• 31.01.2010 21:24

  • von Dieter Rencken

Petrov: "In Russland müssen sie jetzt aufwachen"

Der Debütant im Interview über seine rasante Karriere, die fehlende Unterstützung aus seiner Heimat und die Hoffnungen auf seine erste Saison mit Renault

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie fühlt es sich an, endlich ein Formel-1-Fahrer zu sein?"
Vitaly Petrov: "Schaut euch einfach mein Gesicht an, ich bin einfach glücklich! Es ist brillant, darauf habe ich lange gewartet. Vor drei Tagen haben wir uns dazu entschieden, mit Renault in der Formel 1 zu sein."

Titel-Bild zur News: Vitaly Petrov

Vitaly Petrov feiert mit Renault sein Formel-1-Debüt

Frage: "Wann hast du den Vertrag unterzeichnet?"
Petrov: "Heute Morgen."#w1#

Frage: "Wie empfindest du es, ein großes Land wie Russland zu repräsentieren?"
Petrov: "Heute ist natürlich eine Menge los, ich werde ständig angerufen. Ich habe aus diesem Grund einfach das Telefon abgeschaltet, denn ich muss mich hier auf das Team konzentrieren, schauen, wie die Formel 1 funktioniert."

Frage: "Glaubst du, dass ein russischer Fahrer in der Formel 1 dabei helfen könnte, einen Großen Preis von Russland zu bekommen?"
Petrov: "Das habe ich schon zuvor versucht zu unterstützen, als ich in der GP2 fuhr. Da sagte ich den Zeitungen und im TV: 'Wir sind Russland, ein großes Land, wir müssen ein Formel-1-Rennen haben'. Das muss sein. Vielleicht wachen sie jetzt auf, wo ich hier bin..."

Frage: "Viele andere Formel-1-Neulinge konnten tausende Kilometern testen, bevor die Saison losgeht. In diesem Jahr gibt es lediglich zwölf Testtage. Ist es wirklich nicht schwierig, sich an das neue Auto zu gewöhnen und rechtzeitig vorbereiten gerüstet zu sein?"
Petrov: "Ja, aber lasst uns erst einmal den zweiten oder dritten Test abwarten. Dann kann ich euch sagen, was Sache ist. Zunächst einmal muss ich verstehen, wie man ein Formel-1-Auto fährt. Ich kenne schon ein paar Tricks, ich habe mit Leuten gesprochen, mit den Ingenieuren. Ich muss zunächst einmal ein paar Runden fahren, um ein Gefühl für dieses Auto zu bekommen. Wir werden sehen, was passiert. Ich werde mein Bestes geben. Das erste Ziel wird es sein, die Rennen zu beenden und Punkte für das Team zu holen. Das ist unser Ziel."

Frage: "Gehst du davon aus, dass du morgen früh im Auto sitzen wirst?"
Petrov: "Nicht morgen früh, am Mittwoch oder am Dienstag. Das ist noch nicht entschieden."

Frage: "Welche Erfahrungen kannst du aus der GP2 mitnehmen?"
Petrov: "Ich denke alles. Es ist egal, ob man Kart, GP2 oder Formel 3 fährt - man nimmt immer etwas mit. Ich habe Pech, denn ich bin nie Kart gefahren oder in kleineren Formel-Serien. Es ist für mich also ein ziemlich großer Sprung - erst Formel 3000, dann GP2 und jetzt Formel 1. Mir liegen nicht so viele Informationen vor wie vielen anderen Fahrern, wie Kubica, Schumacher, einer Menge anderer Fahrer. Sie haben ihre Karriere vor vielen Jahren begonnen, ich erst vor acht Jahren."

Frage: "Du hast gesagt, dass du Rennen beenden und in die Punkte fahren möchtest. Ist dies das Ziel des Teams und hast du noch eigene persönliche Ziele?"
Petrov: "Das möchte zunächst einmal ich, aber auch das Team. Das Team hat sich auf diese Saison sehr gut vorbereitet. Sie haben ein gutes neues Auto auf die Beine gestellt. Für mich ist es sehr wichtig, mit ihnen das Auto kennenzulernen und ihnen zu erklären, wie es sich verhält, wo wir es verbessern können. Ich muss aber zunächst einmal ein paar Runden fahren, um zu verstehen, wie sich das Auto, die Bremsen und die Beschleunigung verhalten."

Frage: "Dein ehemaliger Teamkollege ist während der Saison in die Formel 1 gewechselt und hatte zu kämpfen. Bereitet dir das Sorgen?"
Petrov: "Nun, es wäre wohl ein Fehler, während der Saison zu wechseln. Schließlich hatten die anderen Fahrer schon ein paar Rennen gefahren, verfügen über Erfahrung. Ich habe jedoch die Möglichkeit, vorher etwas zu lernen. Mal schauen, wie es läuft."

