Patrick Friesacher im Interview mit 'F1Total.com' (Teil 1)

Die österreichische Formel-1-Sternschnuppe im ausführlichen Interview über seine Zukunft, den letzten Minardi-Test und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Als Patrick Friesacher Mitte Februar dieses Jahres in Velden völlig überraschend als Stammpilot des Minardi-Teams präsentiert wurde, war die Welt für den jungen PS-Österreicher noch in Ordnung. Genau 302 Tage später ist er zwar um jede Menge Lebenserfahrung, die man als charakterbildend bezeichnen könnte, reicher, doch Cockpit hat er keines mehr.

Titel-Bild zur News: Patrick Friesacher

Patrick Friesacher hat nach wie vor nur die Formel 1 in seinem Kopf

Auf Einladung von 'F1Total.com' verbrachte der 25-jährige Kärntner mit seiner Freundin Evi einen Kurzurlaub im wunderschönen 'Hotel Guglwald' in Oberösterreich, im Rahmen dessen er sich natürlich auch für ein ausführliches Interview in entspannter Atmosphäre zur Verfügung stellte. Heute gibt es den ersten Teil davon nachzulesen, morgen dann den zweiten.#w1#

Ende November fuhr Friesacher Minardis Doppelsitzer

Frage: "Patrick, du warst kürzlich beim allerletzten Minardi-Test in Vallelunga, bist dort Doppelsitzer gefahren. Wie ist es dazu gekommen?"
Patrick Friesacher: "Ich wurde schon vor ein paar Jahren zum ersten Mal von Minardi eingeladen, den Doppelsitzer zu fahren, damals in Rockingham in England. Das hat sich letztes Jahr in Südafrika wiederholt. Das Team hat bei diesen Events bis zu zehn Fahrer, also ist da natürlich ein gewisser Bedarf vorhanden. Da haben sie mich diesmal wieder eingeladen. Was jetzt Vallelunga betrifft, hat mich Richard Salisbury, der sich um die Doppelsitzer kümmert, angerufen, ob ich denn Lust hätte - und ich habe zugesagt."

Frage: "Bekommst du für diese Einsätze im Doppelsitzer eine Gage?"
Friesacher: "Nein. Es macht einfach Spaß, den Doppelsitzer zu fahren. So kann man den Leuten einen Eindruck vermitteln, wie es überhaupt ist, einen Formel-1-Boliden zu steuern."

Frage: "Wir alle kennen ja die Fotos von den Doppelsitzern, aber wie ist das Fahrverhalten im Vergleich zu einem regulären Formel-1-Auto?"
Friesacher: "Von der Leistung her ist der Doppelsitzer um ungefähr 150 bis 200 PS schwächer und damit um sieben bis acht Sekunden langsamer als das richtige Formel-1-Auto. Trotzdem geht damit ordentlich die Post ab. Manchen Leuten taugt es total, andere haben ein bisschen Angst und sind eingeschüchtert. Im Großen und Ganzen macht es aber jedem Spaß."

Frage: "Sind die Bremsen und die Fliehkräfte in den Kurven auch so extrem wie im einsitzigen Formel-1-Auto?"
Friesacher: "Durch den langen Radstand ist das Fahrverhalten eigentlich nicht schlecht, nur in engen Kurven ist der Doppelsitzer ein bisschen schwerfällig. Die Bremsen sind in der Formel 1 auch um einiges besser, aber man kann trotzdem einen guten Eindruck vermitteln."

Frage: "Vor ein paar Jahren hat Antonio Pizzonia einmal einen Straßen-Jaguar mit einem Journalisten am Beifahrersitz schwer gecrasht. Ist dir so etwas auch schon einmal passiert?"
Friesacher: "Nein."

Smalltalk mit Racing-Amazone Katherine Legge

Jörg Haider, Patrick Friesacher und Paul Stoddart

Da war die Welt noch in Ordnung: Patrick Friesacher bei der PK in Velden Zoom

Frage: "In Vallelunga war ja auch Katherine Legge anwesend, die erste Frau seit langem in einem Formel-1-Auto. Du hast dich auch ein wenig mit ihr unterhalten. Es gibt derzeit wieder ein paar Frauen, die für die Formel 1 in Frage kommen könnten. Traust du Frauen diesen Schritt grundsätzlich zu?"
Friesacher: "Ich habe ehrlich gesagt nicht viel mit ihr geredet. Es ist sicher machbar. Ecclestone will ja unbedingt eine Frau haben, denn für ihn wäre das eine tolle Sache. Ob sich schlussendlich wirklich mal eine Frau durchsetzen wird, ist aber schwer zu sagen."

