• 27.02.2009 21:12

Parr: So profitiert man als Privatteam von der Krise

Williams-Geschäftsführer Adam Parr erläuterte beim Medientag unter anderem die Finanzlage des Teams und seinen Ansatz bei der Sponsorensuche

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Sie haben gestern gesagt, dass das Team in den vergangenen Jahren Schulden gemacht hat, diese aber ausgleichen will. Was haben Sie damit gemeint?"
Adam Parr: "Ich meinte, dass wir das wegen der Ausgaben unserer Mitbewerber gemacht haben... unsere Konten sind recht öffentlich analysiert worden, aber wenn man sich die vergangenen zwei, drei Jahre anschaut, dann sieht man, dass wir mehr ausgegeben haben, als wir hatten. Das war richtig, denn hätten wir das nicht getan, wären wir einfach nicht mehr bei der Musik gewesen."

Titel-Bild zur News: Adam Parr

Williams-Geschäftsführer Adam Parr sieht das Team gut gerüstet für die Zukunft

"Wenn man sich nun das Budget für dieses und das nächste Jahr ansieht, ist die Situation anders. Wir bewegen uns innerhalb dessen, was wir haben und wie ich gestern sagte, werden wir in diesem und im nächsten Jahr Schulden abbauen. Diese Lage ist natürlich wesentlich befriedigender, aber es zeigt, wie sich die Formel 1 verändert. Wenn sich die Welt da draußen nicht verändert hätte und unsere Mitbewerber nicht unter Druck stehen würden, dann hätten wir diesen unhaltbaren Weg fortsetzen müssen."#w1#

Frage: "In wie weit hängt Ihr Businessplan von den Kosteneinsparungen in den nächsten Jahren ab?"
Parr: "Er basiert nicht auf massiven Einsparungen. Wenn sich das Reglement ändert, werden wir ihn so anpassen, dass wir davon Vorteile haben. Man muss bedenken, dass die größten Einsparungen bisher im Bereich Motor gemacht wurden und wir bauen keine Motoren. Wir hatten großes Glück, dass wir davon profitieren können, ohne dafür schmerzhafte Einschränkungen hinnehmen zu müssen. In anderen Bereichen, wie dem Getriebe, ist unser Programm bereits wesentlich kleiner als bei anderen Teams - obwohl ich denke, dass wir in diesem Bereich auf unsere Technologie recht stolz sein können."

"Wenn sich die Welt da draußen nicht verändert hätte, dann hätten wir diesen unhaltbaren Weg fortsetzen müssen." Adam Parr

"Wir passen unsere Kosten einfach den Regeln an. Auf der anderen Seite haben wir jetzt neue Möglichkeiten. Andere Teams kommen jetzt auf uns zu. Es wäre verrückt, wenn wir unsere Ressourcen noch weiter kürzen würden, denn wir waren immer schon auf einem niedrigeren Niveau und wir machen dabei einen recht guten Job. Deshalb ist Stabilität für uns wichtig."

Frage: "Was bräuchte es, um Firmen wie McDonalds und Coca Cola in die Formel 1 zu bringen?"
Parr: "Für eine Marke wie Coca Cola oder McDonalds wäre wahrscheinlich ein Angebot der FOTA nötig. Sie würden den gesamten Sport dominieren wollen, sie würden nicht nur ein einzelnes Team wollen."

Frage: "Denkt die FOTA darüber nach, koordiniert für alle Teams Sponsoren zu suchen?"
Parr: "Ich denke, Sie sollten zur Pressekonferenz am 5. März kommen."

