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  • 22.01.2013 13:32

  • von Dieter Rencken

Parr: "Will den Menschen zeigen, was hinter den Kulissen ist"

Was Max Mosley alles wusste und Bernie Ecclestone austüftelt: Mit seinem Comic-Buch versucht Adam Parr Einblicke in eine verborgene Welt zu geben

(Motorsport-Total.com) - Wenn es Menschen in der Formel 1 gibt, die so richtig aus dem Nähkästchen plaudern können, dann zählt Adam Parr dazu. Der ehemalige Williams-Vorstandsvorsitzende war bei den kleinen und großen politischen Affären um die Königsklasse des Motorsports hautnah dran - und steht mittlerweile nicht mehr in Lohn und Brot. Im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' erklärt Parr ungezwungen, was hinter einem Rechtsstreit mit Toyota, dem neuen Concorde Agreement und seiner Loyalität zu Williams steckt.

Titel-Bild zur News: Adam Parr

Mit bunten Bildern und klaren Worten: Parr erklärt, was im stillen Kämmerlein los ist

Frage: "Adam, in deinem Buch schreibst du, Toyota hätte eine Rechnung über 150 Millionen Dollar (etwa 113 Millionen Euro) von Bernie Ecclestone erhalten?"
Adam Parr: "Nun, ich bin mir sicher: Das ist das, was uns damals gesagt wurde. Ja."

Frage: "John Howett meinte, es gäbe keine Konsequenzen. Er hatte keinen Grund, dergleichen zu verheimlichen?"
Parr: "Ich denke, damit hast du es auf den Punkt gebracht. Ich kann mich daran erinnern, dass das FOM (Formula One Management; Anm. d. Red.) ihnen gerade deshalb eine Rechnung gestellt hat. Wenn wir uns erinnern: 2009 unterschrieb BMW das neue Concorde Agreement nicht und zog sich dann zurück. Honda hatte sich bereits ein Jahr früher verabschiedet und Renault verkaufte 75 Prozent des Teams. Sie alle hatten also gewisse Mechanismen am Start, um nicht haftbar zu sein."

Klage gegen Toyota wäre möglich gewesen

"Toyota unterschrieb jedoch das Concorde Agreement, das sie für einige der kommenden Jahre band. Ich denke, die Formel-1-Gruppe hat sich aufgrund dessen dazu veranlasst gefühlt, eine gewisse Art von Schadensbegleichung für den Vertragsbruch einzufordern. Ob sie jemals etwas erhalten haben, ist etwas anderes. Sie sahen es damals aber als Vertragsbruch an und hatten es sicherlich auf eine Zahlung in dieser Höhe abgesehen."

Frage: "Im Concorde Agreement gibt es keinen Passus für Zahlungsausfall. Bernie hätte vor Gericht gehen müssen, um einen entstandenen Schaden nachzuweisen?"
Parr: "Möglich. Wie du weißt, ist in den meisten Verträgen kein Strafmaß für den Fall eines Vertragsbruchs festgesetzt. Vielmehr gibt es eine Rechtsauffassung, nachdem man in einem Vertrag überhaupt keine Strafe wegen Vertragsbruchs verankern darf. Bei jedwedem Vertragsbruch ist die Seite, die den Vertragsbruch begangen hat, nur für die Schäden verantwortlich, die sie verursacht hat."

"Aus rechtlicher Perspektive wäre es meiner Meinung nach darum gegangen, Fakten und Beweise über den Verlust aufzutischen. Gleichwohl muss ich sagen: Hätte die Formel-1-Gruppe klagen wollen, so denke ich, hätten sie auch eine Anklage hinbekommen. Denn natürlich war es von großem Wert, ein Unternehmen von der Größe Toyotas im Sport zu haben. Ich weiß nicht genau, wie es letztendlich ausging, aber sagen wir es so: Es war kein Unfug oder irgendein Angelausflug."

Frage: "Peter Sauber kommt im Buch nicht vor, Tony Fernandes hingegen schon?"
Parr: "Interessant, dass du das erwähnst. Man darf nicht vergessen: Tony war über vier Jahre oder dergleichen hinweg als Sponsor von Williams aktiv, ehe er sein eigenes Team an den Start brachte. Ich lernte Tony also schon früh ziemlich gut kennen. Und wie du schon sagst: Er taucht nur im Bereich Schulden und Lektionen auf. Es gibt eine ganze Reihe von Personen, die gar nicht erwähnt sind, die in diesen fünf Jahren aber eine wichtige Rolle in diesem Sport gespielt haben. Dass Peter und Sauber nicht prominent zu sehen sind, ist keine bewusste Entscheidung. Es liegt einfach daran, dass ich mich nicht entsinnen kann, dass sie eine besondere Rolle bei den Dingen, über die ich schreibe, gespielt hätten."

