'Projekt Spielberg' abgewiesen - Österreich im Aufruhr

Ein Land im Ausnahmezustand: Der Entzug der Genehmigung für den Umbau des alten A1-Rings durch 'Red Bull' schlägt hohe Wellen

(Motorsport-Total.com) - Eine Investition von 700 Millionen Euro in eine wirtschaftsschwache Region hätte das von 'Red Bull', 'Volkswagen', dem 'EADS'-Konsortium sowie Land Steiermark und Bund forcierte 'Projekt Spielberg' auf dem Gelände des alten A1-Rings bedeutet, doch auf Basis eines Bescheids des Umweltsenats wurde den Plänen am vergangenen Freitag die Grundsatzgenehmigung entzogen.

Titel-Bild zur News: Spielberger Ortstafel

Die beschauliche Gemeinde Spielberg kämpft um ein 700-Millionen-Projekt

Erwartungsgemäß ist das landesweite Medienecho gewaltig - mit dem Tenor: Warum stoppen ein paar Bürokraten - gemeint sind zwei Bürgerinitiativen und andere Anrainer, die gegen die ökologischen Belastungen Berufung eingelegt und sich damit durchgesetzt haben - ein österreichisches Unternehmen, welches in Österreich 700 Millionen Euro in die angeschlagene Wirtschaft pumpen und damit 10.000 temporäre und 2.000 dauerhafte Arbeitsplätze schaffen würde?#w1#

Mehrheit der Bevölkerung ist klar für das Projekt

Die Gegner des 'Projekts Spielberg' können sich in ihrer Heimat kaum mehr auf die Straße trauen, werden in Gasthäusern angestänkert und sind mit einem Schlag in der Gesellschaft isoliert. Eine große Mehrheit - auch der Bevölkerung selbst - wünscht sich das Millionenprojekt, weshalb gestern sogar rund 1.000 Menschen auf die Straße gegangen sind, um zu demonstrieren. Motto: "Wir brauchen 'Red Bull', aber nicht Wien."

Dass ausgerechnet der Bundesregierung die Schuld an dem zweifellos bedauerlichen Projektstopp in die Schuhe geschoben wird, ist jedoch insofern schwer nachzuvollziehen, als die konservative ÖVP-FPÖ-Koalition die Pläne zwar nie mit voller Kraft unterstützt, jedoch auch nicht blockiert hat. Entzogen wurde die Grundsatzgenehmigung durch den unabhängigen Umweltsenat mit Sitz in Wien, der aus verschiedenen Mitarbeitern der Ministerien und Ökologen besteht.

Wie sehr die Stimmung in der Region um Spielberg am Kochen ist, brachte ein ansässiger Gastwirt der 'Kleinen Zeitung' gegenüber auf den Punkt: "Das Ganze wird verdammt emotional", erklärte er mit betroffener Miene. "Von den Gegnern darf sich jetzt keiner mehr in der Öffentlichkeit blicken lassen. Erst vor kurzem hat einer, der Berufung eingelegt hat, ein Lokal in drei Minuten wieder verlassen, weil er so angestänkert wurde."

Lauda versteht Mateschitz: "Würde darauf pfeifen"

Projektvater Dietrich Mateschitz reagierte in einer Stellungnahme gekränkt, auch wenn er behauptete, er nehme den Bescheid "wertfrei" zur Kenntnis. Österreichs Formel-1-Ikone Niki Lauda versteht den Groll seines Bekannten: "Er war bereit, sehr viel Geld zu investieren, wollte ein Hotel bauen, eine Akademie einrichten und in weiterer Folge auch den Grand Prix wieder aufleben lassen. Das wäre für die Gegend und für den Motorsport gut gewesen. Wäre ich der Didi, würde ich darauf pfeifen."

'Red Bull' ist der Auffassung, dass man dem Land Steiermark mit dem 'Projekt Spielberg' einen Gefallen getan hätte, schließlich ist das Land selbst an Mateschitz herangetreten und hat darum gebeten, dass aus dem alten A1-Ring etwas gemacht wird. Der 60-jährige 'Red-Bull'-Erfinder nahm nach reichlicher Überlegung das Angebot an, trommelte starke Partner zusammen und schuf Pläne für den weltweit modernsten und aufregendsten Motorsport-Themenpark.

