• 14.11.2002 15:45

  • von Fabian Hust

Paul Ricard läuft Barcelona den Rang ab

Gegen Paul Ricard sieht Barcelona alt aus ? die neue High-Tech-Teststrecke im Süden Frankreichs ist atemberaubend modern

(Motorsport-Total.com) - In der Nähe von Le Castellet gelegen, hat sich die Rennstrecke von Paul Ricard in den letzten Monaten massiv verändert. Jene Piste, die in den Siebzigern gebaut wurde und 1999 in den Besitz der Familie Ecclestone übergegangen ist, hat sich mittlerweile zur modernsten Teststrecke der Welt gemausert. Das, was die letzten Jahre über Barcelona für die Formel 1 war, wird in den kommenden Jahren der Kurs in Südfrankreich sein: Die beste Teststrecke der Welt ? darauf kann man wetten.

Titel-Bild zur News: Cristiano da Matta

Der farbige "Bremsasphalt" verpasst Paul Ricard ein "spaciges" Aussehen

"Die Strecke ist viel beeindruckender als ich es mir je vorstellen hätte können", meinte vor kurzem FIA-Präsident Max Mosley nach einem Besuch. "Man hat wirklich das Gefühl, dass man sich dort in der Zukunft befindet. Mit der in Paul Ricard geleisteten Arbeit hat man den Gipfel in punkto Sicherheit, Logistik und Technologie erreicht. Das medizinische Zentrum ist außergewöhnlich und die auf der Strecke zum Einsatz kommende Technik ist einfach weit überlegen. Diese Teststrecke ist eine Bereicherung für die Welt des Motorsports."

Mosley ist überzeugt, dass Paul Ricard, sobald die in unmittelbarer Nähe entstehenden zwei Hotels errichtet sind und der Flughafen komplett modernisiert worden ist, die Referenz für alle Formel-1-Rennstrecken auf der Welt darstellen wird. Dass der Große Preis von Frankreich jedoch in naher Zukunft wieder in Le Castellet stattfinden wird, davon ist bislang nicht die Rede. Aus gutem Grund: Momentan fehlt es einfach noch an Tribünen. Viele Fahrer der Formel-1-Teams, die in diesem Jahr schon in Paul Ricard getestet haben, zeigten sich ebenfalls beeindruckt.

Wenn Mosley meint, dass er sich wie in die Zukunft versetzt gefühlt habe, als er nach Paul Ricard kam, so hat er gewiss nicht übertrieben. Was die Franzosen von April 2001 bis heute in Frankreich geleistet haben, ist fast schon unglaublich. Bis zu 1.200 Arbeiter werkelten auf dem 580 Hektar großen Areal, um die modernste Testanlage der Welt zu schaffen, mit der die Benutzer auf dem eigenen Flughafen mit einer Boeing 707 einschweben können.

40 verschiedene Streckenlayouts lassen sich aus den einzelnen Abschnitten der Strecke zusammenbasteln, von einem Minikurs mit 0,825 Kilometer Länge bis hin zu einer 5,813 Kilometer langen Piste. 38 Kameras verfolgen von Sensoren gesteuert vollautomatisch die Rennwagen auf der Strecke, auf der sogar dank absenkbarer Randsteine jede andere Rennstrecke der Welt simuliert werden kann.

Besonders intensiv hat man an der Sicherheit der Strecke gearbeitet. So sind rund um die Strecke Signalanlagen angebracht, die die Streckenposten ersetzen. Und Kiesbetten sucht man in Paul Ricard fast vergeblich. Stattdessen wurde ein besonders klebriger Asphalt aufgebracht, der die Autos im Nu abbremst. Dieser ist farblich blau und rot gekennzeichnet und sorgt so für einen futuristischen Anblick. Die Farbe soll aber auch dafür sorgen, dass die Fahrer die Strecke von der Auslauffläche überhaupt unterscheiden können.

Der neuste Schrei in Paul Ricard ist eine Sprinkleranlage, mit der man alle möglichen Wetterlagen simulieren kann. 315 Sprinkler können nach Angabe der 'Autosport' vom leichten Nieselregen bis zum Monsun jede erdenkliche Regenart nachahmen. Zwei Jahre lang arbeitete man am Design der Anlage, nun will man das weltweit beste System installiert haben, das vor allem Michelin helfen wird, den Regenpneu zu entwickeln. Bisher jedenfalls testet fast nur Toyota in Paul Ricard, was sich aber mit Sicherheit bald ändern wird.

Auch Ferrari hat in Fiorano mittlerweile eine Sprinkleranlage, wo ausschließlich Bridgestone von der Simulation von Regenbedingungen profitieren kann. Nachteil der 1972 eröffneten Strecke: Sie ist eng und relativ langsam. In Paul Ricard wird man in Zukunft auf engen Kursen wie auf High-Speed-Kursen mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 320 km/h Versuche durchführen können ? klarer Vorteil für den französischen Kurs.

Da ab der kommenden Saison pro Rennwochenende nur noch eine einzige Reifenmischung für nasse Verhältnisse erlaubt sein wird, kommt der Entwicklung der Regenpneus eine völlig neue Bedeutung zu. Gerade bei Michelin dürfte man über die neusten Entwicklungen in Paul Ricard froh sein, denn die Franzosen mussten ihre der japanischen Konkurrenz deutlich unterlegenen Regenreifen entwickeln, in dem man ganz "altbacken" die Strecke mit Tanklastern bewässerte, was aber die Flexibilität, verschiedene Wetterbedingungen zu simulieren, stark einschränkte.