• 31.07.2004 09:53

'Petrobas': Neues Benzin stellt immer großes Risiko dar

Rogerio Goncalves, Technischer Koordinator von BMW-Williams-Partner 'Petrobras' über den Sprit in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was sind die Hauptunterschiede zwischen Formel-1-Treibstoff und herkömmlichem Benzin?"
Rogerio Goncalves: "Formel-1-Treibstoff ist dem handelsüblichen Benzin sehr ähnlich. Die technischen Regularien der Formel 1 verlangen, dass der Treibstoff dieselben Charakteristika aufweist wie kommerzieller Treibstoff, wie er in Europa von 2005 an Pflicht ist. Der einzige Unterschied ist der Schwefelgehalt: Für Straßenautos sind 50 Milligramm pro Kilo erlaubt, in der Formel 1 nur zehn Milligramm pro Kilo. Die größte Herausforderung für uns ist es, trotz des engen Regelwerks einen möglichst leistungsstarken Treibstoff zu entwickeln, der gleichzeitig den Verbrauch senkt und den Motor dabei unterstützt, 800 Kilometer pro Rennwochenende durchzuhalten."

Titel-Bild zur News: Toyota-Tankwart

BMW-Williams verbraucht pro Jahr rund 200.000 Liter Sprit

Frage: "Ist es möglich, einen normalen Motor mit Formel-1-Treibstoff zu betreiben?"
Goncalves: "Das ist absolut möglich. Auch das umgekehrte Experiment wäre problemlos durchführbar. Man könnte ganz normales Tankstellenbenzin in ein Formel-1-Auto füllen. Der große Unterschied wäre allerdings die Leistungsfähigkeit des Formel-1-Motors. Formel-1-Treibstoff besteht aus speziellen, schnell brennbaren Komponenten, die bis zu 19.000 Umdrehungen pro Minute ermöglichen. Für ein normales Straßenfahrzeug ist das nicht notwendig, der Motor würde also von dem speziellen Treibstoff nicht profitieren."#w1#

Frage: "Wenn es möglich ist, ein Formel-1-Auto mit ganz normalem Benzin anzutreiben, wie viel Leistung würde solch ein V10-Motor dann verlieren, um die Defizite in Zuverlässigkeit und Haltbarkeit wett zu machen?"
Goncalves: "Wir haben so etwas noch nie getestet. Ich gehe aber davon aus, dass der Motor bis zu 45 PS einbüßen könnte."

Frage: "Werden für die verschiedenen Strecken- und Witterungsbedingungen während einer Saison verschiedene Arten von Treibstoff entwickelt? Ist der Sand beim Bahrain-Grand-Prix beispielsweise in dieser Hinsicht ein Problem?"
Goncalves: "Der Sand in Bahrain bereitet keine Probleme. Aber je nach Streckencharakteristik, der Außentemperatur und vor allen Dingen der Luftfeuchtigkeit setzen wir tatsächlich verschiedene Treibstoffe ein. Allerdings stellt es ein großes Risiko dar, den Treibstoff von Rennen zu Rennen zu wechseln: Selbst wenn man zwei verschiedene Treibstoff-Arten hat, die von der FIA zugelassen sind, kann selbst die kleinste Vermengung der beiden Treibstoffe zu einem dritten Treibstoff werden, der von der FIA nicht zugelassen ist."

Frage: "Gibt es eine technische Evolution im Bereich des Treibstoffs während einer Saison?"
Goncalves: Treibstoff wird ständig weiterentwickelt. Sobald eine neue Formel entdeckt und in großen Massen für Grands Prix produziert wurde, macht sich unsere Entwicklungsabteilung an die Arbeit um einen neuen Treibstoff, neues Rohmaterial, neue Raffinations-Prozesse und neue Mischungen zu probieren. Sobald BMW mit einem neuen Treibstoff zufrieden ist, setzen wir ihn direkt im Rennen ein."

Frage: "Wie viele Liter Treibstoff werden während der Saison insgesamt verbraucht?"
Goncalves: "Für jeden Grand Prix liefern wir 2.000 Liter Treibstoff, für jede Testsession etwa 600 Liter pro Tag. Zählt man die monatlichen Lieferungen für die BMW-Entwicklungsabteilung hinzu, kommen wir auf einen jährlichen Verbrauch von zirka 200.000 Litern."