• 21.09.2008 08:21

  • von Roman Wittemeier

Olivier Panis und die Einsamkeit des Siegers

Ex-Formel-1-Pilot Olivier Panis über die neuen Grand-Prix-Sieger 2008 und die Entwicklungen in der Königsklasse

(Motorsport-Total.com) - "Mir geht es immer gut", sagt der zurückhaltende ehemalige Formel-1-Star, der seit seinem Abschied aus der Königklasse sichtbar an Volumen zugelegt hat und einen herrlich ausgeglichenen Eindruck macht, zur Begrüßung. Der herrlich ausgeglichene Eindruck überrascht ein wenig, denn Oliver Panis hatte in dieser Saison häufig das, was man umgangssprachlich als die "Seuche" bezeichnet...

Titel-Bild zur News: Olivier Panis

Freut sich über Spannung und Abwechslung in der Formel 1: Olivier Panis

Im Jahr 2008 ging bislang vieles schief, was sich der ehemalige Formel-1-Pilot vorgenommen hatte: Als Teamchef der französischen A1GP-Mannschaft erlebte er traurige Rennwochenenden und musste mit ansehen, wie sein Team binnen weniger Wochen von Rang eins auf den undankbaren vierten Platz zurückfiel. Bei seinem ersten Auftritt beim legendären 24-Stunden-Rennen in Le Mans legte sein Teamkollege Marcel Fässler den schnellen Prototypen heftig in die Leitplanken - das Aus! Panis musste auch in diesem Fall das Geschehen tatenlos mit ansehen.#w1#

Viele Erinnerungen an eigenen Grand-Prix-Sieg

Genau diese Situationen sind es, die dem 41-Jährigen noch einmal die Bilder vom 19. Mai 1996 ins Gedächtnis rufen. Der erste und einzige Sieg in der Formel-1-Karriere des Franzosen, ausgerechnet beim glamourösen Grand Prix in Monaco. "Es war einfach ein schöner Moment. Jedes Mal, wenn ich daran zurückdenke, dann spüre ich noch mal dieses ganz spezielle Gefühl", erinnert sich der dreifache Vater aus Lyon. Wiederholen konnte er seinen grandiosen Erfolg nie wieder, im Gegenteil: Seit dem Sieg im Fürstentum ging es bergab. Es folgten eine schwere Verletzung beim Rennen in Kanada 1997, die Pleite seines Arbeitgebers Prost, aussichtslose zwei Jahre im BAR-Honda und anschließend noch harte Aufbauarbeit im damals noch jungen Toyota-Team.

Olivier Panis

Olivier Panis 2008: Debüt beim Klassiker in Le Mans mit dem Team Oreca Matmut Zoom

Daher blieb der Moment des Sieges aus Monaco für alle Zeit haften: "Bei mir war es so, dass ich mich fantastisch fühlte. Ich dachte in dem Moment eigentlich, ich wäre allein auf der Welt. Man ist erfolgreich und versucht es zu genießen. Das ist ganz schwer zu beschreiben, weil das extrem emotional ist. Man arbeitet viele Jahre auf dieses Ziel hin, irgendwann einmal die Linie als Sieger zu überqueren. Wenn man dann die karierte Flagge sieht, dann fühlt man sich gut. Man merkt sofort, dass man etwas Fantastisches geschafft hat. Man will dann aber natürlich sofort immer weiter siegen", lässt Panis in unerwarteter Offenheit seine Umwelt an den Emotionen dieses Augenblicks teilhaben.

Ansonsten gilt der stolze Franzose ("Es ist für mich ganz besonders, die französischen Farben in der A1GP-Serie vertreten zu dürfen") als ein solider Arbeiter - zurückhaltend, wenig emotional und fast medienscheu. Genau diese Charaktereigenschaften erinnern stark an den neuen Star der Formel 1. Robert Kubica - neben Youngster Sebastian Vettel einer der neuen Grand-Prix-Sieger 2008 - betrachtet den Rummel um seine Person ebenfalls mit gleichgültiger Gelassenheit. Im Grunde sind die beiden charakterliche Halbbrüder.

Das seltsame Gefühl des Siegers

"Ach ja, das ist wirklich nicht einfach zu beschreiben. Ich glaube schon, dass er irgendwie ein starkes Gefühl in sich hat, welches er nicht so richtig einordnen kann. Aber das wird ihn noch stärker machen", versucht Panis einen Einblick in die Kubica-Gedankenwelt zu geben. "Ich glaube, allein diese Gewissheit, ein Formel-1-Rennen gewonnen zu haben, lässt die späteren Aufgaben irgendwie einfacher erscheinen. Ich glaube er wird so viel Kraft daraus ziehen, dass er noch viele Erfolge feiern wird. Da kommen noch mehr Siege."

