• 23.08.2006 15:39

  • von Fabian Hust

Rechtsstreit: Brunner will keinen Vergleich mit Toyota

Nachdem Ex-Chefdesigner Gustav Brunner einen Vergleich mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Toyota abgelehnt hat, geht der Rechtsstreit weiter

(Motorsport-Total.com) - Der am 15. Dezember 2005 plötzlich von Toyota entlassene Chefdesigner Gustav Brunner hat einen Vergleich mit seinem ehemaligen Arbeitgeber abgelehnt. Der Österreicher war damals eigenen Angaben zufolge ohne Vorwarnung gefeuert worden, wurde zum Personalchef zitiert und hatte zehn Minuten Zeit, seinen Arbeitsplatz zu räumen.

Titel-Bild zur News: Gustav Brunner

Brunner kann über die Vergleichsvorschlag zwei Wochen nachdenken

Der 55-Jährige war sich damals überhaupt nicht im Klaren, warum man ihn entlassen hatte. Das Team begründete die Entlassung mit der Tatsache, dass es seinen Posten im Team nicht mehr gebe. Zuvor hatte man Mike Gascoyne als neuen Technischen Direktor angeheuert - beide sollen sich nicht grün gewesen sein. Mittlerweile hat man sich auch von Gascoyne getrennt. Brunner soll zudem nicht mehr auf dem Laufenden gewesen sein, meinte Toyota-Anwalt Arno Saathoff bei der Verhandlung.#w1#

Brunner verteidigte sich vor Gericht. Es sei nicht seine Aufgabe, selbst Entwicklungsarbeit zu betreiben. Vielmehr habe er sich sehr wohl mit der neuesten Technik ausgekannt und seine Aufgabe sei es gewesen, primär seine Mitarbeiter anzuleiten: "Ich bin für meinen Scharfsinn und meine Kreativität bekannt und deshalb geholt worden", wird Brunner von der 'dpa' zitiert.

Brunner erhielt bei Toyota ein monatliches Gehalt in Höhe von 31.500 Euro. Hinzu kam eine vierteljährlich überwiesene Treueprämie in Höhe von 2,6 Millionen Euro pro Saison. Diese Prämie hatten die Japaner vom vierten Quartal 2005 an nicht mehr bezahlt, weil man sich auf eine Vertragsklausel berief, wonach diese nur bei einem bestehenden Vertragsverhältnis zu zahlen sei. Sein Monatsgehalt erhielt der ehemalige Chefdesigner hingegen bis zur Wirksamkeit einer Kündigung Ende Juni. Davor war Brunner beurlaubt.

Nun müssen sich die Anwälte und die Gerichte weiter mit dem Fall beschäftigen, weil Brunner einen Vergleichsvorschlag des Richters Hartmut Münster am Mittwoch vom Arbeitsgericht Köln abgelehnt hat. Allerdings kann sich Brunner noch zwei Wochen Zeit zum Umdenken geben, ob er sich mit den vorgeschlagenen 1,34 Millionen Euro Abfindung nicht doch zufrieden geben möchte. Sollte Brunner auf seine Meinung beharren, trifft das Gericht am 13. September eine endgültige Entscheidung.

Für Brunner ist es derzeit nicht der einzige anhängige Rechtsstreit. In der "Spionage-Affäre" um zwei ehemalige Ferrari-Mitarbeiter, die zu Toyota nicht nur die eigene Arbeitskraft sondern auch Wissen, Dokumente, Informationen und Software mitgenommen haben sollen, wurde Brunner im Januar neben zwei leitenden Ex-Mitarbeitern von der Kölner Staatsanwaltschaft angeklagt und ihnen ein Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorgeworfen.

Ein ehemaliger Ingenieur des Ferrari-Rennstalls hatte gestanden, Software gestohlen und bei seinem Wechsel zu Toyota Anfang 2002 dem Kölner Team zur Verfügung gestellt zu haben. Ins Rollen gekommen war das Verfahren im April 2003 durch eine Anzeige von Ferrari-Rennleiter Jean Todt.

Mit seinem Wechsel mitten in der Saison 2001 von Minardi zu Toyota hatte Gustav Brunner viele kritische Töne einstecken müssen, hatte er doch all die Jahre dem finanziell stark benachteiligten Minardi-Team mit der Konstruktion solider Autos durch schwere Zeiten geholfen, dann aber die Italiener vor Ablauf der Formel-1-Saison verlassen, als bei Toyota nicht nur das große Geld, sondern auch eine große Chance lockte.

Seit Februar 1998 hatte Gustav Brunner als Technischer Direktor bei Minardi gearbeitet, dem kleinsten Team in der Formel 1. Dort leistete der Österreicher angesichts des geringen Budgets hervorragende Arbeit. Bei jedem Rennen liefen zahlreiche Konstrukteure und Designer zur Minardi-Box, um zu sehen, welche Neuigkeit dem Grazer wieder eingefallen ist.

In der Saison 2001 schickte er den PS01 ins Rennen, ein Auto, das kaum im Windkanal stand und vor dem Saisonstart nur 90 Testkilometer abgespult hatte. Trotz eines wesentlich geringeren Budgets und eines Motors Baujahr 1998 konnte der Bolide im Rennen zu Saisonbeginn oftmals beide Benetton-Renault hinter sich lassen.

Der zweifache Familienvater gilt dabei nicht als auf ein Gebiet hochtalentierter Designer wie zum Beispiel Adrian Newey. Vielmehr ist er ein unglaubliches Allroundtalent, das sich sowohl mit der Aerodynamik als auch mit der Mechanik der Autos bestens auskennt.

1978 begann er seine Karriere bei ATS, bevor er zwei Jahre später von Arrows verpflichtet wurde. Als das Team 1981 seinen Hauptsponsor verlor, kehrte Brunner zu ATS zurück. 1984 wechselte Brunner zu Alfa Romeo, wo er als Renningenieur von Ricardo Patrese arbeitete.

Nach einer kurzen Zeit bei March wurde er Ende 1985 von Ferrari engagiert, um ein IndyCar zu bauen. Allerdings schmissen die Italiener das US-Projekt und Brunner wurde von der Formel-1-Abteilung übernommen, wo er den 87er Ferrari baute.

Nach seiner Zeit bei Ferrari arbeitete Brunner noch bei Rial (1988), Zakspeed (1989) und Leyton House (1989-91). Im September 1992 wurde er Technischer Direktor bei Minardi, bevor er dem Team ein Jahr später den Rücken zuwandte und wieder zu Ferrari ging. Dort blieb er bis 1997 in der technischen Mannschaft. Seit Februar 1998 arbeitete Brunner wieder bei Minardi, im Mai 2001 wechselte er zu Toyota.

Es ist anzunehmen, dass der charismatische Österreicher nicht lang ohne einen Job bleiben wird. Männer vom Schlage eines Gustav Brunners, vor allem mit der Erfahrung von mehr als einem Viertel Jahrhundert in der Formel 1, gibt es nicht wie Sand am Meer.