Privatjet & geheimes Dinner: Wie Adrian Newey 2005 zu Red Bull kam

Mercedes & Co. sollen an Adrian Newey dran gewesen sein, er bleibt aber bei Red Bull, wo 2005 mit einer bisher nur teilweise erzählten Story alles angefangen hat

(Motorsport-Total.com) - Adrian Newey gilt als einer der begabtesten Motorsportdesigner der Welt, und er wird auf absehbare Zeit weiterhin für Red Bull Formel-1-Autos bauen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der Vertrag mit dem Briten für mehrere Jahre verlängert wurde. Und das, obwohl er auch von anderen Teams umworben wurde.

Titel-Bild zur News: Dietrich Mateschitz, Helmut Marko, Adrian Newey

Dietrich Mateschitz, Helmut Marko und Adrian Newey beim Wintertest in Barcelona 2006 Zoom

Bereits vor einigen Jahren hatte Ferrari versucht, Newey und Teamchef Christian Horner gleich im Doppelpack abzuwerben. Jetzt soll Mercedes mit einer Anfrage bei Newey abgeblitzt sein. Nachvollziehbar, denn die Budgets der Formel-1-Teams sind einerseits durch den Kostendeckel begrenzt, andererseits sind die Gehälter der Fahrer und der drei bestbezahlten Mitarbeiter aber frei.

Heißt im Klartext: Die Teams haben einerseits keine großen finanziellen Nöte mehr, wie das in der Vergangenheit oft der Fall war, sondern erwirtschaften teilweise sogar recht substanzielle Überschüsse - die sie aber nicht direkt in die Technik investieren dürfen. Sehr wohl aber in die Gehälter von bis zu drei theoretisch hochbezahlten Mitarbeitern.

Dass Teams wie Mercedes oder auch Ferrari angesichts ihres sportlichen Rückstands auf der Rennstrecke auf die Idee kommen, Newey mit finanziell attraktiven Angeboten zu locken, ist nicht verwunderlich. Zumal Newey selbst sagt, Geld sei zwar "nicht meine Hauptmotivation", aber "es ist ein Ausdruck der Wertschätzung, die man genießt, und die ist mir wichtig".

Das war schon so, als Newey 2005 von Red Bull angeworben wurde. Newey stand bei McLaren unter Vertrag, Red Bull hatte gerade das Jaguar-Team übernommen und der damals blutjunge Christian Horner war beauftragt, neue Strukturen aufzubauen. Einer der Fahrer war David Coulthard, der bei Williams und McLaren mit Newey gearbeitet hatte und von ihm in den höchsten Tönen schwärmte.

Red Bull & Newey: Wie alles angefangen hat

Coulthard soll seinen Chefs bei Red Bull geflüstert haben: "Wenn ihr irgendetwas erreichen wollt, schnappt euch Adrian." So erinnert sich zumindest Newey an jene Zeit im Jahr 2005, als die Idee geschmiedet wurde, ihn von McLaren zu Red Bull zu holen, und zwar in seinem Buch "Wie man ein Auto baut" (erschienen 2018 bei Pantauro; Affiliate-Link).

Horners Erinnerung an die Anfänge des Sensationstransfers weicht marginal von dieser Darstellung ab. Er sagt in einem Interview mit Sebastian Coes Podcast 'Extraordinary Tales': "Ich war immer schon ein Riesenfan von Adrian Newey. Wir sind in der gleichen Gegend aufgewachsen. Er ist ein paar Jahre älter als ich, aber ich war immer schon ein Fan seiner Autos [...]."

"Irgendwann setzte ich mich mit David hin und sagte: 'Okay, weißt du was, Adrian ist der Mann, den wir brauchen. Wir gehen wir das an?' Und David sagte: 'In Ordnung, ich arrangiere ein Essen. Seine Frau ist eine ganz wichtige Komponente dabei. Ich kümmere mich um sie, und du redest mit Adrian.' Also haben wir uns dann getroffen."

Vor diesem ersten Treffen kam es seitens Horner, so schreibt es zumindest Newey in seinem Buch, bereits zu schüchternen Annäherungsversuchen. Hier und da ein Hallo im Paddock, dann und wann ein bisschen Smalltalk. Die Chemie zwischen Newey und Horner stimmte vom ersten Tag an.

