• 27.05.2004 10:04

  • von Fabian Hust

Das vergessene Öl und Benzin

Denken Sie an Öl und Benzin, wenn Sie F1-Autos sehen? Wir verraten Ihnen, warum beides entscheidend für den Sieg sein kann

(Motorsport-Total.com) - Chassis, Motor und Reifen sind Komponenten, die ein Formel-1-Fan gut kennt und an die er auch denkt, wenn es darum geht, ob ein Team ein konkurrenzfähiges Paket sein Eigen nennen kann oder nicht. Aber es gibt auch Elemente in einem Auto, an die man nicht unbedingt denkt, die aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, ob ein Formel-1-Bolide schnell und zuverlässig ist: Die Schmierstoffe und das Benzin.

Titel-Bild zur News: Tankvorgang

Ohne Benzin und Öl käme ein Formel-1-Auto keinen Meter weit

Jede Strecke stellt andere Anforderungen, so spielen zum Beispiel die Schmierstoffe auf einer Strecke wie Monaco eine wichtigere Rolle als auf anderen Kursen. "Egal ob Motor oder Getriebe, es gibt immer eine Balance zwischen Effizienz des Öls und seiner Schutzwirkung", erklärt Mike Copson, Technischer Manager von 'Shell'. Denn dünnflüssiges Öl sorgt für geringere Reibungsverluste, es besteht aber die Gefahr, dass der Schmierfilm abreißt, wenn das Öl zu dünnflüssig ist.#w1#

Höchste Anforderungen an das Getriebe-Öl

"Wir schauen immer danach, wie wir die Reibung verringern können, denn diese ist der Feind der Leistung", erklärt Copson. Welche Kräfte in einem Formel-1-Getriebe auftreten, kann man sich vorstellen, wenn man bedenkt, dass Formel-1-Motoren rund 900 PS stark sind, 19.000 Umdrehungen in der Minute erreichen und ein Schaltvorgang lediglich 20 Millisekunden Zeit benötigt. In Monaco muss rund 2.000 Mal während einem Rennen geschaltet werden.

"Es ist zudem sehr schwierig, zwei Oberflächen zu schmieren, die gegeneinander reiben als die Art der Schmierung im Motor zu erzielen", erklärt der Techniker. "Hinzu kommt, dass die Autos in Monaco sehr langsam fahren, es gibt also weniger Kühlung und das stellt zusammen mit den ständigen Richtungswechseln in den Kurven die schlimmste Arbeitsumgebung für ein Öl dar. Bei diesem Rennen ist es also wichtiger als bei anderen, dass man sich auf die Abnutzung konzentriert, wenn man das Öl herstellt. Wenn dann zusätzlich die Umgebungstemperatur hoch ist, dann gestaltet dies einem das Leben noch schwieriger."

Wenn Hydrauliköl so hart wie Stahl sein muss

Auch die Hydraulikflüssigkeit entwickelt 'Shell' für das Ferrari-Team, die dafür sorgt, dass die Kraft vom Gaspedal an den Motor geleitet wird und die Gangwechsel durchgeführt werden können: "Die Flüssigkeit muss einen 'soliden Stab' zwischen der Steuerung und dessen, was aktiviert wird, herstellen. Wenn ein Fahrer das Gaspedal drückt oder die Gänge wechselt, dann ist eine unverzügliche Reaktion erforderlich. Die Komprimierbarkeit ist aus diesem Grund genauso wichtig wie die Reinheit. Beim Umgang mit den Flüssigkeiten muss man deshalb sehr sorgsam sein, damit die Flüssigkeit sauber bleibt. Sogar die Schmierfette werden speziell für das Auto entwickelt, um die Reibung an Teilen wie jenen am Antriebsschaft zu reduzieren."