Geplant war ein gigantischer Motorsport-Themenpark

Neben sechs Streckenvarianten wären für das Gelände ein 25 Kilometer langer Offroad-Kurs durch den Wald und zwei Kartbahnen vorgesehen gewesen, ebenso wie eine Flug- und Rennfahrerschule, Hotel- und Gastronomiebetriebe, ein Helikopterlandeplatz sowie vier verschiedene Bereiche für Open-Air-Konzerte in der Größenordnung zwischen 5.000 und 100.000 Besuchern. Nach derzeitigem Stand der Dinge wird es dazu aber nicht kommen.

Die erste offizielle Stellungnahme von 'Red Bull' liest sich folgendermaßen: "Nach der uns mittlerweile vorliegenden rechtlichen Beurteilung ist der Bescheid der zweiten Instanz rechtsgültig, endgültig und nicht mehr aufhebbar. Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig. Eine Neueinreichung darf mit dem ursprünglichen Projekt in keinerlei Zusammenhang stehen, da dies sonst keiner Neueinreichung entsprechen würde."

"Ein Projekt in ähnlicher Form ist also nicht mehr neu einreichbar, da es inhaltlich bereits abgewiesen worden ist. Eine Neueinreichung würde bedeuten, ein neues Konzept mit neuen Inhalten und unter völlig neuen Voraussetzungen vorzulegen, wozu wir uns außer Stande sehen. Jede weitere Spekulation über eine mögliche Fortführung des 'Projekt Spielberg' erachten wir daher als gegenstandslos", heißt es weiter.

Politische Front gegen Entscheidung des Umweltsenats

Der Umweltsenat muss sich indes von allen Seiten wüste Beschimpfungen gefallen lassen. So bezeichnete zum Beispiel die steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP) den Bescheid als "verantwortungslos", und ihr Parteifreund Gerhard Hirschmann, der 1997 in seiner damaligen Funktion als Sportlandesrat den Grand Prix zurück nach Österreich geholt hat, sprach gar davon, dass es "zum Auswandern" sei.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat umgehend eine Task-Force ins Leben gerufen, die das 'Projekt Spielberg' noch retten soll. Klasnic begrüßt diesen Schritt und schlug sich gegenüber dem 'ORF' auf die Seite von Mateschitz: "Ich kann mir die Betroffenheit von Herrn Mateschitz vorstellen und ich hoffe, dass es uns gelingt, das 'Red-Bull'-Projekt und Herrn Mateschitz bei uns in der Steiermark zu halten."

"Ich habe ihm erklären müssen, wie die Situation ist, weil das ist ja auch ganz wichtig, wenn man einen Investor hat, der als Privatperson und als Unternehmer 700 Millionen investieren möchte - und ich rede von 700 Millionen Euro -, dann ist es wohl das Wenigste, dass der Landeshauptmann mit ihm selber das Gespräch führt", ergänzte sie. Außerdem einigten sich auf ihre Initiative Politiker von ÖVP, FPÖ und SPÖ auf einen Schulterschluss gegen die Bürokraten, die das Projekt verhindern wollen.

Nur Grüne gegen politischen Schulterschluss

Gegen diesen Schulterschluss sind nur die Grünen: "Der Umweltsenat konnte diese Grundsatzgenehmigung nur zurückziehen", beteuerte etwa die stellvertretende Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Es sei "beispiellos geschlampt" worden. Gar als einen "populistischen Aufschrei gegen den Rechtsstaat" bezeichnete Ingrid Lechner-Sonnek, die Klubobfrau der steirischen Grünen, die derzeitigen Proteste gegen den Bescheid des Umweltsenats.

