• 17.02.2024 15:23

  • von K.Hermann, Co-Autoren: C.Nimmervoll, K.Scheuren

Pirelli-Sportchef Isola: Wie relevant sind die F1-Reifen für die Serienproduktion?

Pirelli betont die Wichtigkeit des Technologietransfers von der Formel 1 hin zur Straßenreifenproduktion: Wie kann das mit verschleißenden Reifen einhergehen?

(Motorsport-Total.com) - Nicht nur in Sachen Motoren ist der Formel 1 wichtig, eine Vorreiterrolle für die Serienproduktion von Straßenautos einzunehmen, weshalb eine Rückkehr zu V8- oder V10-Motoren aktuell undenkbar ist. Denn auch für Reifenlieferant Pirelli geht es in der Königsklasse nicht nur darum, die eigene Marke zur Schau zu stellen, weil der Erkenntnisgewinn für Straßenreifen dem italienischen Reifenhersteller ebenfalls ein Anliegen ist.

Titel-Bild zur News: Pirelli-Sportchef Mario Isola im Formel-1-Paddock

Pirelli-Sportchef Mario Isola im Formel-1-Paddock Zoom

Doch das Pirelli vom Rechteinhaber der Formel 1 explizit dazu aufgefordert wird, die Reifen so zu konstruieren, damit sie relativ schnell verschleißen, um mehrere Boxenstopps pro Rennen zu ermöglichen, scheint dem Technologietransfer auf die Straße etwas zu widersprechen, oder etwa nicht?

Wir haben Pirelli-Sportchef Mario Isola darauf angesprochen: "Man sollte diesen Aspekt aus einer anderen Perspektive betrachten", sagt er in einem exklusiven Interview gegenüber Motorsport-Total.com. Denn es geht gar nicht so sehr um die Reifen an sich.

Isola: Simulationsmodelle auf Straßenreifen übertragbar

"Ich gebe ein reales Beispiel: Mit der Formel 1 konnten wir ein virtuelles Reifenmodell herstellen, das ist ein thermomechanisches Modell des Reifens, das man in einen Simulator einbauen und mit dem Auto im Simulator fahren kann. Und dieses Modell ist in der Lage, den Reifen selbst nachzubilden, und wenn man einige Parameter wie die Mischung, die Konstruktion oder die Geometrie ändert, kann man es auf ein Straßenauto übertragen."

"Das ist etwas, was man in der Formel 1 machen und entwickeln kann, denn die Formel 1 ist eine Art fahrendes Labor mit vielen Sensoren. Wenn man die Technologie hat, dann kann man einige Parameter ändern und das gleiche Modell für die Konstruktion von Straßenreifen benutzen", verrät Isola.

Das hat für Pirelli gleich mehrere Vorteile, da man nicht nur Kosten spart, weil man weniger physische Tests durchführen muss, denn auch der Produktionsprozess läuft mit den ausgefeilten Simulationen deutlich schneller und genauer ab.

"Mit den Simulationen für Straßenreifen kann man die Entwicklung um 30 Prozent beschleunigen", sagt Isola. "Man stellt weniger physische Prototypen her und geht nur zur Validierung der endgültigen Version auf die Strecke. Es steckt also eine Menge Arbeit hinter den Kulissen, die nicht sichtbar ist."

Wie gut sind Reifenmodelle in Rennspielen?

"Es handelt sich um ein virtuelles Modell des Reifens in der Formel 1, bei dem einige Produktionsprozesse geändert werden können, um bessere Reifen und eine gleichmäßigere Produktion zu erreichen. Wir waren in der Lage, Indoor-Tests zu entwickeln, die ein hohes Belastungsniveau, wie wir es auf der Strecke sehen können, besser nachbilden."

Laut Isola sind sogar die Reifenmodelle einiger Rennspiele nicht weit weg von dem Modell, was auch in der Realität verwendet wird: "Computerspiele sind nicht so weit weg", sagt er. "Aber natürlich ist das Modell, das wir haben, genauer und komplizierter - aber wir haben jetzt Videospiele, die nicht allzu weit davon entfernt sind."


Fotostrecke: Schwarzes Gold: Alle Reifenhersteller der F1

Doch nicht nur die Simulationen seien ein entscheidender Vorteil für Pirellis Straßenreifenproduktion, denn laut Isola gibt es auch "einige Materialien, Profile und Geometrien", die man übertragen könnte. "Aber es ist klar, dass die Rennstreckenmischung für die Formel 1 entwickelt wurde und wir sie nie für ein Straßenauto verwenden werden."

Wo Pirelli die Formel-1-Reifen produziert

Pirelli wird der Technologietransfer noch mindestens bis 2027 erhalten bleiben, nachdem man den Vertrag mit der Formel 1 am Ende des vergangenen Jahres um weitere drei Jahre verlängert hat. Seit diesem Jahr wird der italienische Reifenlieferant mit der Königsklasse des Motorsports zudem verstärkt an der Nachhaltigkeit arbeiten, da mit der Saison 2024 die FSC-Zertifizierung auf Formel-1-Reifen eingeführt wird.

Die Pirelli-Formel-1-Reifen werden im Übrigen in einem Werk in Rumänien hergestellt, wobei man auch noch ein Back-up-Werk in der Türkei hat, wo die GT- und Rallye-Reifen produziert werden. "Früher war es anders herum, da haben wir in der Türkei produziert und das Back-up-Werk war in Rumänien", so Isola.

"Wir haben uns dazu entschieden, den Prozess umzukehren, als wir vom schmalen Reifen auf den breiten Reifen gewechselt haben. Das war im Jahr 2017. Das haben wir gemacht, damit das Werk in der Türkei nicht überlastet wird. Eigentlich sind beide Werke aber gleich, weshalb wir aus beiden Werken heraus die Versorgung ermöglichen können."

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