Es ist natürlich leicht nachzuvollziehen, dass ein guter Sprit für Leistung in einem Motor sorgen kann, doch auch diese Angelegenheit ist in der Formel 1 viel komplizierter. Das Benzin beeinflusst auch das Drehmoment, die Fahrbarkeit, die Wirtschaftlichkeit und aus diesem Grund auch die Rennstrategie. Ein Benzin herzustellen ist eine sehr komplizierte Angelegenheit, auch wenn das Reglement den Chemikern vergleichsweise wenig Freiraum lässt.

Wie man mit Benzin das Drehmoment beeinflussen kann

"Wir können die Fahrbarkeit aus Kurven heraus verbessern, indem wir Benzinbestandteile verwenden, die schneller verbrennen", erklärt der 'Shell'-Mann. "Die Benzindichte wird durch die FIA kontrolliert. Am 'leichten' Ende der Dichteskala ist es so, dass wenn man zwei Autos mit dem gleichen Gewicht hat, man aber mit einem leichteren Sprit fährt, das Auto mehr Benzin an Bord haben kann, sodass es auf der Strecke weiter kommt. Es geht darum, das Boxenstopp-Fenster zu maximieren, was dann den Ferrari-Strategen hilft."

"Was die Benzin-Wirtschaftlichkeit angeht, so sind Kraft und Fahrbarkeit kein Vorteil mehr, wenn die Wirtschaftlichkeit schlecht ist. Man muss auch bedenken, dass das Benzin bei wesentlich höherer Temperatur arbeiten muss als in einem Straßenauto. Das Benzin bewegt sich zudem viel mehr - von den Fässern in die Tankschläuche in der Boxengasse bis schlussendlich in das Auto. Das macht uns das Leben sehr schwer, sicher zu stellen, dass es konform mit der Probe der FIA bleibt. Der Zustand des Benzins ist also Teamarbeit, denn es hängt davon ab, wie es Ferrari behandelt und lagert."

Legalität ist ein großes Thema

Bei jedem Rennen hat 'Shell' ein Labor dabei, das in einem der Ferrari-Trucks untergebracht ist. "Wir ziehen im Verlauf eines Wochenendes rund 40 Benzinproben", erklärt Copson. "Der Hauptgrund dafür ist die Tatsache, dass wir sicherstellen wollen, dass es immer dem Muster entspricht, das zuvor von der FIA freigegeben wurde und dass es immer die maximale Leistung bringt. Ein Benzin besteht aus 200 bis 250 verschiedenen chemischen Bestandteilen und jeder hat einen Minimal- und Maximal-Wert."

"Das Muster wird in einem Gaschromatografen erhitzt, der die Bestandteile auflöst und grafisch als Linien darstellt. Die FIA hat eine identische Maschine, man muss also einfach die beiden Muster übereinander legen und sie vergleichen. Das Benzin könnte sich verändern, wenn es verschmutzt wird oder es könnte durch das Wetter beeinflusst werden. Je besser die Analyse ist, desto näher kann man den FIA-Limits kommen, was einem ein besseres Benzin verschafft, genauso wie die genauste Wiegemethode dafür sorgt, dass man dem Mindestgewicht näher kommt."

'Shell' spielt den Ferrari-Doktor

Die Überwachung des Öls wird ein wenig anders durchgeführt. Die Proben werden das Wochenende über aus den Autos entnommen, auch wenn es im Bereich der Schmierstoffe nur sehr wenige Vorgaben der FIA gibt. Während das Benzin ziemlich ähnlich jenem ist, das man an der Tankstelle für den eigenen PKW zapft, sind Öle deutlich maßgeschneideter.

"Wir schauen uns den Level an Metall an, den wir im Öl finden, wenn wir dieses zum Beispiel aus dem Getriebe oder Motor holen. Dies wird mit anderen Leveln des Wochenendes und sogar mit jenen vergangener Jahre verglichen und 'Shell' nutzt diese Daten, um Ferrari ein Bild über den Zustand des Motors zu geben, so wie ein Arzt Informationen aus dem Blutbild erhalten kann." Die Tatsache, dass Ferrari in den letzten vier Jahren in den Rennen nur zwei Motorschäden hatte, zeigt, wie gut man dies im Griff hat.