Frage: "Der Test in Vallelunga war der letzte des Minardi-Teams. Wie war die Stimmung?"
Friesacher: "Man hat schon gemerkt, dass die Stimmung sehr emotional war. Den Mitarbeitern, die vom ersten bis zum letzten Tag dabei waren, hat es schon ziemlich wehgetan. Die waren sehr traurig. Für die Formel 1 ist es aber gut, was Red Bull jetzt macht, denn Minardi war immer ein Team mit wenig Budget. Die Mittel waren eingeschränkt, und man wurde von Haus aus als Hinterbänkler abgestempelt. Das wird sich jetzt sicher ändern."

Frage: "Für junge Nachwuchsfahrer ist die neue Situation aber gar nicht so einfach, denn Red Bull wird die Cockpits nur an die Talente aus dem eigenen Kader vergeben..."
Friesacher: "Das ist klar. Bis jetzt hat es wenigstens zwei Teams gegeben, in die man sich einkaufen konnte, aber jetzt gibt es nur noch eines - und da geht der Preis logischerweise richtig nach oben! Es ist halt so, man kann es nicht ändern."

Im Winter 2004/05 hätte Friesacher für Jordan testen sollen

Frage: "Vor ziemlich genau einem Jahr hättest du eigentlich für Jordan testen sollen. Warum ist es dazu nie gekommen?"
Friesacher: "Thomas Frank (Friesachers Manager; Anm. d. Red.) hat das aufgebracht. Ich hätte im Januar und Februar testen sollen. Die Vereinbarung wurde damals noch unter Eddie Jordan getroffen. Dann hat sich aber die Geschichte mit Minardi ergeben, und mit Jordan ist irgendwie alles ins Wasser gefallen."

Frage: "Wie ist der Kontakt zu Minardi eigentlich zustande gekommen?"
Friesacher: "Mein Manager hat den hergestellt."

Frage: "Anfangs warst du ja nur als Testfahrer vorgesehen..."
Friesacher: "Der erste Test war letztes Jahr am 22. November - noch nichts Aufregendes, aber ich konnte mir einmal einen Eindruck von der ganzen Sache verschaffen. Mein Ziel war schon immer, in die Formel 1 zu kommen. Das haben wir probiert. Dann hat es geheißen, dass Nicolas Kiesa den fixen Platz bekommt, und ich habe mir gedacht: Super, was sollen wir jetzt machen? Also haben wir den Testfahrervertrag genommen. Das mit dem Kiesa ist dann auf einmal geplatzt, und so bin ich hineingerutscht."

Frage: "Das war ja alles ziemlich kurzfristig. Kannst du uns ein bisschen den Ablauf der Ereignisse von damals wiedergeben?"
Friesacher: "Die Pressekonferenz in Velden wäre sowieso geplant gewesen. Bis einen Tag davor habe ich selbst nicht Bescheid gewusst, also war ich natürlich entsprechend baff. Es ist alles sehr, sehr schnell gegangen. Bis zum ersten Rennen waren nur noch zehn Tage Zeit. Da ist alles Schlag auf Schlag gegangen."

Frage: "Wie hast du erfahren, dass du doch Rennen fahren darfst?"
Friesacher: "Thomas Frank hat mich angerufen."

Sponsoren bezahlten 2005 nur für elf Rennen

"Das geht mich und das Team etwas an, aber nicht die Öffentlichkeit." Patrick Friesacher

Frage: "Wie gesagt ist da alles recht schnell gegangen. Ich nehme an, deine Sponsoren waren auf einen Testvertrag ausgerichtet."
Friesacher: "Nein, damit hatte das eigentlich nichts zu tun. Es hat da ein paar verschiedene Faktoren gegeben, aber darüber möchte ich ehrlich gesagt nicht sprechen. Dass alles so schnell gegangen ist, war jedenfalls für die Dinge, die sich später ereignet haben, nicht ausschlaggebend. Aber wie gesagt: Das geht mich und das Team etwas an, aber nicht die Öffentlichkeit."

Frage: "War die Unsicherheit um deine Sponsoren eine große Belastung?"
Friesacher: "Zum Schluss ist es in den Medien immer nur um dieses Thema gegangen - da schwirrt einem das natürlich im Kopf herum. Man ist auch genervt, weil man von 30 oder 40 Journalisten immer darauf angesprochen wird. Das steht einem irgendwann überall raus."

Frage: "Hat dein Verhältnis zum Team darunter gelitten?"
Friesacher: "Nein. Mit dem Team hatte ich immer ein Superverhältnis. Das ist auch jetzt noch so. Auch mit Paul Stoddart verstehe ich mich sehr gut."