Tony Fernandes

Mit Tony Fernandes könnte sich Parr eine Zusammenarbeit vorstellen, aber... Zoom

Frage: "In politischen Belangen hat sich Peter Sauber stets sehr zurückgehalten und das Feld eher Monisha Kaltenborn überlassen?"
Parr: "Deshalb wurde er in dieser Woche zu Kosten und zur Kostenkontrolle in der Formel 1 befragt. Ich hatte stets das Gefühl, dass Peter und Monisha sehr vernünftige, solide und logische Menschen sind. Wahrscheinlich hätten sie in 99 Prozent der Fälle genau die gleiche Position wie Williams eingenommen. Es ist nicht so, dass sie nie etwas zu Diskussionen beigetragen hätten."

Toro Rosso ist Red Bulls Fußsoldat

"Das haben sie, aber sie haben nie? In einem Buch wie diesem versuchst du halt, die wichtigsten Personen auf besondere Art und Weise darzustellen. Sie haben da eigentlich nicht reingepasst. Du musst wissen: Mir ist nicht aufgefallen, dass sie in Sachen Kundenautos eine starke Position bezogen hätten. Ich bin mir aber sicher: Sie würden dergleichen nicht wollen. Sie hatten ja schon immer eine sehr enge Beziehung zu Ferrari. Und davor zu Gerhard Berger und BMW. In diesem Sport hat sich mittlerweile ein kleiner Kreis an Personen gebildet."

"Es gibt wichtige Teams, aber das bedeutet nicht, dass sie in all diesen Diskussionen eine besondere Rolle gespielt hätten. Franz (Tost, Teamchef; Anm. d. Red.) und Toro Rosso nehmen ihren Kurs unweigerlich von Christian (Horner) und Red Bull entgegen. Es wäre also nicht sinnvoll, über 'Franz stimmt Christian zu' oder über 'Monisha unterstützt Stefano' zu schreiben. Das bringt die Geschichte ja schließlich nicht voran."

Frage: "An mehreren Stellen spielst du auf die Situation um Max Mosley an, auch auf angezapfte Telefone. Max hat jedoch stets betont, dass es sich um Sabotage gegen die FIA gehandelt habe. Nicht, dass es eine Telefonabhörung gewesen sein könnte, die ihn sein Amt gekostet hat?"
Parr: "Du musst die Geschichte, die ich erzähle, im Hinterkopf behalten. In dieser Geschichte, wie ich sie erzähle, war die Attacke der 'News of the World' auf Max und der Einbruch in sein Privatleben 2008 ein absolut entscheidendes Element in der Dynamik des Sports. Und ich erwähne lediglich in einem Kasten die Tatsache, dass er? Es gibt zwei Stellen, denke ich, an denen ich zwei Dinge beobachte oder aufzeichne."

Mosley wusste um 'News of the World'-Affären als Erster

"Durch seine Verstrickung in die Geschichte um 'News oft the World' hat er mehr über die Rolle dieses Unternehmens und der Boulevard-Medien in der britischen Politik gelernt - und stieß auf eine tiefgehende Korruption. Das Zweite, an dem Max dran war, sind natürlich die angezapften Telefone. Er wusste es vor allen anderen in England. Wir aßen einmal gemeinsam zu Abend in Monaco. Das war wahrscheinlich etwa 18 Monate bevor diese Geschichte im Vereinigten Königreich zum Thema wurde."

Frage: "Dennoch sagt er weiterhin, dass er reingelegt wurde und dass Lord Stephens weiß, wer dahinter steckte. Das war ein Teil seiner Verteidigung, mit der FIA an seiner Seite?"
Parr: "Bei diesem letzten Punkt möchte ich mich absolut klar ausdrücken: Ich habe verstanden, was du sagst. Ich werde das aber nicht kommentieren. Denn ich weiß einfach rein gar nichts darüber."