Den Sponsoren etwas bieten

Frage: "In der Vergangenheit schien es manchmal fast so, als ob sich die Teams mit Bernie Ecclestone einen Wettbewerb um die Streckenwerbung lieferten. Ist nicht in heutigen Zeiten eine etwas strukturierte Herangehensweise der einzige Weg?"
Parr: "Die meisten Sponsoren, die Streckenwerbung machen, gehören zu einem Team. Nicht alle, aber die meisten. Wenn wir auf Sponsorensuche sind, bieten wir eine gute Alternative für die Leute, die sich nur für Streckenwerbung interessieren. Ich habe das bei einem unserer Partner gesehen. Wenn man Streckensponsor ist und rund um den Kurs Werbeschilder aufstellt, ist das alles, was man sieht. Aber da schaut keiner hin. Die Leute schauen auf's Auto. Bei dem einem bekommt man nur Darstellung, beim anderen identifiziert man sich mit einem Team."

"Werbeschilder an der Strecke bringen einem keinen sogenannten Markenwert." Adam Parr

"Werbeschilder an der Strecke bringen einem keinen sogenannten Markenwert. Sie sagen nichts darüber aus, was für ein Unternehmen es ist. Sie nennen nur den Namen. Als Formel-1-Team haben wir viel mehr Macht. Bei uns kann man nicht nur seinen Namen zeigen, sondern etwas über sein Unternehmen und seine Marke aussagen. Ich denke, dass es eine natürliche Synergie zwischen und uns Bernie gibt. Aber abgesehen davon sehe ich aus rechtlichen Gründen keine Möglichkeit, dass wir uns hinsetzen und alles ändern. Das könnte uns - oder Frank - wahrscheinlich ins Gefängnis bringen."

Frage: "Wer entscheidet über die Verteilung der Formel-1-Einnahmen, machen das die Teams oder Bernie?"
Parr: "Nein, das ist vertraglich festgelegt."

Viele kleinere Sponsoren bringen mehr Sicherheit

Frage: "Würden Sie jemals wieder Geld von einer Tabakfirma nehmen?"
Parr: "Frank (Williams; Anm. d. Red.) war glaube ich der Erste, der Ende 1999 das Rauchen aufgehört hat (keine Tabakfirma mehr als Sponsor hatte; Anm. d. Red.). Aber das ist an unserem Geschäftsmodell, das wir 2000 aufgestellt haben recht interessant. Wir haben eine ganze Reihe erstklassige Sponsoren. AT&T, RBS, Thompson, Reuters, Phillips, das sind Unternehmen von Weltrang, die sehr gut zusammenpassen. Von dem Geld, das sie in die Partnerschaft einbringen, profitieren alle und es hängt alles zusammen. Wenn man plötzlich ausbricht und ein Sponsoring macht, das da einfach nicht reinpasst, dann gefährdet man das Ganze."

"Wenn man nur einen oder zwei große Sponsoren hat und einer davon geht, dann hat man ein ziemlich großes Problem." Adam Parr

"Wir haben gelernt, und das wird sich hoffentlich in den nächsten Jahren auch zeigen, dass wir mit einem recht guten Modell in eine teife Rezession gehen. Es ist nicht unsere Art, für andere zu sprechen und das mache ich auch nicht. Aber wenn man nur einen oder zwei große Sponsoren hat und einer davon geht, dann hat man ein ziemlich großes Problem. Und vor dieser Situation stehen manche Teams heute. Unser Modell ist breiter gefächert. Wir haben etwa 20 Sponsoren und Bernies Geld, und diese breite Aufstellung hilft in Zeiten wie diesen."

Sorgenkind RBS

Frage: "Die RBS hat sehr schlechte Presse bekommen, ist es für Williams negativ, damit in Verbindung gebracht zu werden?"
Parr: "Die meisten unserer Sponsoren und ihrer Zielgruppen sind nicht in Großbritannien. In Großbritannien steht die RBS im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und der Spekulationen, aber ich würde annehmen, dass das in jedem anderen Land der Welt nicht annähernd so ist. In manchen Ländern hat die RBS vielleicht immer noch ein gutes Image. Keiner unserer Partner stellt da etwas in Frage."