Bei Filmpremiere im Kino eingeschlafen

Dann verschaffte Horner Newey und seiner damaligen Ehefrau Marigold eine Einladung zur Premiere des neuen Star-Wars-Films in Monaco. "Wir hatten Plätze direkt neben Christian und seiner Freundin Beverley", schreibt Newey und ergänzt: "Ich muss allerdings zugeben, dass ich während der Vorstellung einschlief."

Während Horner schüchtern versuchte, Newey und seine Frau mit seinem Charme und "Geheimwaffe" David Coulthard um den Finger zu wickeln, begann man sich auch bei Red Bull in Österreich mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, Newey an Bord zu holen.

In Silverstone 2005, so schreibt es Newey in seinem Buch, "trat ein asketisch wirkender Herr in schwarzer Lederjacke vor und erklärte mir mit deutschem Akzent: 'Ich bin Dr. Helmut Marko. Ich arbeite für Red Bull. Rufen Sie mich an.' Zugegebenermaßen war ich ein wenig überrascht von seiner Direktheit. Inzwischen weiß ich, dass das einfach die österreichische Art ist."

Danach kam es zu einem in Horners Erinnerung "großartigen" Abendessen in einem Nebenzimmer des schicken Bluebird an der King's Road in London: "Ich und Adrian haben einfach geklickt. Wir verstanden uns blendend. So ist das im Leben: Du musst eine Verbindung zu den Menschen finden. So hat das angefangen. Und dann konnte ich ihn überzeugen, 2006 zu uns ins Team zu kommen."

Marigold: So wichtig war Neweys Ehefrau

Das Dinner mit Horner und Coulthard fand erst nach der ersten Kontaktaufnahme durch Marko statt, war aber mutmaßlich enorm wichtig. Vor allem wegen Neweys Frau, die auf die Karriereplanung ihres Mannes großen Einfluss hatte.

Adrian Newey, Christian Horner

Barcelona 2005: Erste Annäherungsversuche von Horner an Adrian und Marigold Newey Zoom

Newey selbst schreibt: "Marigold und ich hatten abgemacht, dass sie die Verhandlungen übernehmen und wir ein Gehalt in derselben Höhe wie bei McLaren fordern würden [...]. Ich war gar nicht dabei, als die Zahl dann genannt wurde, aber soweit ich weiß, kam sie nicht gut an. Entweder Dietrich Mateschitz oder Dr. Helmut Marko soll 'Schickt ihn wieder nach Hause' gesagt haben."

Das war bei einem Treffen am Hangar-7 in Salzburg, unter strengster Geheimhaltung. Newey stand damals noch bei McLaren unter Vertrag, und Ron Dennis sollte von den Verhandlungen keinen Wind bekommen. Ein Privatjet holte das Ehepaar Newey in Luton ab und brachte es zu Mateschitz und Marko nach Salzburg. Newey trug eine Baseballkappe, um unerkannt zu bleiben.

Wie Gerhard Berger den Newey-Deal gerettet hat

Er erinnert sich an die Gehaltsverhandlungen: "Die Österreicher mussten erstmal davon überzeugt werden, dass ich den Preis wert war. Dietrich rief dann wohl Gerhard Berger an. Der erinnert sich, Dietrich habe gefragt: 'Gerhard, wir haben Adrian Newey hier in Salzburg, aber er ist sehr teuer. Was sollen wir machen?'"

"Gerhard: 'Hängt davon ab, wie viel euch daran liegt, wirklich etwas weiterzubringen.' Ich muss Gerhard sehr dankbar dafür sein", schreibt Newey und ergänzt: "Man muss Dietrich lassen, dass er kein Knauser ist und nicht herumdruckst. Wenn Gerhard Berger sagte, ich sei den Preis wert, dann sollte ich ihn haben."

Der Rest ist Geschichte. Newey führte Red Bull mit seinen Designs an die Spitze der Formel 1, und auch wenn er zwischenzeitlich kürzergetreten ist und sich mit anderen Projekten auseinandergesetzt hat, genießt er sowohl die Freiheiten als auch das Geld, das Red Bull ihm bietet, und ist dem Unternehmen bis heute treu.

Sein Buch "Wie man ein Auto baut", erschienen in deutscher Fassung 2018 im Pantauro-Verlag, ist übrigens eine faszinierende Autobiografie auf 420 Seiten, die bis heute eines der meistverkauften Motorsportbücher auf den Beststellerlisten von Amazon ist. (ANZEIGE: Jetzt deutsche Ausgabe bestellen!)

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