Frage: "Welches war die erste Automarke, die du gefahren bist?"
Petrov: "Zhiguli, als ich fünf Jahre alt war. Ich fuhr alleine, ohne meinen Vater."

Frage: "Hättest du dir vor 20 Jahren vorstellen können, dass einmal ein Russe in der Formel 1 fährt?"
Petrov: "Da habe ich nicht einmal an die Formel 1 gedacht! Ich wusste nicht, wer Schumacher oder sonst wer ist. Dann begann ich, etwas darüber in Erfahrung zu bringen und interessierte mich für sie. Ich begann, professionell zu arbeiten, um eines Tages in der Formel 1 zu sein."

Frage: "Hast du mit vielen anderen Teams gesprochen?"
Petrov: "Ja, natürlich. Wir haben mit ziemlich vielen Teams gesprochen. Renault war die beste Variante."

Frage: "Wie lange läuft dein Vertrag?"
Petrov: "Eines plus zwei Jahre."

Frage: "Freust du dich, dass du mit Kubica einen erfahrenen Piloten hast, willst du von ihm lernen?"
Petrov: "Natürlich. Als ich in die GP2 kam, war mein Teamkollege Giorgio Pantano. Natürlich habe ich von ihm gelernt. Ich habe mir seine Daten angeschaut und versuchte zu verstehen, wie er fährt. Ich hoffe, dass das hier ebenso ist."

Frage: "Du hast vorhin gesagt, dass du in Russland kein Kart gefahren ist. Kann man das nicht, oder hast du dich nicht dafür interessiert?"
Petrov: "Zunächst einmal war ich schon 15 Jahre alt, es war also schon etwas zu spät. Hinzu kommt, dass das in Russland nicht verbreitet ist, in meiner Gegend gab es das überhaupt nicht. Es war für mich schwierig. Ich fuhr Tourenwagen und ging dann direkt nach Europa, um Formel-Autos zu fahren. Ich war ein wenig überrascht, habe sie jedoch gemocht."

Frage: "Fühlst du dich mental auf die Aufmerksamkeit vorbereitet, die dir von Russland zukommt?"
Petrov: "Ich habe schon etwas mit dem Formel-1-Trainingsprogramm trainiert. Ich weiß also schon, was ich erwarten muss."

Frage: "Was hast du mit dem Psychologen gemacht?"
Petrov: "Ein paar Computer-Tests, ein paar psychologische Tests. Ich war unter anderem auch in Österreich in den Bergen trainieren. Das waren verschiedene Dinge, ich wurde Stück für Stück auf die Formel 1 vorbereitet."

Frage: "Was hat dich motiviert, in den Motorsport zu kommen?"
Petrov: "Mein Vater machte mir diesen Vorschlag. Er kaufte mir ein Auto, holte einen Trainer aus der Rallye und dann ging es los. Ich lernte und dann ging es Schritt für Schritt weiter."

Frage: "War die Formel 1 immer das Ziel?"
Petrov: "Als ich die Formel 1 noch nicht kannte, war es der Rallye-Sport. Dann sagte mein Manager, dass ich Rallye in 30, 40 oder 50 Jahren fahren soll, aber noch nicht jetzt. Also sagen wir, dass wir noch etwas warten."

Frage: "Hat dir Rallye gefahren?"
Petrov: "Ja, sehr. Aber jetzt konzentriere ich mich auf die Formel 1, dann sehen wir weiter."


Fotos: Präsentation des Renault R30


Frage: "War es schwierig, in Russland Unterstützung für deine Formel-1-Karriere zu bekommen?"
Petrov: "Ja, natürlich, denn in Russland hat sie keine Bedeutung. Motorsport hat in Russland keine Bedeutung. Ich wusste nicht einmal, was ein Formel-1-Auto ist. Ich hatte keine Sponsoren, Freunde und mein Vater investierten Geld in mich."

Frage: "Willst du auf der Strecke die Antwort auf Kritiker geben, du seist hier nur wegen des Geldes und nicht wegen deines Talents?"
Petrov: "Ich muss sagen, dass ich 2008 für die Formel 1 noch nicht bereit war. Mein Vater sagte damals, dass ich bereit bin, ich sagte, dass ich es noch nicht bin. 2009 war es anders, da war ich jeden Tag in der Fabrik meines GP2-Teams. Ich begann zu lernen und zu lernen, studierte, wie die Ingenieure das Setup verändern. Wir diskutierten über viele Dinge. Als ich 2009 begann Rennen zu fahren, änderte sich wirklich viel. Ich weiß nun wirklich viel, habe in dieser Zeit eine Menge gelernt."