"In manchen Ländern hat die RBS vielleicht immer noch ein gutes Image." Adam Parr

Frage: "Könnten die RBS ohne Warnung aussteigen oder sind die vertraglich verpflichtet, ihr Engagement bei ihnen zu erfüllen?"
Parr: "Wir haben einen Vertrag und der ist bindend. Ich glaube aber nicht, dass sie jemals daran gedacht haben, den Vertrag zu brechen."

Frage: "Haben Sie Bedenken, dass Sportsponsoring im Allgemeinen ein bisschen negativ dargestellt wird?"
Parr: "Es ist ein bisschen komisch, oder? Denn für den Durchschnittsmenschen ist sein Sport mit das Wichtigste im Leben. Und wenn alle aussteigen würden, wenn alle Sponsoren aller Fußballteams und all diese Abramovichs gesagt hätten, 'das war's, ich bin draußen', dann hätten die Leute sehr viel vom den Spaß verloren, den ihnen der Sport bereitet. Ich finde, dass das eine seltsame Einstellung ist."

Herausforderung Sponsorensuche

Frage: "Wird das zum Problem?"
Parr: "Es ist eine große Herausforderung, jemanden als Sponsor für die Formel 1 zu gewinnen", weiß er. "Denn es geht nicht um die Summe, sondern um das Image des Sports und darum, dass diese Entscheidungen immer auf Vorstandsebene getroffen werden. Man muss den Vorstandsvositzenden, den CFO, den Marketingchef und die Mehrheit des Vorstands auf seine Seite bringen."

"Es geht nicht um die Summe, sondern um das Image des Sports." Adam Parr

"Und wenn es nur um 5 Pfund gehen würde, wäre es dasselbe, weil die Formel 1 ein so intensives Image hat. Ich denke nicht, dass mein Job, dem Team Geld einzubringen, heute schwieriger ist als vor ein oder zwei Jahren. Wir führen heute genauso viele gute Gespräche wie vor zwölf Monaten und die Leute sind immer noch genauso engagiert und es ist immer noch genauso wahrscheinlich, dass sie an Bord kommen. Aber es ist schwierig."

Formel 2 als potenzielles Zubrot

Frage: "Hat der Formel-2-Deal auch beim Budget für die Formel 1 geholfen oder ist das etwas Separates?"
Parr: "Ich denke, dass er langfristig helfen könnte. Ich glaube nicht, dass er auf dieses Jahr großen Einfluss hat. Aber Jonathan Palmer ist ein sehr kluger Geschäftsmann und ich denke, dass es wirkliches Potenzial hat. Wir sind kommerziell nicht an der Saison beteiligt, aber uns gehört der Entwurf des Autos und wir dürfen in zukünftigen Saisons Joint Ventures mit ihm eingehen. Deshalb hoffen wir, dass es gut läuft. Er stellt das Auto am Montag in Brands Hatch vor."

"Aber man würde nie freiwillig weniger Leute haben als nötig sind, um konkurrenzfähig zu sein." Adam Parr

Frage: "Das bisherige Honda-Tean hat über 700 Mitarbeiter und wird wahrscheinlich massiv Stellen kürzen. Was wäre das Minimum, um erfolgreich sein zu können?"
Parr: "Beim heutigen Reglement würde ich sagen, etwa 500 Leute. Wenn man gewinnen will, wird man jeden verfügbaren Cent ausgeben und das Wichtigste ist das Personal, also geht dort das Geld hin. Wenn Honda nächstes Jahr 200 Leute hat und wir 500, dann liegt das nur an dem, was sie zur Verfügung haben und was wir ausgeben können. Aber man würde nie freiwillig weniger Leute haben als nötig sind, um konkurrenzfähig zu sein."

Frage: "Einer der Punkte, der beim Thema USF1 angesprochen wurde, ist dass es derzeit kein Rennen in Nordamerika gibt. Besteht die Chance, dorthin zurückzukehren?"
Parr: "Ich denke, es hat bei Bernie hohe Priorität, wieder ein Rennen in Amerika zu haben."

Frage: "Besteht die Chance schon 2010?"
Parr: "Ich denke, er versucht es."

