• 10.06.2012 17:08

  • von Dieter Rencken & Stefan Ziegler

Red Bull und der Unterboden: "Keine schlaflosen Nächte"

Sebastian Vettel und das Red-Bull-Team verstehen nicht, warum sich alle Welt derart auf den Unterboden des Red Bull RB8 einschießt

(Motorsport-Total.com) - Zwei kleine Löcher im Unterboden des Red Bull RB8 hielten die Formel 1 in den vergangenen Tagen und Wochen ziemlich in Atem. Lange Zeit war nämlich nicht ganz klar, ob die Vorrichtung am Auto von Sebastian Vettel und Mark Webber legal ist oder nicht. Selbst der Automobil-Weltverband (FIA) fuhr in dieser Sache einen Schlingerkurs. Nun steht aber endlich fest: Die Löcher sind nicht regelkonform.

Titel-Bild zur News: Mark Webber

Auch ohne Löcher im Unterboden fährt der Red Bull RB8 in der Formel 1 vorn mit

Erledigt ist das Thema damit jedoch nicht, denn Vettel und Co. werden weiterhin mit Fragen nach den aerodynamischen Hilfsmitteln "gelöchert". Und das, obwohl sie es allmählich leid sind, ständig gleiche Antworten von sich zu geben, weil aus ihrer Sicht bereits einen Schlussstrich unter die Unterboden-Geschichte gezogen wurde. Weltmeister Vettel zeigt sich in Kanada deshalb auch etwas genervt.

"Es ist ja nicht so, dass ein Loch im Unterboden den gesamten Unterschied machen würde. Wenn man die Zeitungen liest, bekommt man aber einen solchen Eindruck", meint der Red-Bull-Fahrer und merkt an: "Es ist ein bisschen schade, dass es erst in die eine Richtung, dann in die andere Richtung ging. Erst wurde es als illegal eingestuft, dann war es legal, dann plötzlich doch wieder illegal."

Vettel nimmt die Situation aber mit Humor: "Vielleicht sind wir ja dann nächste Woche wieder legal unterwegs. Wir haben die Teile noch in der Garage", sagt der Formel-1-Routinier, um ernsthaft hinzuzufügen: "Wir hatten niemals einen großen Einfluss auf die Leistung unseres gesamten Pakets befürchtet. Ich denke, das Auto als Ganzes arbeitet prima. Es ist eben eine Kombination aller Teile."

Alles, was schnell ist, ist verdächtig ...

Und diese auf den Namen RB8 getaufte Kreation lief im Zeittraining von Kanada wie ein Schweizer Uhrwerk und bescherte Vettel die Pole-Position. Daher konnte sich Vettel einen kleinen Seitenhieb auf die Kritiker nicht verkneifen: "Ich hatte auch ohne die Unterboden-Löcher viel Spaß im Qualifying", meint der junge Deutsche mit einem Grinsen im Gesicht. Ist das Thema damit endgültig erledigt?

Für Red-Bull-Teamchef Christian Horner ist es das allemal, auch wenn er Verständnis für die Reaktion innerhalb und außerhalb des Fahrerlagers hat. "Ich denke, all dies ist ein Teil des Spiels und des Sports. Jeder darf seine eigene Meinung haben. Wir haben deshalb aber sicherlich keine schlaflosen Nächte", stellt der ehemalige Rennfahrer gegenüber 'Autosport' klar. Ungewöhnlich sei es eh nicht.

"Jeder darf seine eigene Meinung haben." Christian Horner

"Technische Klarstellungen gibt es hier und dort in der Boxengassn", erklärt Horner und merkt an: "Über die meisten davon spricht man nur nicht so sehr wie in unserem Fall. Caterham muss vielleicht ebenfalls mal etwas am Auto verändern. Aus irgendeinem Grund ziehen sie dann aber nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich wie Red Bull." Heißt im Klartext: Wer vorn fährt, fährt unter Beobachtung.

Konkurrenz-Beobachtung im großen Stil

Diesen Standpunkt vertritt auch Mercedes-Teamchef Ross Brawn. Der Brite pflichtet seinem Landsmann Horner bei: "Seit der Erfindung der Digitalkamera wissen wir alle ziemlich gut darüber Bescheid, wie die anderen Autos aussehen. Es gehört zur Formel 1 dazu, sicherzustellen, dass man keine interessante Innovation verpasst, zum Beispiel wegen einer Regelinterpretation", sagt Brawn.

"Und wenn man einer Regelinterpretation nicht zustimmt, kann man versuchen, eine Klarstellung zu erwirken und es zu verstehen." Ein völlig normaler Vorgang im Rennsport, wie auch McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh bestätigt: "Man versucht immer, zu verstehen, wie die Regeln zu interpretieren sind. Da geht schließlich jedes Team ans Limit", erläutert Whitmarsh in Kanada.

"Man versucht immer, zu verstehen, wie die Regeln zu interpretieren sind." Martin Whitmarsh

"Hin und wieder verändert die FIA ihre Sicht der Dinge und verändert in der Folge die Richtlinien. Ich denke aber nicht, dass das ein großes Thema dieses Jahres wird. Wir müssen uns ohnehin in erster Linie auf unser Auto konzentrieren und nicht auf die Fahrzeuge anderer Teams", meint Whitmarsh. Und gerade deshalb, ergänzt Horner, sei es wichtig, jeden noch so kleinen Vorteil zu suchen.


Fotos: Großer Preis von Kanada


Kleinigkeiten machen den Unterschied aus

"In der Formel 1 geht es darum, innovativ zu sein und die Grenzen immer weiter zu verschieben", meint der Red-Bull-Teamchef bei 'Autosport' und merkt an: "Genau das werden wir auch weiterhin tun. Es liegt in der Natur der Formel-1-Teams, dass sie möglichst viel aus den Regeln herausholen wollen. Und diese Regeln sind nun einmal so verfasst, dass eine gewisse Interpretation notwendig ist."

"Die Details spielen in diesem Jahr eine große Rolle. Du musst aus jeder Kleinigkeit etwas Leistung ziehen. Es geht so eng zu, dass es schlussendlich auf eben diese Details ankommen könnte", erklärt Horner. Da ist neuer Ärger vorprogrammiert, wie Brawn hinzufügt. "Das liegt in der Natur der Formel 1. Da hat es schon immer große Meinungsverschiedenheiten gegeben. Das war schon immer so."

"Das war schon immer so ..." Ross Brawn

Und früher oder später sieht sich der Automobil-Weltverband - wie im Fall von Red Bull - gezwungen, in den laufenden Wettbewerb einzugreifen. Brawn kennt dieses Vorgehen aus eigener Erfahrung: "Fast alle Innovationen - mir fällt etwa der Doppeldiffusor ein - wurden bei der FIA beanstandet", meint der Mercedes-Teamchef. Die Löcher im Unterboden von Red Bull sind da nur ein weiteres Beispiel.

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