"Man merkt sofort, dass man etwas Fantastisches geschafft hat." Olivier Panis

Und genau dort liegt der wahrscheinlich entscheidende Unterschied der beiden: Der ehemalige Pilot konnte seinen Glanzpunkt nicht wiederholen. Panis blieb ein motorsportliches "One-Hit-Wonder", das sich in guten und schlechten Momenten immer wieder auf diesen einen Moment besinnt und seine Kraft daraus zieht. Die Verbindung zur Königsklasse riss nie ab, viele Freunde im Fahrerlager blieben in regelmäßigem Kontakt zum Franzosen: "Ich sehe mir alle Rennen an, wenn ich es zeitlich irgendwie hinbekomme."

Die aktuellen sportlichen Entwicklungen in der Formel 1 anno 2008 machen dem 158-fachen Grand-Prix-Teilnehmer viel Freude. "Ich freue mich für Robert und Nick und auch für die BMW-Mannschaft sehr, dass sie weiter nach vorne gekommen sind. Die machen einfach einen tollen Job. Seitdem sie das Team von Sauber übernommen haben, machen sie in jeder Saison deutlich Schritte nach vorne. In diesem Jahr sind sie schon sehr konstant in den Top 3 und das freut mich einfach. Sie haben das wirklich verdient."

Frischer Wind in der Formel 1

Endlich habe die Formel 1 das bekommen, was sich Fans in aller Welt seit Jahren wünschten: mit BMW und Toro Rosso gleich zwei Mannschaften, die der Szene neuen Wind verschaffen. "Wir alle haben doch vor Beginn der Saison einen Fight zwischen McLaren-Mercedes und Ferrari erwartet. Schon am Abend nach dem ersten Rennen haben wir dann aber festgestellt, dass BMW extrem nah dran ist. Es ist doch bisher eine ganz tolle Saison für alle."

Olivier Panis

Olivier Panis 2006: Der Franzose war Entwicklungsfahrer bei Toyota Zoom

Was Panis noch fehlt, ist eine neue Initialzündung aus seinem Heimatland. Zwar sei man nach Jahren der Flaute endlich wieder in der Grand-Prix-Szene mit einem Piloten vertreten, doch von den Glanzzeiten der "Grande Nation" in der Königsklasse sei man noch viel zu weit entfernt, meint der Wintersport-Fan, der sich mit seiner Familie in Grenoble niedergelassen hat: "Wir haben mit Sébastien Bourdais im Toro Rosso einen Piloten in der Formel 1. Ich bin aber nicht sicher, wann wir mal wieder einen Franzosen in einem Topteam sehen werden, der dann ähnlich wie Alain Prost um die Meisterschaft kämpfen, oder wenigstens mal wie Jean Alesi oder ich um Siege fahren kann. Ich habe wirklich keine Ahnung. Wir haben ein paar ganz gute Jungs in verschiedenen Kategorien, aber ich sehe irgendwie keinen, der ihnen eine echte Chance geben kann. Und das ist der entscheidende Punkt."

Bourdais habe lange auf eine Chance in der Formel 1 warten müssen und laufe nun eventuell Gefahr, seinen Platz schnell wieder zu verlieren. Die Konstellation im Toro-Rosso-Team sei für den französischen Neuling nicht gerade glücklich, denn die wahre Stärke von Bourdais käme nicht entsprechend zum Vorschein, meint Panis: "Das ist schwierig zu beurteilen, weil er sich in den Rennen gar nicht mit anderen, sondern nur mit seinem Teamkollegen messen konnte. Ich glaube, Sebastian Vettel macht einen extrem tollen Job und hat gegenüber Sébastien einige Vorteile. Ich hoffe für meinen Landsmann, dass er zum Ende der Saison regelmäßig gute Ergebnisse einfahren kann, damit er auch in der kommenden Saison weiterhin in der Formel 1 sein kann. Das lässt sich zurzeit noch nicht so richtig abschätzen."

Die Situation berge auch dahingehend Gefahr, weil das Team anteilig zum Verkauf stehe und man die Zukunft noch gar nicht abschätzen könne. Ohnehin sei er gespannt, wie sich die Königsklasse des Motorsports weiter entwickeln werde. Der immer noch andauernde Kampf um ein neues Concorde-Agreement, die nach wie vor wenig konkreten technischen Pläne für die kommenden Jahre und vor allem der monatelange Streit um die Affäre um FIA-Präsident Max Mosley seien ein klarer Hemmschuh im Jahr 2008 gewesen. Panis allerdings winkt beim Thema Mosley nach kurzer Zeit lächelnd ab. Es tangiert den ehemaligen Grand-Prix-Sieger ohnehin nur am Rande - ganz nach seinem Motto: "Mir geht es immer gut."