Frage: "Wo ist eigentlich dein Buch erhältlich?"
Parr: "Das Buch ist via Amazon erhältlich. Dabei handelt es sich um die begrenzte Auflage von 2.500 Exemplaren, die von mir persönlich nummeriert und unterschrieben sind. E-Books gibt es in Englisch, Französisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch und Japanisch - also in sieben Sprachen und erhältlich bei den jeweiligen Amazon-Seiten. Dort kann man jede Sprache bekommen."

Adam Parr

Parrs Comic "Die Kunst des Krieges" ist in sieben Sprachen erhältlich Zoom

Frage: "Kannst du dir vorstellen, dass einige Teams vor die EU gehen?"
Parr: "Nein."

Frage: "Und warum?"
Parr: "Ich denke, das habe ich in meinem Interview mit 'Bloomberg' gesagt. Die Teams hängen so sehr vom Wohlwollen von Bernie ab? nicht alle Teams. Ich würde vermuten, eines der Teams, das nicht vom Wohlwollen Bernies abhängt, ist ebenfalls überzeugt davon, dass es da einen Rechtsfall gibt. Ich hatte gehofft, Mercedes würde sich der Sache annehmen, denn sie könnten es sich leisten. Eigentlich würde ich sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wenn Mercedes den Eindruck haben sollte, dass es dabei um ein ungesetzliches Abkommen geht, dann verstehe ich nicht, wie sie ihre Unterschrift leisten konnten. Denn dadurch würden sie sich ja zum Teil eines ungesetzlichen Abkommens machen."

Unrecht bleibt Recht, solange sich niemand beschwert

Frage: "Ähnlich überraschend ist, dass McLaren nicht nach Brüssel geht?"
Parr: "Ja, aber McLaren zählt ja zu denen, die profitieren, oder nicht?"

Frage: "Es handelt sich ja aber um einen illegalen Vorgang?"
Parr: "Es ist eine Sache, wenn du das Opfer eines illegalen Abkommens bist und auf Wiedergutmachung pochst. Es ist eine andere Sache, wenn du davon profitierst. Die Wahrheit ist: Wenn es sich als ungesetzlich herausstellt? Ich denke, es wäre angemessen, dass die EU einschreitet und verhindert, dass das neue Abkommen in Kraft tritt."

"Sie sollten auch Maßnahmen zur Überbrückung an den Start bringen, um den Betrieb auf fairer Basis laufen zu lassen, während sie ihre Untersuchung laufen lassen. Als Ergebnis dieser Nachforschungen sollten sie entweder ein neues Abkommen verlangen, das die Prinzipien des Europäischen Rechts widerspiegelt, oder sie sollten eines vorgeben."

Frage: "Jeder könnte eine Beschwerde vorbringen. Siehst du das als Möglichkeit?"
Parr: "Wie du schon sagst: Es ist dahingehend ein großartiges System, dass es eher ein Kriminal- als ein Zivilprozess ist. Die Europäische Kommission hat die Aufgabe, die Einhaltung der Verträge zu überwachen. Das beinhaltet die Artikel 102 und 103 der TFEU. Sie brauchen niemanden, der ihnen sagt, was zu tun ist."

"Das würde ja sonst bedeuten, ein illegales Abkommen würde weiter Bestand haben, solange sich niemand beschwert. Das ist natürlich Unsinn. Die Antwort lautet also: Jeder könnte es tun. Die Frage ist, ob sich die Leute über diese Möglichkeit und die Art und Weise, wie es zu tun ist, im Klaren sind, und ob sie die Motivation dafür haben."

Frage: "Die Kommission hat sehr viel zu tun. Könnte das vielleicht auch ein Problem sein?"
Parr: "Ja. Ich bin überzeugt davon: Das Problem sind eher die Zeit und die Ressourcen als alles andere. Man könnte sich vorstellen, dass jemand Geschäftstüchtiges aus dem Verwaltungsrat, der sich für den Sport interessiert, mal eine halbe Stunde lang ein paar Nachforschungen anstellt."

Aspekte des Concorde Agreements für Parr "inakzeptabel"

Frage: "Die ursprüngliche Direktive aus dem Jahr 2000 sagt, dass alle Teams mit dabei sein müssen. Im Augenblick hat Bernie mindestens zwei Rennställe ausgeschlossen?"
Parr: "Wie ich schon sehr klar gesagt habe: Ich denke nicht, dass das ein Thema ist, das einer Untersuchung bedarf. Angesichts der Artikel 102 und 103 hat man hier einen Rechtsfall vorliegen. Mit anderen Worten: Es ist einerseits möglicher Missbrauch einer dominanten Position und andererseits unfairer Wettbewerb."