Zuversicht in Sachen Honda-Team

Frage: "Hatten Sie viel Kontakt zu Nick Fry, seit Honda im Dezember den Ausstieg bekanntgegeben hat?"
Parr: "Ich habe seine liebenswerte Partnerin in Lenham getroffen, als ich mit meinen Kindern spazieren war. Aber vielleicht war das nicht das, was Sie interessiert hat. War es das, was Sie wissen wollten?"

"Wenn der Honda-Mutterkonzern nicht seriöse Möglichkeiten gesehen hätte, hätten sie den Laden einfach dicht gemacht, oder?" Adam Parr

Frage: "Wird auch jemand von Honda bei der FOTA-Pressekonferenz sein?"
Parr: "Ja, ich denke, dass Ross Brawn da sein wird. Wie Frank denke ich, dass sie es schaffen werden. Die Tatsache, dass sie immer noch reden, ist wichtig. Wenn der Honda-Mutterkonzern nicht seriöse Möglichkeiten gesehen hätte, hätten sie den Laden einfach dicht gemacht, oder? Die Tatsache, dass vier Wochen vor dem Saisonstart immer noch gesprochen wird muss bedeuten, dass Honda die gemachten Vorschläge sehr ernst nimmt."

Frage: "Sie hatten in der Vergangenheit selbst mit Honda zu tun - das ist kein Hersteller, der zögern würde, einfach hinzuschmeißen und Goodbye zu sagen, oder?"
Parr: "Wenn man sieht, was weltweit in der Autoindustrie vor sich geht, ist es nicht gerade die drastischte Maßnahme, ein Formel-1-Team zu schließen - oder besser gesagt, sich davon zu trennen."

Die FOTA und die große Einigkeit

Frage: "Sind sie überrascht, wie groß die Einigkeit innerhalb der FOTA noch ist?"
Parr: "Ich denke, dass das in den vergangenen sechs bis neun Monaten gewachsen ist und es scheint sehr gut zu funktionieren."

"Manche Teamchefmeetings, bei denen ich war und bei denen Bernie den Vorsitz hatte, sind weniger gut abgelaufen." Adam Parr

Frage: "Das Ganze muss sich sicher dann bewähren, wenn sich die Wirtschaft erholt und wenn die Einzelinteressen wieder in den Vordergrung rücken? Man kann befürchten, dass sich bei den Meetings in vier oder fünf Jahren keine zwei Leute über irgendetwas einig sind. Bisher muss man sich ja einigen, oder?"
Parr: "Vielleicht sind diese Leute einfach vernünftiger. FOTA-Treffen verlaufen sehr, sehr gut. Alle Arbeitsgruppen arbeiten wie in der normalen Welt. Ich muss eigentlich sagen, dass manche Teamchefmeetings, bei denen ich war und bei denen Bernie den Vorsitz hatte, weniger gut abgelaufen sind... Aber es ist etwas anderes, denn die FOTA ist eine Gruppe von Leuten, die weitgehend die gleichen Interessen haben."

Frage: "Funktioniert es wie eine Art Aufsichtsrat für die Formel 1?"
Parr: "Es ist wie ein Betriebsratstreffen. Nein, das war nur Spaß. Es ist nicht wirklich ein Aufsichtsrat, es ist eher eine Gruppe von Leuten, die recht eindeutig die gleichen Interessen haben, zusammenkommen und versuchen, sinnvoll zu arbeiten."

Frage: "Thema Superlizenz. Bei euch bezahlt das Team die Gebühr..."
Parr: "Wir nehmen kein Geld von ihnen. Wir zahlen einfach die Gebühren, Punkt. Sie sind bezahlt."

Frage: "Wäre es ein Problem, wenn sie sich dem Protest anschließen würden?"
Parr: "Nein, ich denke, dass sie auf eigenen Füßen stehen, oder? Sie machen das, von dem sie denken, dass es richtig ist und wir reden ihnen da nicht herein."