• 02.05.2025 13:16

  • von Heiko Stritzke, Co-Autoren: Mark Mann-Bryans, Emily Selleck

Ocon versteht Hamilton: Ferrari-Autos funktionieren anders als Mercedes

Lewis Hamiltons Schwierigkeiten bei Ferrari sind für Esteban Ocon keine Überraschung - Der Franzose musste sich selbst über den Winter umstellen

(Motorsport-Total.com) - Der Wechsel zu Ferrari läuft für Lewis Hamilton bislang alles andere als reibungslos. Seit seinem Überraschungssieg im Sprintrennen in China findet der siebenmalige Weltmeister keinen Rhythmus mehr. Zuletzt dämpfte er die Erwartungen seiner Fans sogar und sprach offen davon, dass sich in diesem Jahr kein Durchbruch mehr ankündigt.

Titel-Bild zur News: Zwei Fahrer mit demselben Problem: Esteban Ocon kann Lewis Hamiltons Schwierigkeiten gut nachvollziehen

Zwei Fahrer mit demselben Problem: Esteban Ocon kann Lewis Hamiltons Schwierigkeiten gut nachvollziehen Zoom

Der Wechsel ist in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung - nicht nur wegen der hohen Erwartungen, sondern auch wegen der grundlegend anderen Fahrzeugphilosophie. Esteban Ocon kann das nachvollziehen: Der von Alpine zu Haas gewechselte Franzose sieht Parallelen zu seinen eigenen Erfahrungen und warnt davor, den Anpassungsprozess zu unterschätzen.

"Ich denke, es ist sehr schwierig. Besonders, wenn man die Philosophie des Autos wechselt", sagt Ocon über die Schwierigkeiten Hamiltons. "Der Ferrari hat viele Eigenheiten, und ich kann mich auf gewisse Weise in Lewis hineinversetzen. Ich bin früher auch einen Mercedes [bei Racing Point/Force India] gefahren - das ist eine ganz andere Art, das Potenzial aus dem Auto herauszuholen."

Langjährige Mercedes-Erfahrung als Nachteil?

Tatsächlich kämpft Hamilton auch nach fünf Rennwochenenden noch mit dem SF-25. Nach seinem Eindruck verschlechtert sich das Fahrverhalten sogar, wenn man versucht, durch Set-up-Änderungen Fortschritte zu erzielen. Anpassungen scheinen für ihn bei Ferrari derzeit ein Nullsummenspiel zu sein, oder schlimmer.

Ocon glaubt, dass viele unterschätzen, wie tiefgreifend solche Unterschiede sein können - gerade für einen Fahrer wie Hamilton, der über Jahre hinweg eng mit der Mercedes-DNA verwachsen war. Die große Erfahrung könnte in solchen Fällen eher Nach- als Vorteil sein.

"Mit unserer Erfahrung ist es fast schwerer, sich umzustellen", sagt Ocon. "Wenn man aus dem Nachwuchsbereich kommt, lässt man alles Gelernte hinter sich und passt sich einfach an. Aber wenn man ein Auto über viele Jahre in- und auswendig kennt, dann ist der Umstieg deutlich komplexer."

Oder liegt es an der Fahrzeuggeneration?

Doch Hamiltons Probleme sind nicht neu. Seit Einführung der Ground-Effect-Autos 2022 tut sich der Brite schwerer als zuvor - auch bei Mercedes. Ein Kontrast zu seiner Form aus dem Spätherbst 2021, als er sich in den letzten vier Saisonrennen nahezu in Ekstase fuhr, was sogar Toto Wolff die Sprache verschlug. Bis zur berühmten Safety-Car-Phase nach dem Latifi-Abflug in Abu Dhabi.

"Es gibt nur noch eine richtige Art, diese Autos zu fahren", zeigt Ocon auf, der den Generationswechsel ebenfalls selbst erlebte. Ocon weiter: "Sie verzeihen nicht mehr so viel wie früher. Die Reifen neigen zum Untersteuern, die Autos sind hart abgestimmt und bocken. Du musst den einen Weg finden - und den dann durchziehen."

Diese Sichtweise teilt auch Carlos Sainz, der bereits in der Vergangenheit betont hatte, dass es in der aktuellen Fahrzeuggeneration kaum noch Spielraum für individuelle Stilrichtungen gibt. Die aktuelle Generation ließe sich nur auf eine ganz bestimmte Art fahren und nicht mehr auf zwei oder drei Arten wie die Fahrzeuge von 2017 bis 2021.

Leclerc: Lewis wird seinen Weg finden

Teamkollege Charles Leclerc springt Hamilton zur Seite. "Es ist immer schwierig, wenn man zu einem neuen Team kommt - neue Systeme, neue Arbeitsweise, neue Abläufe", sagt der Monegasse. "Ich konzentriere mich auf mich selbst, aber ich bin sicher, Lewis wird seinen Weg finden."

Leclerc fährt seit sieben Jahren für Ferrari - vieles, was für Hamilton fremd wirkt, ist für ihn selbstverständlich. Doch auch er musste sich 2025 auf das neue Auto neu einstellen: "Wir sind dieses Jahr in sehr extreme Set-up-Richtungen gegangen, und ich musste meinen Stil anpassen, um das Beste aus dem Auto herauszuholen."

Zugleich lobt Leclerc, wie sehr Hamilton mit seinem anderen Ansatz intern für frischen Input sorgt, etwa im Simulator oder bei der Analyse. Hamilton wiederum betont, wie offen und kooperativ das Team mit seinen Rückmeldungen umgeht, macht aber keinen Hehl daraus, dass er sich im Ferrari nach wie vor nicht zu Hause fühlt.

Mit dem Sprintsieg in China hat Hamilton zumindest einen Erfolg, den ihm keiner mehr nehmen kann

Mit dem Sprintsieg in China hat Hamilton zumindest einen Erfolg, den ihm keiner mehr nehmen kann Zoom

Der Sieg im China-Sprint zeigt das: "Lewis war für das Sprint-Qualifying und das Sprintrennen einfach im richtigen Fenster und hat alles zusammengebracht, während andere noch gestrauchelt haben. Doch schon im Qualifying am selben Tag hatten wir plötzlich die Probleme."

Klar ist: Der Umstieg vom Mercedes auf den Ferrari ist kein simpler Markenwechsel. Es ist ein vollständiger Systemwechsel - und damit eine Aufgabe, die sich auch für einen Champion wie Hamilton als langwieriger Prozess entpuppen kann.

Ob er das Rätsel knackt oder der Ferrari-Wechsel Michael Schumachers Comeback 2010 ähnelt, der bei Mercedes nie einen Grand Prix gewann, bleibt abzuwarten. Esteban Ocon jedenfalls glaubt an ihn und auch an sich selbst: "Ich weiß, es ist nicht leicht - weder für mich, noch für Carlos, noch für Lewis. Aber wir werden unsere Wege finden. Lewis auch."

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