Frage: "Concorde Agreement: Du hast geglaubt, die Teams könnten die Formel-1-Gruppe noch mehr zur Kasse bitten. Der Grund, weshalb du nicht für Williams unterschreiben wolltest?"
Parr: "Was ich im Buch sehr klar dargestellt habe, ist, dass es bei den Vorschlägen für 2013 gewisse Aspekte gab, die ich als nicht akzeptabel empfunden habe. Dabei geht es um finanzielle und nicht-finanzielle Themen."

Frage: "Okay, also geht es um Geld und die Sporthoheit?"
Parr: "?und die Regeln."

Frage: "Die Sporthoheit und die Regeln haben sich verändert, aber beim Geld hat sich nichts Wesentliches verändert?"
Parr: "Ja. Erneut: Im Buch gebe ich die Tatsache wieder, dass Bernie Frank (Williams, Teameigner; Anm. d. Red.) versprochen hat, dass sein Team 2013 nicht schlechter dastehen würde als 2012. Ich habe keinen Grund zu der Annahme, dass das nicht respektiert wurde. Das bedeutet aber nicht, dass das, was anderen gegeben wurde, nicht unfair war."

Frage: "Eines der Teams hat gar nichts?"
Parr: "Ja. Nun, das empfinde ich als sehr, sehr überraschend. Ich verstehe das nicht."

"Kategorischer Missbrauch" um Marussia

Frage: "Sollte die Formel 1 mehr als zehn Teams haben?"
Parr: "Nun, sie hat mehr als zehn Teams."

Frage: "Bernie hat 'Reuters' vor Kurzem gesagt, er will eigentlich nur zehn Teams?"
Parr: "Schau her, ich lehne mich jetzt mal ein bisschen aus dem Fenster und sage: Wenn die Formel-1-Gruppe einem Team, das bereits im Sport antritt, kein Angebot machen will, ohne eine Basis dafür zu haben, das Team damit in den Bankrott zwingt und so für den Verlust von Arbeitsplätzen im Team verantwortlich ist, dann ist das in meinen Augen absolut und kategorisch Missbrauch einer dominanten Position. Außerdem ist es falsch. Es ist einfach nur falsch."

Frage: "Die Bewerbung des Teams wurde akzeptiert. Ich habe Graeme Lowdon (Marussia-Sportdirektor; Anm. d. Red.) gefragt, was wohl passiert, wenn er Bernie sagt, dass er nicht das Recht hat, Bilder von ihnen im Fernsehen zu zeigen?"
Parr: "Guter Punkt. Das Problem dabei ist nur: Du stehst jemandem gegenüber, dessen Ressourcen eine-Million-mal größer sind als deine."

Die Behandlung des "Kellerkindes" Marussia ist Parr ein Dorn im Auge Zoom

Frage: "War der Aspekt der Sporthoheit, nur drei Teams zu haben, eines der Themen, gegen die du dich gesträubt hast?"
Parr: "Schau, es ist doch ganz einfach, denke ich. Die Formel-1-Regeln und die Art und Weise, wie sich die Regeln ändern und wann das geschieht, ist von absolut grundlegender Bedeutung für die relative Konkurrenzfähigkeit der Wettbewerber. Aus diesem Grund muss jeder Teilnehmer auf gleiche Art und Weise in den Prozess der Regelgebung eingebunden werden. Wenn ein Team ausgeschlossen ist, dann haben sie mindestens weniger Wissen über das, was passiert oder was passieren könnte."

"Deshalb könnte sie sich weniger gut auf die Zukunft vorbereiten. Das ist nicht wie im Fußball, wo es eigentlich keinen Unterschied macht. Es würde keinen Unterschied machen, wenn ich der Fußball-Mannschaft von Barcelona sagen würde, das Tor wird ab 2013 oder 2014 ein bisschen kleiner und der Ball ein bisschen größer, außerdem spielen nur noch zehn Mann statt elf. Es gibt nichts, was sie praktisch tun könnten, um sich vorzubereiten. Daher spielt es keine Rolle. In der Formel 1 sind die Regeln und die Art und Weise, wie sie geändert werden, aber von grundlegender Bedeutung."

