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  • 05.08.2011 13:27

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Pollock: "Habe nur für meine Firma gekämpft"

Craig Pollock findet nicht, dass er mit der Verpflichtung von Gilles Simon etwas falsch gemacht hat - Retourkutsche von Jean Todt gegen die Motorenhersteller?

(Motorsport-Total.com) - Dass Craig Pollock für sein Motorenprojekt PURE ab 1. August 2011 ausgerechnet Gilles Simon verpflichtet hat, schmeckt den konkurrierenden Herstellern in der Formel 1 überhaupt nicht. Kein Wunder: Als FIA-Motorenchef hatte Simon Zugriff auf vertrauliche Daten von Cosworth, Ferrari, Mercedes und Renault.

Titel-Bild zur News: Craig Pollock

Craig Pollock steht zu seiner Verpflichtung von FIA-Mann Gilles Simon

Einen vergleichbaren Fall hätte es schon 1999 beinahe gegeben, als Benetton versuchte, mit Charlie Whiting den Technischen Delegierten der FIA abzuwerben. McLaren-Teamchef Ron Dennis konnte diesen umstrittenen Wechsel aber verhindern. Jetzt fordern die Entscheidungsträger im Fahrerlager zumindest, dass für hochrangiges FIA-Personal, das Zugriff auf vertrauliche Informationen der Teams hat, eine ausreichende Arbeitssperre eingeführt wird.

Pollock empfindet keine Schuld

Dagegen hat Pollock grundsätzlich nichts einzuwenden, "aber du kannst so etwas nicht erst im Nachhinein machen", zeigt er keine Bereitschaft, auf die bereits "vor Monaten" vollzogene Verpflichtung von Simon freiwillig zu verzichten. "Jeder ist in diesem Geschäft, um Geld zu verdienen. Meine Aufgabe als der neue Kerl ist es, sicherzustellen, dass meine Firma genauso konkurrenzfähig ist wie alle anderen. Ich habe nur für meine Firma gekämpft."

"Die anderen haben ihm keine Businesspläne und auch keine technischen Pläne gegeben. Da wird ein bisschen übertrieben", relativiert Pollock die Aufregung. "In den Meetings saßen alle am Tisch und bei den offen geführten Gesprächen hat jeder Hersteller erfahren, was der andere macht. Aber ich kann sie schon verstehen. Wenn ich ein Chassishersteller wäre und Adrian Newey verpflichten würde, dann wären die anderen auch nicht sehr glücklich. Es ist ein bisschen so, finde ich."

¿pbvin|512|3944||0|1pb¿Doch für Unmut hinter den Kulissen sorgt in erster Linie das Timing des Simon-Wechsels zu PURE, denn für den ehemaligen Ferrari-Ingenieur gibt es nicht die von der Konkurrenz gewünschte zweijährige Arbeitssperre, sondern der Wechsel wurde am 28. Juli bekannt gegeben und schon am 1. August trat Simon seinen Dienst an. Dabei stand schon seit Monaten fest, dass der FIA-Mann seinen Posten verlassen wird.

Pollock hat Simon erstmals "im Dezember" getroffen, "vor der Sitzung des Motorsport-Weltrats". Damals war ein Wechsel jedoch noch kein Thema. An das genaue Datum der Vertragsunterschrift kann sich Pollock eigenen Angaben nach nicht mehr erinnern, aber auf die Frage von 'Motorsport-Total.com', ob es "im Juni, Mai oder doch eher März" gewesen sei, entgegnet er: "Nein. Es war vor ein paar Monaten."

Simon hat die ganze Zeit davon gewusst

Das bedeutet, dass Simon während der beinhart geführten Verhandlungen um R4- oder V6-Turbo wusste, dass er bald zu PURE wechseln würde. Die am Verhandlungstisch sitzenden Motorenhersteller wussten dies jedoch nicht und hätten ihre technischen Informationen unter anderen Umständen womöglich besser geschützt. Pollock streitet nicht ab, dass es solche Situationen gegeben hat: "Er wusste genau, wohin er geht, genau wie auch die FIA."

"Wenn ich Teamchef wäre und ein hochrangiger Techniker mein Team verlassen würde, würde ich in der ersten Minute, in der ich davon höre, dass es dazu kommen könnte, eine Arbeitssperre verhandeln", so der ehemalige Manager von Jacques Villeneuve. "Daher war mir wichtig, dass Gilles zuerst mit Jean Todt spricht und ich dann auch, um die Karten auf den Tisch zu legen. Jean hat uns versichert, dass er keinerlei Ambitionen hat, Gilles nicht freizugeben."

"Jean hat uns versichert, dass er keinerlei Ambitionen hat, Gilles nicht freizugeben." Craig Pollock

Allerdings nur unter der Bedingung, dass bis zum Rennwochenende in Budapest Stillschweigen bewahrt wird, was wieder einmal den Verdacht eines politischen Spielchens aufkeimen lässt. Denn Todts R4-Motorenvorschlag für 2013 wurde bekanntlich von den Teams, den Motorenherstellern und Bernie Ecclestone gekippt. Ob nun beabsichtigt oder nicht, aber der Simon-Wechsel zu PURE ist eine schöne Retourkutsche dafür...