• 24.10.2010 19:11

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Premiere in Südkorea ein einziges Chaos

Die Strecke wurde zwar rechtzeitig fertig, dennoch verkam der Renntag in Yeongam wegen der Wetterkapriolen zu einem regelrechten Chaos

(Motorsport-Total.com/SID) - Michael Schumacher wartete mit heruntergelassenem Rennoverall in der Box, Sebastian Vettel stand unter einem Regenschirm und diskutierte mit seinen Mechanikern. Der Dauerregen in Yeongam und der nahende Sonnenuntergang sorgten rund um die Strecke für Hektik und Abbruchforderungen.
Das erste Formel-1-Rennen in Südkorea erlebte nach all dem Chaos auch einen unvergesslichen Rennsonntag mit insgesamt 24 Safety-Car-Runden. Vor Wochen hätte das Rennen nach den Regeln abgesagt, nun beinahe abgebrochen werden müssen - nicht nur wegen des Regens, sondern auch wegen der Dunkelheit, die wenige Minuten nach dem Zieleinlauf einbrach.

Titel-Bild zur News: Kehrmaschinen in Yeongam

Mit Kehrmaschinen wurde das Wasser von der Fahrbahn verdrängt

"Das sind die schlimmsten Bedingungen, die ich je erlebt habe", funkte der zweifache Weltmeister und spätere Sieger Fernando Alonso nach den ersten Umläufen hinter dem vom Deutschen Bernd Mayländer gesteuerten Safety-Car, und der deutsche Virgin-Pilot Timo Glock befürchtete bereits eine komplette Absage: "Das ist absoluter Blindflug. Im Moment sehe ich keine Chance, das Rennen zu fahren." Auch Titelverteidiger Jenson Button erklärte: "Unter diesen Bedingungen kann man kein Rennen fahren. Das ist viel zu gefährlich."

Erinnerungen an Fuji 2007

Um 16.05 Uhr Ortszeit (9:05 MESZ) wurde der Lauf dann doch wieder gestartet, wieder hinter dem Safety-Car und unter ähnlich irregulären Bedingungen: "Es ist ein bisschen besser als zuvor, aber es ist immer noch unheimlich viel Wasser auf der Strecke", teilte Vettel über Boxenfunk mit. Erst vor Beginn der 18. Runde ging das Safety-Car von der Strecke und das Rennen begann richtig. Übrigens: 2007 in Fuji hatten die Fahrer noch zwei Runden mehr hinter dem Safety-Car verbracht.

Damals stellte im Gegensatz zu heute Aquaplaning die größte Gefahr dar: "Aquaplaning war hier nicht das Problem, es ging nur um die Sicht - die war sehr schlecht", meckert Rubens Barrichello. "Man kann darüber streiten, ob ein bisschen zu früh gestartet wurde oder nicht, aber es war einigermaßen sicher und damit okay. Zum Glück würde das Wasser weniger und dann lief alles gut. Ich finde aber, dass das Rennen fünf oder sechs Runden früher enden hätte müssen. Ich konnte nichts mehr sehen!"

Der Williams-Pilot verwendete im Gegensatz zu einigen anderen ein klares Helmvisier, findet aber trotzdem, dass ein Rennabbruch richtig gewesen wäre, denn: "Ich halte in Fiorano einen Rekord. Damals gab es diverse Restriktionen noch nicht und man durfte so lange testen, wie man wollte. Im Sommer war ich einmal bis 21:36 auf der Strecke. Das war genauso dunkel wie heute, ganz ehrlich! Es war unglaublich dunkel." Um 17:58 Uhr Ortszeit fuhr Alonso als Sieger über die Ziellinie.


Fotos: Großer Preis von Südkorea, Sonntag


Auch Vettel wäre ein Abbruch entgegengekommen: "Im Nachhinein betrachtet hätte uns das etwas gebracht", grinst der Red-Bull-Pilot, der mit Motorschaden ausschied, kurz nachdem er sich über die schlechter werdende Sicht beschwert hatte. "Ich hatte keine gravierenden Schwierigkeiten und konnte das Auto immer noch dort anhalten, wo ich wollte, aber es wurde teilweise schon sehr, sehr schwierig, in der ersten Kurve und im ersten Sektor den Bremspunkt zu sehen. Ich hatte ein leicht getöntes Visier drauf. Es wurde immer schwieriger."

Keine Kritik am Rennabbruch

Die Unterbrechung gleich zu Beginn hatten sämtliche Beteiligten begrüßt: "Es war die richtige Entscheidung", findet Vettels Teamchef Christian Horner. "Sebastian konnte nicht einmal das Safety-Car vor sich sehen." Auch Mercedes-Pilot Nico Rosberg erklärte: "Aquaplaning ist nicht das große Problem, sondern die Sicht." Rosbergs Teamkollege Schumacher berichtete, man sehe "die Hand vor Augen nicht". Mit Kehrmaschinen versuchten die Organisatoren, die Strecke von den Wassermassen zu befreien.

Auch wenn die Südkoreaner für die Wetterkapriolen nichts konnten: Der turbulente Sonntag passte zu den Geschehnissen im Vorfeld. Erst vor zwei Wochen - und nicht wie eigentlich vorgesehen 90 Tage vor dem geplanten Termin - war die Strecke abgenommen worden. Bis zum Samstag hatten hunderte Arbeiter selbst unter Mithilfe des Militärs versucht, die Strecke und vor allem das Umfeld Formel-1-tauglich zu gestalten. Dennoch wirkte auch am Renntag vieles noch unvollendet. Als Krönung waren Mechaniker und weitere Teammitglieder in schäbigen Stundenhotels untergebracht worden.

Kamui Kobayashi

Unmittelbar neben der Strecke war Schlamm das dominierende Element... Zoom

Die Strecke hatte nach den Bedenken schnell Lob von vielen Fahrern erhalten, vor allem wegen des vom Aachener Architekten Hermann Tilke entworfenen Profils. Der Asphalt hielt entgegen erster Befürchtungen, doch die Strecke war schmutzig und teilweise spiegelglatt. Das Graining beurteilte Force-India-Pilot Adrian Sutil mit Galgenhumor: "Am Freitag war es katastrophal, am Samstag dann deutlich besser, nämlich nur noch ganz schlimm."