Frage: "Nach Silverstone hättest du in der GP2 starten können. Stimmt das?"
Friesacher: "Ja, aber es hätte nicht viel Sinn gemacht. Ich wäre zwei Rennen bei Coloni gefahren. Das wollte ich einfach nicht, weil ich das Auto nicht kannte und ich mich nicht ins kalte Wasser schmeißen lassen wollte. Dabei wäre doch sowieso nichts herausgekommen."

Frage: "Gab es auch andere Angebote?"
Friesacher: "Nein, eigentlich nur die GP2."

Angebot über den Freitagsfahrerplatz am Hungaroring

Frage: "Es gab doch aber auch mal Kontakt zu Colin Kolles von Jordan, denn als ich ihn einmal gerade am Telefon hatte, habe ich zufällig mitbekommen, dass dein Manager in seiner anderen Leitung war..."
Friesacher: "Ja. Ich hätte in Ungarn das Freitagstraining fahren können, aber ich habe mich dann auch gefragt, wozu das gut sein soll, wenn ich danach wieder ohne Cockpit bin. Da ist es besser, es gleich sein zu lassen. So kann man sich nichts verbauen. Sonst hätte es am Ende noch geheißen, dass mich zwei Teams rausgeschmissen haben, und das hätte ja so nicht gestimmt. Wenn, dann hätte mich nur die gesamte restliche Saison interessiert."

Frage: "Daran, dass dich andere Rennserien nicht sonderlich zu interessieren scheinen, lese ich ab, dass die Formel 1 derzeit dein einziges Ziel ist. Stimmt das?"
Friesacher: "Sicher! Ich war immer darauf ausgerichtet, bin es jetzt noch immer. Daran hat sich nichts geändert."

Frage: "Nehmen wir mal an, du bekommst für 2006 keinen Job in der Formel 1: Welche anderen Rennserien würden dich interessieren?"
Friesacher: "Man muss sich nach den besten Alternativen umschauen. Ich gehe aber sicher nicht in eine Serie, in der ich nicht gewinnen kann. Das Gesamtpaket muss passen. Es bringt nichts, für ein mittelmäßiges Team zu fahren, das nicht gewinnen kann. Siege sind für jeden Rennfahrer am wichtigsten - alles andere interessiert in Wahrheit niemanden."

Frage: "Hast du für nächstes Jahr Kontakte, die ein bisschen konkreter sind?"
Friesacher: "Ich unterhalte mich mit Formel-1-Teams wegen eines Testfahrerplatzes. Da ist momentan noch nichts entschieden. Ich bin momentan schon noch auf die Formel 1 fokussiert. Wenn das nicht zustande kommen sollte, muss ich eine andere Lösung finden - zum Beispiel die ChampCar-Serie."

Politik und Geld sind nicht immer ausschlaggebend



Dominik Sharaf

Frage: "Ein Formel-1-Testvertrag wäre vermutlich mit Geld verbunden, nicht wahr?"
Friesacher: "Das kommt darauf an. In der Formel 1 gibt es sehr viel Politik. Natürlich spielt Geld auch eine Rolle, aber es ist nicht immer die Hauptsache."

Frage: "Apropos Geld: Als es dir dieses Jahr ausgegangen ist, sind dir die Journalisten sicher manchmal auf den Senkel gegangen. Gibt es Journalisten, mit denen du überhaupt nicht kannst? Wie würdest du dein Verhältnis zu den Medien beschreiben?"
Friesacher: "Solange ich respektiert werde, respektiere ich auch die Medien, aber wenn mir jemand blöd kommt, komme ich auch blöd zurück! Im Großen und Ganzen bin ich aber mit allen gut ausgekommen. Da hat es nie ein Problem gegeben."

Frage: "Was war die dümmste Geschichte, die du bis jetzt über dich selbst gelesen hast?"
Friesacher: "So etwas hat es eigentlich nicht gegeben, aber im Nachhinein betrachtet hat es schon einige überflüssige Kommentare gegeben, als ich raus war. Aber das wird immer so sein in der Formel 1. Insgesamt wurde aber meistens positiv über mich geschrieben."

Frage: "Die Formel 1 ist zum Teil auch eine Neidgenossenschaft. Wahrscheinlich gab es viele, die dir bei der Pressekonferenz in Velden auf die Schulter geklopft haben, sich jetzt aber nie wieder melden..."
Friesacher: "Klar, aber das gibt es in jeder Sportart. Wenn du oben bist, hast du plötzlich viele Freunde, aber du musst immer wissen, wo du hingehörst. Das habe ich immer gemacht. Da muss man auf sich selbst horchen."

Frage: "Wie war das mit deinem Freundes- und Bekanntenkreis?"
Friesacher: "Da hat sich nicht viel geändert. Ich bin eher ein zurückhaltender Typ und suche mir meine Freunde selbst aus."