Tatsache ist, dass das Projekt unvollständig und schlampig eingereicht wurde - vermutlich, weil das Land Steiermark Mateschitz soweit alle bürokratischen Hürden aus dem Weg räumen wollte, damit er die Lust an der Sache nicht zu verlieren droht. Darauf sind jedoch Anrainer aufmerksam geworden, die gegen den Entscheid der Landesregierung in erster Instanz Berufung eingelegt haben - und der Umweltsenat hat in zweiter und letzter Instanz gegen das Projekt entschieden.

Selbst Karl Schweitzer, Sportstaatsekretär mit freiheitlicher Parteizugehörigkeit, gab zu, dass "Formalfehler" begangen worden sind, "es kann aber nicht sein, dass deswegen ein 700-Millionen-Euro-Projekt fallen gelassen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein endgültiges Urteil ist." Vizekanzler Hubert Gorbach (FPÖ) versteht die Entscheidung auch nicht: "Eine Investition von rund 700 Millionen Euro hätte wirtschaftlich belebend gewirkt wie eine Multivitaminspritze."

Bürgermeister geben die Hoffnung noch nicht auf

Kurt Leitner, Bürgermeister vom benachbarten Zeltweg, wirkte bei einem Gespräch mit dem 'ORF' "betroffen", will aber weiter für das Projekt kämpfen: "Das 'Red-Bull'-Projekt ist für die Region eine Riesenchance, vor allem für die Jugend, und ich denke, dass es sicherlich noch nicht der letzte Schritt war." Und auch Amtskollege Kurt Binderbauer aus Spielberg stellte klar: "Wir geben die Hoffnung noch nicht auf."

Merkwürdig mutet an der Spielberg-Affäre allerdings an, dass der Umweltsenat die Umweltverträglichkeitsprüfung als nicht ausreichend ansieht und bei dem Projekt ökologische Bedenken hat, während der steirische Umweltanwalt, der ursprünglich auch Berufung eingelegt hatte, diese aber rechtzeitig zurückzog, inzwischen mit den 'Red-Bull'-Plänen einverstanden ist. Gerüchten zufolge sei er vom Land Steiermark unter Druck gesetzt worden, um seine Meinung zu ändern.

"Aus meiner Sicht als Umweltanwalt kann ich nur sagen, jene Punkte, die der Senat kritisiert, sind im Wege von Verhandlungen zwischen 'Red Bull' und mir eigentlich geklärt. Ich kann als Umweltanwalt mit dem Projekt, wie es mir vorlag, mit den Zusagen, die auch rechtlich abgesichert sind, leben. Das war auch der Grund dafür, dass ich meine Berufung zurückgezogen habe", so Umweltanwalt Alois Oswald. Und: "Ich bin ganz gesetzeskonform vorgegangen."

Draken und Eurofighter ja, Formel-1-Autos nein?

Schwer verständlich ist die Entscheidung des Umweltsenats freilich unter dem Gesichtspunkt, dass das 'Projekt Spielberg' wegen ökologischer Bedenken verhindert wurde, gleichzeitig aber der nur wenige Kilometer entfernt gelegene Militärflughafen Zeltweg mit seiner erheblichen Schadstoff- und vor allem Lärmbelastung für die Region zumutbar sein soll. Draken und Eurofighter ja, aber Formel-1-Boliden nein?

"Ich möchte schon dem Herrn Bundeskanzler und der Bundesregierung sagen", wetterte Tourismuslandesrat Hermann Schützenhofer gegen seine eigene Regierung, "die Eurofighter und die Draken sollen wir schlucken, das ist nicht umweltgefährdend, aber ein ganzjähriges Veranstaltungszentrum, in dem man auch ein paar Rennen macht, soll es nicht geben. Das ist ein Widerspruch in sich, die Geduld der Steiermark ist langsam zu Ende."

Wahrscheinlich ist, dass durch die politische Geschlossenheit über alle Parteigrenzen hinweg doch noch die notwendigen Genehmigungen für das Projekt in seiner ursprünglich geplanten Form zusammengetragen werden können, wobei man über den einen oder anderen Kompromiss nicht hinwegkommen dürfte. Allerdings gilt es nun auch, Mateschitz dazu zu bewegen, doch an Bord zu bleiben. Ob dies gelingt, werden die nächsten Wochen zeigen.