Red Bull: Wird Vettel jetzt zum "Reifenflüsterer"?

Eine Analyse: Warum der rechte Vorderreifen in Südkorea Sebastian Vettels einziger Gegner war, der Red-Bull-Pilot aber auch diesen mühelos in Schach halten konnte

(Motorsport-Total.com) - Wenn Christian Horner davon spricht, wie schwierig es für Sebastian Vettel heute war, den Grand Prix von Südkorea zu gewinnen, dann klingt das ein bisschen nach Phrasendrescherei. Denn in Wahrheit hatte man nie das Gefühl, dass der amtierende und angehende Weltmeister seinen dritten Südkorea-Sieg in Folge aus der Hand geben würde. Stattdessen konnte er sich darauf konzentrieren, seinen Vorsprung zu verwalten.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel kontrollierte das heutige Rennen vom Start bis ins Ziel Zoom

Schon nach der ersten Runde hatte Vettel 2,1 Sekunden Vorsprung auf Romain Grosjean - und damit die DRS-Gefahr gebannt. Nach vier Runden waren es bereits 3,9 Sekunden, doch weiter davon zog er nie. "Wenn du einen bestimmten Abstand erreicht hast, ist es am klügsten, den Reifensatz so lange wie möglich am Leben zu halten", erklärt Red-Bull-Teamchef Horner. "Es bringt nichts, einen riesigen Vorsprung herauszufahren."

Die Zeiten, in denen ein Ron Dennis zufrieden grinsend am Kommandostand saß, während die McLaren-Superstars Senna/Prost das gesamte Feld überrundeten, sind in der Formel 1 längst vorbei. Selbst wenn jemand so überlegen ist wie Vettel zuletzt in Singapur und nun auch in Südkorea, bringt es nichts, auf und davon zu fahren. Denn wenn das Safety-Car im falschen Moment kommt, ist der Vorsprung weg - und die Verfolger haben vielleicht die frischeren Reifen drauf.

Vorsprung wird in Reifen-Lebensdauer gemessen

Also bedeutet Überlegenheit in der Formel 1 heutzutage, viel schneller fahren zu können, es aber nicht zu tun. Der Vorsprung wird nicht mehr in Sekunden gemessen, sondern in Reifen-Lebensdauer. Im heutigen Rennen stand vor allem ein Reifen unter Beobachtung: "Wir konnten sehen, dass der rechte Vorderreifen bei allen Autos kritisch war", erklärt Horner und meint damit nicht nur den spektakulären Reifenplatzer von McLaren-Pilot Sergio Perez.

"Man durchläuft eine Graining-Phase, dann scheint es besser zu werden, aber plötzlich hast du keine Lauffläche mehr drauf", fährt er fort. "Es war wichtig, den Reifen nicht zu misshandeln, und in dieser Hinsicht ist Sebastian heute ein unglaublich diszipliniertes Rennen gefahren. Er hat sichergestellt, die Grenzen des rechten Vorderreifens nicht zu überschreiten, sodass die Stint-Längen möglich waren, die wir letztendlich gebraucht haben."

Christian Horner

Christian Horner hat gut lachen: Red Bull hat derzeit auch die Reifen im Griff Zoom

Vettel legte die Supersofts im ersten Stint nach zwölf Runden zur Seite und mutete den beiden Medium-Sätzen an diesem Wochenende insgesamt 21 beziehungsweise 24 Runden zu. Besonders eingeschüchtert wirkte er nicht, als er in der 53. von 55 Runden noch eine Bestzeit von 1:41.380 Minuten fuhr - um eine halbe Sekunde schneller als alle anderen. Renningenieur Guillaume Rocquelin musste ihn daraufhin wieder einmal ermahnen: "Du hast die schnellste Runde sowieso schon!"

Vettel froh über Kommunikation mit dem Team

"Es ist prinzipiell gut, dass das Team einen über Funk warnt", sieht Vettel ein. "Die Reifen körnen sofort und stabilisieren sich dann wieder. Aber wenn sie aufhören zu körnen, dann ist nichts mehr übrig, und das ist ziemlich gefährlich, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass man die Reifen mächtig blockiert. Man bekommt einen Bremsplatten, der darauf hinausläuft, dass man seinen Stint frühzeitig beenden muss oder sich einen Reifenschaden einhandelt."

Allerdings habe er die Situation "mehr oder weniger gut unter Kontrolle" gehabt, und selbst Horner ist sich sicher: "Seb weiß, was er tut." Natürlich halfen die zwei Safety-Car-Phasen über insgesamt neun Runden, in denen die Reifen praktisch nicht belastet wurden - und dass die Kombination Vettel/RB9 momentan so überlegen ist, dass der Deutsche gar nicht ans Limit gehen muss, wirkt sich ebenfalls positiv auf die Lebensdauer der Reifen aus.


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Südkorea, Sonntag


Zweistoppstrategie wäre am Limit gewesen

Horner ist davon überzeugt, dass Vettel auch ohne Safety-Car-Phasen eine Zweistoppstrategie geschafft hätte, "aber das wäre dann wirklich am Limit gewesen. Die Reifen von Sebastians Auto, die im Vergleich zu anderen Autos ziemlich lange erste zwei Stints hinter sich hatten, waren ziemlich am Ende ihres Verschleißlebens. Theoretisch hätte er es gerade so bis zum Ende schaffen müssen, aber es wäre auf jeden Fall eng geworden."

Dass das Reifenthema heute so bestimmend war, kam für ihn überraschend: "Wir wussten, dass das zum Problem werden könnte, aber es war ein bisschen schlimmer als nach dem Freitag erwartet", gesteht der Brite. "Es gibt hier halt ein paar Kurven, in denen der rechte Vorderreifen ordentlich rangenommen wird. Lewis hat seinen rechten Vorderreifen einmal etwas überbeansprucht, und schon brachen die Rundenzeiten ein."

"Es gibt hier halt ein paar Kurven, in denen der rechte Vorderreifen ordentlich rangenommen wird." Christian Horner

Bereits gestern hatte Fernando Alonso scharfe Kritik an Pirelli geübt. "Es ist das gleiche Thema wie vor zwölf Monaten", findet Horner. "Hier waren die Reifen zu sehr am Limit, aber vor zwei Wochen hat es gepasst. Es ist eine Herausforderung, die Kriterien der einzelnen Strecken zu erfüllen, aber ich finde, die Reifen waren dieses Wochenende zu sehr am Limit - auch wenn sie unbestritten für ein spannendes Rennen gesorgt haben."

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