Nur die Topteams bestimmen die Politik

"Es ist ungeheuer wichtig, dass man sich darauf vorbereiten kann. Jede Insider-Info ist möglicherweise Gold wert. Deshalb glaube ich, dass alle Teams in den Entscheidungsprozess über die Regeln involviert sein müssen. Es gibt keinen rationalen Grund, weshalb es anders sein sollte. Du hast die Rolle der Formel-1-Kommission angesprochen. Das ist nur die Hälfte des Ganzen, maximal. Die Regeln werden schließlich von der Technischen Arbeitsgruppe und von der Sportlichen Arbeitsgruppe gemacht. Daran haben sämtliche Teams schon immer ihren Anteil."

"Und als ich in der Formel 1 war, waren es niemals die niederrängigeren Teams, die Probleme gemacht haben. Es heißt, dass, wenn wir zu viele Teams haben, jeder alles blockieren kann. Die Antwort darauf ist: Da gibt es zum einen den Mechanismus, bis zum 30. Juni, dass Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss, nicht durch Einstimmigkeit, verabschiedet werden können. Zweitens sind es meist nicht die niederrängigeren Teams, die Probleme machen."

"Als ich in der Formel 1 war, waren es niemals die niederrängigeren Teams, die Probleme gemacht haben" Adam Parr

"Meistens sind es, um ehrlich zu sein, ein bis drei der Topteams, die eine sehr starke Position oder dergleichen vertreten. Mein Punkt ist: Es gibt keinen praktischen Grund, weshalb nicht alle Teams in diese Sache involviert sein sollten. Es ergibt doch Sinn, alle gleich in die Regelgebung einzubeziehen."

Frage: "Man spricht über eine Budget-Obergrenze von 250 Millionen?"
Parr: "Nun, das ist keine Budget-Obergrenze, oder nicht?"

Frage: "Was denn sonst?"
Parr: "Ich denke, man sollte erwähnen, dass ich manchen Aspekten beim Concorde Agreement und wie sie Gestalt annehmen, kritisch gegenüber stehe. Mit anderen Worten: Ich rede von den Finanzen, dem Sportlichen, den Regeln und der Hoheit des Sports. Ich muss da auch noch zwei weitere Aspekte nennen, die in diesem Sport grundlegend sind. Das Erste ist in meinen Augen die internationale Entwicklung des Sports."

Parr lobt Arbeit von Pirelli

"Es gibt nun ein fantastisches Rennen in Amerika, das an Abu Dhabi, Singapur, Südkorea und dergleichen anknüpft. Man darf die großartige Entwicklung des Sports in den vergangenen fünf, sechs Jahren nicht vergessen. Das Zweite ist die Einführung eines Spektakels wie DRS und KERS. Ich denke, Pirelli hat klasse Arbeit geleistet. Gut ist auch, dass wir das Nachtanken losgeworden sind. Die Rennen sind nun viel spannender und fortwährend interessant. Vielleicht mehr denn je in der Geschichte des Sports."

"Es ist systematisch variabel. Das haben wir in der vergangenen Saison gesehen. Zahlreiche Teams sind auf das Podest gefahren und haben Rennen gewonnen. Die Entscheidung fiel erst am Schluss. Manche Fahrer rollten das Feld von hinten auf. Diese Dinge werden systematisch zu einem Teil des Sports. Aus sportlicher Sicht und angesichts des Wachstums des Sports würde ich sagen, der Sport hat in den vergangenen fünf Jahren tolle Arbeit geleistet."

Frage: "Wann bist du dazugekommen?"
Parr: "Ende 2006."

Frage: "Und dein erstes Rennen war Melbourne 2007?"
Parr: "Bahrain 2007."

Frage: "Anfangs als Geschäftsführer?"
Parr: "Richtig."

Frage: "Dann als Vorstandsvorsitzender, der das Unternehmen an die Börse führte?"
Parr: "Richtig."

Frage: "Du vertrittst den Standpunkt der Ausweitung der Geschäftsfelder. Williams hat Porsche und Jaguar mit KERS beliefert, aber diese Deals gibt es nicht mehr. Von der neuen Struktur, die du aufgebaut hast, hat sich Mark Gillan verabschiedet. Der Williams-Rennwagen nutzt ein batteriebetriebenes KER-System statt eines Schwungrades. Man könnte sagen, dass vieles von dem, was du aufgebaut hast, zu Bruch geht. Wie denkst du darüber?"