Frage: "Hat dein Vater einen Motorsport-Hintergrund?"
Petrov: "Nein, nicht wirklich. Er hat ein Hotel-Business."

Frage: "Unterstützt dich dein Vater noch finanziell?"
Petrov: "Ja. Er gibt mir das Geld, damit ich hier sein kann."

Frage: "Glaubst du, dass du nun als russischer Formel-1-Fahrer russische Unternehmen anziehen kannst, die bereit sind, in dich zu investieren?"
Petrov: "Sie müssen natürlich aufwachen, denn wir sind hier mit absolut keinen Sponsoren hergekommen. Wir hatten auf dem Weg in die Formel 1 keinerlei Hilfe. Lediglich mein Vater, mein Manager und Freunde meines Vaters haben geholfen. Hoffentlich wird sich jetzt etwas ändern."

Frage: "Deine Karriere hat relativ spät begonnen, aber du hast große Sprünge gemacht. Wie wird nun dieser Sprung sein?"
Petrov: "Mit jedem Sprung lernst du. Du hast einen Tag, an dem du etwas lernst, und am nächsten Tag wachst du auf und weißt mehr als am Tag zuvor. In jedem Jahr habe ich eine Menge gelernt. Die Formel 1 wird mir helfen, noch mehr zu lernen. Ich denke, das wird schon laufen."

Frage: "Wie knapp warst du vor einer Verpflichtung durch Campos, schließlich bis zu für sie gefahren?"
Petrov: "Wir haben mit Campos gesprochen, aber auch mit anderen Teams. Aber die beste Variante war Renault."

Frage: "Du bist ein ziemlich großer Kerl, die Autos sind jedoch ziemlich klein..."
Petrov: "Oh ja, sie sind wirklich klein. Die GP2-Autos sind größer. Als ich das gesehen habe, dachte ich 'Oh Shit, das wird ein Problem'. Aber ich denke, dass alles in Ordnung sein wird."

Frage: "Was erwartet das Team von dir?"
Petrov: "Als mein Management begann, mit ihnen zu sprechen, ging es zunächst nicht um das Geld. Sie wollten wirklich, dass ich in der Formel 1 fahre, denn sie haben 2009 meiner Rennen in der GP2 gesehen. Sie erwarten, dass ich zur Saisonmitte in den Punkten bin."

Frage: "Was denkst du darüber, gegen Michael Schumacher zu fahren?"
Petrov: "Ich bin wirklich glücklich, dass er zurück ist. Denn als ich begann, die Formel 1 zu verfolgen, da war es mein Traum, in einem Rennen mit ihm zu sein. Nun habe ich die Chance, und ich werde mein Bestes geben."

Frage: "Wenn du in derselben Kurve mit ihm bist, wirst du ihn dann respektieren oder gegen ihn kämpfen?"
Petrov: "Natürlich werde ich gegen ihn kämpfen! Wenn du auf der Strecke bist, dann musst du kämpfen, aber du muss vorsichtig sein, darfst nicht verrückt agieren. Wenn du gegen einen Freund im Sport antrittst, dann möchtest du ihn schlagen, das ist schließlich Sport."

Frage: "Wer waren deine Helden gewesen?"
Petrov: "Als ich begann, die Formel 1 zu verfolgen, war dies natürlich Schumacher. Er war wirklich der Schnellste. Er hat sehr oft gewonnen, er war der Beste."

Frage: "Kannst du von ihm lernen?"
Petrov: "Ich habe mir eine Menge Videos angeschaut, Renault hat mir viele gegeben. Nun werde ich mir alle Rennen anschauen, Bahrain, Australien, Malaysia. Ich brauche also noch Zeit, mich vorzubereiten."

Frage: "Hast du schon im Simulator getestet?"
Petrov: "Ich bin lediglich einen Tag lang gefahren. Aber nach Bahrain werde ich das wesentlich häufiger machen."

Frage: "Ist es für dich gut, auf einer Strecke in die Saison zu gehen, die du kennst?"
Petrov: "Ja. Auf der anderen Seite ist es auch in Melbourne nicht schlimm, man hat ja drei Stunden Tests. Das reicht aus, um den Kurs zu lernen. Es ist sowieso so, dass du ein paar andere Tricks kennst, und sich die Strecke verändert hat, wenn du das nächste Jahr oder sogar nach ein paar Jahren wieder auf sie zurückkehrst. Die Strecke ist nie dieselbe."