Mit 70 Runden Formel-1-Erfahrung in den ersten Grand Prix

Frage: "Du hattest ja nur ein paar hundert Kilometer Testerfahrung vor dem ersten Rennen. Wie schwierig war es in Melbourne für dich?"
Friesacher: "Ich bin 70 Runden in einem Formel 1 gefahren, bevor ich zum ersten Rennen gekommen bin - und davon waren es eigentlich nie mehr als zehn Runden am Stück! Natürlich habe ich gegrübelt, wie es mir im Rennen ergehen wird, denn ich bin davor ja noch nie im Leben eine komplette Renndistanz gefahren. Im Großen und Ganzen ist dann aber alles gut gegangen. Das einzige Problem in Australien war das mit dem neuen Aerodynamikpaket, das wir dann verwenden mussten, denn das hatte 40 Prozent weniger Downforce. Insofern war es wahnsinnig schwierig, das Auto auf der Strecke zu halten."

Frage: "Wie warst du nach dem Rennen körperlich beisammen?"
Friesacher: "Es ist gegangen, halb so wild. Natürlich habe ich es ein bisschen gespürt, speziell im Nacken, aber es war kein großes Problem."

Frage: "Dadurch, dass du nicht viel testen konntest, hast du wahrscheinlich vor allem im Fitnessstudio trainiert. Wie intensiv war dein Trainingsvolumen verglichen mit der Formel-3000-Zeit?"
Friesacher: "Der einzige gravierende Unterschied zwischen Formel 3000 und Formel 1 ist, dass in der Formel 1 die Renndistanz doppelt so lang ist. Außerdem hat man in der Formel 1 im Gegensatz zur Formel 3000 eine Servolenkung. In der Formel 3000 muss man noch mit Schaltknüppel schalten, was einem in der Formel 1 erleichtert wird. Von daher ist der körperliche Unterschied gar nicht so groß."

Frage: "Heißt das, dass ein Formel-3000-Rennen über eine Formel-1-Renndistanz anstrengender wäre als in einem Formel 1?"
Friesacher: "Ja."

Vier bis fünf Stunden Training für das Comeback

Patrick Friesacher und 'F1Total.com'-Chefredakteur Christian Nimmervoll

'F1Total.com'-Chefredakteur Christian Nimmervoll im Gespräch mit Friesacher Zoom

Frage: "Wie viele Stunden trainierst du pro Tag?"
Friesacher: "Das ist ganz unterschiedlich. Am meisten trainiere ich im Ausdauerbereich, also viel Radfahren. Außerdem ist in der Formel 1 die Nackenmuskulatur sehr wichtig. Das merkt man in schnellen Kurven und beim Bremsen ganz extrem. Sobald man im Formel-1-Auto müde wird, lässt die Konzentration nach - und dann macht man Fehler. Daher muss man schon versuchen, sich eine gute Basis zu schaffen, gerade über den Winter. Während der Saison versucht man nur, das Niveau zu halten, aber aufbauen kann man nicht richtig. Momentan trainiere ich so vier bis fünf Stunden am Tag."

Frage: "In den vergangenen Jahren kamen immer wieder Fahrer in die Formel 1, die die Formel 3000 übersprungen haben. Man hört, dass die Formel 3000 als Vorbereitung weniger geeignet ist als die Formel 3. Kannst du das bestätigen?"
Friesacher: "Es macht eigentlich keinen Unterschied, ob man aus der Formel 3 oder aus der Formel 3000 kommt. Ich bin das volle Programm durchgefahren - und ich habe in jeder Klasse Rennen gewonnen! Da muss ich mir nichts nachsagen lassen. Die Formel 3 ist ein bisschen unterschiedlicher, denn die haben 210 PS und die Kurvengeschwindigkeiten sind ein bisschen höher, während man in der Formel 3000 mehr Leistung hat und extrem spät bremst. Der Fahrstil ist schon ein bisschen anders, aber das ist reine Einstellungssache."

Frage: "Der Rummel um deine Person war gerade vor dem ersten Rennen in Melbourne gewaltig. Geht einem das eher auf die Nerven oder genießt man das auch zum Teil?"
Friesacher: "Ich kannte das aus der Formel 3000 nicht - oder zumindest nur in einem kleineren Rahmen. Im Grunde ist das aber etwas Positives, und das macht Spaß."

Frage: "Hat man als VIP im Alltag viele Vorteile - wie zum Beispiel bei Tischreservierungen in Restaurants?"
Friesacher: "Es gibt überall Vor- und Nachteile, aber es ist sicher etwas Schönes."

Frage: "Wirst du auf der Straße erkannt?"
Friesacher: "Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal erkennt mich jemand, manchmal nicht. Es ist mir auch schon passiert, dass jemand beim Einkaufen ein Foto machen will."