Parr: "Eines nach dem Anderen. Das Verhältnis zu Porsche/Audi? Porsche stand mit der Hybrid-Technologie - von Williams - auf der Pole-Position. Das wirklich dominante Thema dieses Jahres war aber, dass Audi es für Le Mans hergenommen hat. Audi hat in Le Mans den ersten und den zweiten Platz mit dem e-tron-Modell geholt. Und mit Williams-Hybrid-Technologie. Porsche wurde also in gewisser Weise bereits von Audi überflügelt. Unterm Strich ist der Motorsport für Williams-Hybrid-Power aber ein Spaßprojekt und ein Entwicklungswerkzeug."

"Motorsport ist eine Ablenkung"

"Williams-Hybrid-Power-Technologie gehört in U-Bahnen, Busse, Trams, Lastwagen und dergleichen mehr. Die kommerzielle Nutzung dieses Geschäftszweigs hängt davon ab, ob man ein entsprechendes Industrieprodukt an den Start bringt. Dahin orientieren sie sich auf strategischer Seite. Ich denke also nicht, dass sie einen Rückschlag erlitten haben. Ich glaube vielmehr, da steckt viel Potenzial in diesem Geschäftsfeld. Der Motorsport ist in gewisser Weise, und da bin ich ehrlich, eine Ablenkung."

"Es frisst viel Zeit und es ist nie ökonomisch genug, um den Kern eines Business zu bilden. Da habe ich kein ungutes Gefühl. Ich denke, ihnen ging es unglaublich gut. Erst mit Porsche, dann mit Audi. Das Ziel ist aber natürlich eine industrielle Qualität. Zu Jaguar: Ich bin sehr traurig wegen des Jaguar CX75, denn ich hätte das für ein tolles Produkt gehalten. Williams hat fünf der Prototypen gebaut. Sie wurden, so wie ich das weiß, von den Vorstandsleuten bei Tata Motors gefahren. Dieses hervorragende Auto existiert also."

Benoit Treluyer, Marcel Fässler

Am Le-Mans-Triumph von Audi im Juni 2012 hatte auch Parr seinen Anteil Zoom

"Es ist nicht wie beim vorherigen Konzeptauto, über das Jaguar nur gesprochen, es aber nie gebaut hat. Diese Autos wurden gebaut und sie funktionieren. Es handelt sich um ausgesprochen außergewöhnliche Autos. Ich bin optimistisch, dass es Williams gelingen wird, darauf aufzubauen. Entweder mit Jaguar oder eben mit anderen. Es handelt sich schließlich um außergewöhnliche Technologie in einer großen Marke. Erneut muss ich sagen: Ich bin stolz auf das, was wir aufgebaut haben."

"Die Dinge laufen nicht immer so, wie du das erwartest. Es ist aber nichts verloren. Zum Schluss noch: Mark Gillan. Ich kann nur sagen, wir haben ein klasse technisches Team zusammengestellt, das seine Arbeit im Juni, August und September 2011 aufgenommen hat. Gemeinsam mit den vielen außergewöhnlichen Leuten, die schon da waren und von denen es hunderte gibt, haben sie eine Wende eingeleitet, die man so wahrscheinlich nicht gesehen hat. Ich würde sagen, es ist in gewisser Weise vergleichbar mit dem, was Ross Brawn 2009 getan hat."

Maldonado-Sieg im wahrsten Wortsinn "verschwitzt"

"Ross Brawn hatte aber 18 Monate lang Zeit, es zu schaffen. Sie hatten hingegen nur drei. Was Williams als Ganzes zwischen dem Saisonende 2011 und dem Saisonbeginn 2012 geleistet hat, war technisch absolut außergewöhnlich. Ich bin mir sicher: Sie sind auf dem richtigen Weg. 2013 sehen wir sicher einen weiteren großen Fortschritt."

Frage: "Pastors Sieg - wie hat sich der angefühlt?"
Parr: "Es war ein wunderbarer Moment. Ich war sehr glücklich, weil ich mit Alex Burns, dem Williams-Geschäftsführer, in Nahost unterwegs war. Und mit einem Kerl namens Damien Scott, dem Manager des Technologiezentrums in Katar. Wir arbeiten zusammen. Damit hatte ich begonnen."

