan-Honda ? 6 WM-Punkte ? Platz 6
Eigentlich hatten viele Experten damit gerechnet, dass Giancarlo Fisichella unter den Bedingungen, wie sie in Silverstone herrschten, in die Punkte würde fahren können, doch als Siebter kam der Italiener knapp außerhalb der Punkte ins Ziel. Mit 2,021 Sekunden Rückstand drehte "Fisico" die achtschnellste Runde. Teamkollege Takuma Sato schied mit einem Motorschaden aus, drehte zuvor mit 2,721 Sekunden Rückstand eine schnellste Runde, die zum 13. Platz reichte.

Kurzprognose:
Das Jordan-Honda-Team besitzt in dieser Saison noch die Möglichkeit, das eine oder andere Mal in die WM-Punkte zu fahren. In Silverstone war Erzrivale BAR stärker, aber das kann sich unter normalen Bedingungen wieder ändern.

BAR-Honda ? 5 WM-Punkte ? Platz 7
Nach einer langen Durststrecke gelang es dem BAR-Honda-Team mit Jacques Villeneuve und Olivier Panis gleich fünf WM-Punkte auf einen Schlag einzufahren. Das Auto schien in Silverstone deutlich besser zu funktionieren als auf allen Rennstrecken in dieser Saison zuvor, aber natürlich wäre dieses Ergebnis ohne den Regen nicht möglich gewesen. Dennoch fuhren beide Fahrer fehlerfrei, das Team arbeitete perfekt und somit sind die Punkte absolut verdient.

Jacques Villeneuve ist nicht unbedingt als exzellenter Regenfahrer bekannt, aber dennoch wartete er im Rennen mit exzellenten Rundenzeiten auf. Mit 1,866 Sekunden Rückstand drehte der Kanadier zudem die viertschnellste Runde des Rennens. Teamkollege Olivier Panis war auf Platz sieben liegend um rund eine halbe Sekunde langsamer.

Kurzprognose:
BAR-Honda ist mit dem modifizierten Auto Hauptrivale Jordan-Honda etwas näher gekommen. Die zwei Teams dürften sich ein spannendes Duell um den sechsten WM-Rang liefern. Auch hier wird es wohl auf eine Menge Glück ankommen, welches Teams ich dann diesen Platz sichern darf.

Jaguar ? 3 WM-Punkte ? Platz 8
Auch der rundumerneuerte Jaguar R3 ist nicht konkurrenzfähig. Das Auto lässt sich ein wenig leichter fahren, es ist aber nicht viel schneller. Eddie Irvine drehte sich nach einem Fahrfehler von der Strecke, Teamkollege Pedro de la Rosa sah als Elfter und damit Letzter die Zielflagge. Dem Team hat es nicht geholfen, dass man noch zu wenig Erfahrung mit dem neuen Aerodynamikpaket hat und dass man auf Michelin-Reifen unterwegs war.

Kurzprognose:
Es ist alles beim Alten bei Jaguar. WM-Punkte sind für das Team um Teamchef Niki Lauda in weite Ferne gerückt. Nur weil Minardi eine ganze Ecke schwächer ist, muss man sich wohl keine Sorgen machen, am Ende der Saison die rote Laterne zu bilden.

Minardi-Asiatech ? 2 WM-Punkte ? Platz 9
Das Minardi-Team erlebte in Silverstone ein enttäuschendes Rennwochenende. Erst konnte sich Alex Yoong nicht qualifizieren, dann schied Mark Webber schon in der neunten Runde mit einem Kupplungsschaden aus. Ein Wochenende also zum Vergessen für die Truppe von Paul Stoddart.

Kurzprognose:
Mitfahren und auf ein großes Wunder hoffen, das ist das Motto im Minardi-Team. Das Pech dürfte das Team eher treffen als das Glück. Wenn Toyota und Arrows noch punkten, dann wird man in arge finanzielle Bedrängnis kommen, da man dann als Letzter den Transportkostenzuschuss verlieren würde. Negativ: Seit Brasilien ist das Auto wegen Geldmangel nicht weiterentwickelt worden.

Toyota ? 2 WM-Punkte ? Platz 10
Der Regen ist für Toyota im Moment eine der größten Sorgen, da man hier noch nicht auf gute Zeiten kommt. Für beide Fahrer war das Rennen jedoch sowieso schon vorzeitig beendet. Allan McNish blieb ausgerechnet bei seinem Heimrennen schon am Start mit einem Kupplungsschaden liegen, Salo musste mit Getriebeproblemen aufgeben.

Kurzprognose:
Nun ist Honda an Toyota vorbeigezogen, die Konsequenz ist ein intensiviertes Testprogramm, das man ins Leben gerufen hat. Für Toyota wäre es eine Niederlage, am Ende der Saison Letzter zu sein, auch wenn man Formel-1-Neuling ist. Das Risiko ist aber relativ hoch, denn im Moment müsste Arrows nur einen einzigen WM-Punkt holen.

Arrows ? 2 WM-Punkte ? Platz 11
Am Freitag konnte das Team wegen nicht bezahlter Motoren gar nicht fahren, am Freitag arbeitete sich Frentzen bis auf den siebten Platz nach vorne und wollte gerade Ralf Schumacher überholen, da versagte ausgerechnet der Motor seinen Dienst. Drei WM-Punkte wären für den Mönchengladbacher locker drin gewesen. Bitter, denn diese hätten wohl ausgereicht, um die nächste Leasinggebühr für den Cosworth-Motor einzubringen. Teamkollege Enrique Bernoldi schied ebenfalls aus, hier war die Antriebswelle Schuld.

Kurzprognose:
Vorausgesetzt, das Arrows-Team kann die Saison zu Ende fahren, ist für das Team von Tom Walkinshaw viel möglich oder unmöglich. Man könnte das Schlusslicht bilden, was erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge hätte. Mit etwas Glück gelänge aber auch ein großer Sprung nach vorne, denn die Luft zwischen dem Sechstplazierten und dem elften Platz ist sehr dünn.