Pastor Maldonado

Also Maldonado zum Barcelona-Sieg fuhr, war Parr im Fitnessraum... Zoom

Frage: "Du bist dann gegangen?"
Parr: "Ja, ich bin gegangen, aber wir waren zunächst alle gemeinsam dort. Es war ein Sonntagmorgen oder -nachmittag. Wir hatten Meetings und sind zurück ins Hotel, haben den Anfang des Rennes gesehen und dachten: 'Das ist Wahnsinn'. Dann habe ich mir eingeredet: 'Das sehe ich mir nicht an, das sehe ich mir nicht an'. Ich bin also in den Fitnessraum gestiefelt, habe mir einen brutalen Trainingsplan gesteckt und mir gesagt: 'Wenn ich das durchhalte, macht Pastor seine Sache gut.'"

"Ich bin zurück auf mein Zimmer, hatte alle meine Ziele erreicht und habe mich kaum getraut, das Telefon anzufassen - weil ich die Befürchtung hatte, dass da eine SMS ist, die lautet: 'Oh, wie schade'. Oder: 'Mein Gott, so nahe dran.' Ich habe einfach nur rumgesessen, dann klingelte das Telefon, es war meine in Tränen aufgelöste Frau und sie sagte: 'Pastor hat gewonnen.' Ich freute mich so für Alex und Damien. Ich fühlte zwei Dinge: Erstens, dass ich etwas dazu beigetragen hatte und zweitens, dass es das Team wirklich verdient hatte. Wir hatten eine so lange Durststrecke. Es war einer der schönsten Momente meines Lebens."

Fernandes und Lowdon: Freunde ja, Partner nein

Frage: "Was hast du gedacht, als du von dem Feuer in der Box gehört hast?"
Parr: "Es hat sich ja erst langsam herausgestellt, wie ernst die Sache wirklich war. Wie bekannt ist, hat einer der Jungs sich Verbrennungen zugezogen. Ich habe einige Tage später mit ihm im Krankenhaus gesprochen, um zu sehen, wie es ihm geht. Ich glaube, wir hatten sehr, sehr großes Glück, dass es nicht schlimmer gekommen ist. Gott sei dank war es nicht so."

Frage: "Wenn du von 'wir' sprichst, dann meinst du doch nicht nur Williams, sondern den Sport allgemein?"
Parr: "Nein, ich habe wirklich nur uns gemeint. Aber ja, auch das. Wir sind haarscharf vorbei geschrammt und ich bin mir sicher, dass viele Leute dafür Sorge getragen haben, dass so etwas nicht wieder passiert. Überall im Fahrerlager."

Frage: "Du bist im Jahr 2010 Vorsitzender geworden?"
Parr: "Ja."

Frage: "Das war in Silverstone. Ich habe dich damals gefragt, was gewesen wäre, wenn das mit dir und Williams nicht geklappt hätte, wo du dann gelandet wärst. Du sagtest, nirgendwo anders. Gilt das noch immer? Kommst du nicht zurück?"
Parr: "Ich würde niemals für ein Team arbeiten, das mit Williams konkurriert. Es gibt Menschen in der Formel 1, die ich sehr mag. Tony Fernandes, Graeme Lowdon. Vor Leuten wie Tony und Graeme habe ich großen Respekt. Als Geschäftsmänner genau wie als Menschen, mit denen ich in Zukunft liebend gerne zusammenarbeiten würde. Aber ich würde nicht für ein Team arbeiten, das mit Williams konkurriert."

Frage: "Arbeitest du mit diesen Herrschaften schon zusammen?"
Parr: "Nein, der Grund dafür ist, dass ich zu Frank und seinem Team immer loyal sein werde. Auf der anderen Seite gibt es erstklassige Leute in der Formel 1, die nichts mit Williams zu tun haben und ich auch nicht. Das meinte ich damit, als ich Tony und Graeme erwähnte. Das sind die Sorte Menschen, mit denen die Zusammenarbeit eine Wohltat ist, aber nicht in dem Kontext, mit Williams zu konkurrieren."

Herausforderung Literaturdozent

Frage: "Wirst du jemals beruflich ins Fahrerlager zurückkehren?"
Parr: "Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, im Paddock oder irgendwie wieder in der Formel 1 dabei zu sein."

Frage: "Schaust du die Rennen weiter als Fan? Hast du Kontakt mit den Leuten?"
Parr: "Ja, natürlich. Ich drücke Williams die Daumen und sehe mir jedes Rennen oder zumindest einige an, um zu sehen, wie es dem Team ergeht."

Frage: "Du bist also noch immer Feuer und Flamme."
Parr: "Absolut. Und ich kann es nicht abwarten, zu sehen, wie Williams 2013 abschneidet. Ich glaube, es gibt allen Grund dazu, zu glauben, dass sie in einigen Monaten noch stärker zurückkehren."

Frage: "Was treibst du solange?"
Parr: "Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe mir finanziell keinen Gefallen getan, als ich Williams verlassen habe. Ich habe die Entscheidung auf Grundlage dessen getroffen, dass ich es für nötig und richtig gehalten habe. Für den Broterwerb bin ich als Berater tätig. Ich habe ein Buch geschrieben und damit begonnen, meinen Ph. D. (anglo-amerikanischer Doktorgrad, der berechtigt, an einer Universität zu lehren, Anm. d. Red.) zu machen. Das ist natürlich nichts für den Lebensunterhalt, aber etwas, was ich schon lange wollte."

"Ich habe mir finanziell keinen Gefallen getan, als ich Williams verlassen habe" Adam Parr

Frage: "In Jura?"
Parr: "Nein, ich kehre zu meinen Wurzeln zurück: Literatur und Geschichte."

Die Krux mit der deutschen Sprache

Frage: "Du hast es also nicht in Erwägung gezogen, in deiner Abschlussarbeit EU-Recht zu thematisieren?"
Parr: "Absolut nicht."

Frage: "Warum hast du ein Cartoon-Buch geschrieben?"
Parr: "Ich wollte nicht einfach nur meine Erinnerungen zu Papier bringen. Das machen ohne Ende Leute. Ich wollte einen ganz bestimmten Aspekt eines Themas aufgreifen. Ich wollte Menschen einen Einblick geben, wie es ist, ein Formel-1-Team zu leiten, was sie nicht wissen können. Jeder sieht die Rennen, aber sie haben keine Ahnung, was hinter den Kulissen los ist. Davon wollte ich berichten. Ich dachte auch, dass so etwas interessant wäre, weil es zuvor noch niemand gemacht hatte."

"Es folgt einem bestimmten Erzählstrang fünf Jahre lang. Im Gegensatz zu einer Autobiografie, wie sie Jackie (Stewart, Anm. d. Red.) veröffentlicht hat, wo es ein Kapitel über das Stewart-Team gibt. Ich dachte also an die Idee: 'Hier ist eine Fünf-Jahres-Geschichte, die davon handelt, ein Formel-1-Team zu führen'. Was den Comic-Stil angeht, habe ich mir nur überlegt, dass es ein sehr visueller Sport ist. Ich wollte die Leute sehen lassen, was ich gesehen habe. In allen Farben und Schattierungen, der Visualität des Sports. Ich konnte nicht alles einfangen, aber ich dachte, es sei für die Menschen interessant zu sehen und zu lesen."

Frage: "Comicbilder machen es einfacher, Dinge zu übersetzen? Hat das eine Rolle gespielt?"
Parr: "Nein, sie machen es viel schwieriger, weil es physische Grenzen gibt."

Frage: "Weil es nur die Sprechblasen gibt?"
Parr: "Ja, und versuch' mal, ein deutsches Wort in eine Sprechblase zu bringen."

Frage: "Oh, ja..."
Parr: "Es ist ganz einfach, wenn man eine Geschichte oder ein Buch schriebt. Aber in einem Comic muss der gesamte Text aus einer Fremdsprache in die Illustration eingebracht werden. Ich sage dir, das durchschnittliche deutsche Wort hat ungefähr 150 Zeichen."

Frage: "Ich weiß es."
Parr: "Das ist eine echte Herausforderung - es zum Beispiel auch mit Japanisch zu bewerkstelligen."

Frage: "Also nochmal: Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Italienisch..."
Parr: "Ja, es gibt auch noch eine russische Ausgabe. Aber die kann derzeit noch nicht ausgeliefert werden, weil Amazon nicht in Russland arbeitet."

Frage: "Du hast also einen Vertrag mit Amazon, der mit 'F1 Racing' bezieht sich nur auf die gebundene Ausgabe?"
Parr: "So ist es. Wir haben das als eine Art Joint Venture geplant."

Frage: "Gibt es sonst noch etwas?"
Parr: "Nein. Ich denke, es war ein interessantes Gespräch. Daraus wird sich schon eine Geschichte stricken lassen."