Newey: Der letzte Dinosaurier der Formel 1

Adrian Newey hat in der Formel 1 schon mehrmals WM-Autos gebaut - Ein Blick auf die Vergangenheit und die Arbeitsmethoden des Designers

(Motorsport-Total.com) - Adrian Newey gilt seit fast 20 Jahren als der beste Designer im Formel-1-Zirkus. Der Brite hat mit Williams und McLaren WM-Titel gewonnen und nun Red Bull zum besten Auto im Feld gemacht. Doch in der hochmodernen Königsklasse gilt der 51-Jährige als letzter "Dinosaurier" der alten Zeit. Er arbeitet nach wie vor mit dem Zeichenbrett und lässt sich von zahlreichen Computersimulationen nicht täuschen. In seiner langen Karriere hat Newey bereits viel erlebt.

Titel-Bild zur News: Adrian Newey (Technischer Direktor)

Adrian Newey gilt als der brillianteste Designer in der Formel 1

"Ich denke ich bin einzigartig, oder der letzte Dinosaurier, wenn man so will", wird Newey vom 'Guardian' zitiert. "Ich hatte sehr viel Glück. Ich bin einer der letzten Ingenieure, die bereits im Motorsport involviert waren, als alles noch nicht so aufgeblasen war und man sich mit den verschiedensten Bereichen befasst hat. In meinen jungen Jahren bei March war ich bei den Grand Prix Renningenieur, unter der Woche ein Zeichner im Konstruktionsbüro und manchmal auch ein Analyst im Windkanal. Heute ist es für die Leute schwierig, sich in allen Bereichen zu engagieren."#w1#

Von March wechselte Newey zu Williams und gewann seine ersten WM-Titel. Danach folgte die erfolgreiche Zusammenarbeit mit McLaren-Mercedes, bis schließlich Red Bull seine Fühler nach dem Stardesigner ausstreckte. Patrick Head, der damals technischer Direktor bei Williams war, meint über seinen ehemaligen Weggefährten: "Adrian ist ein gerissener und cleverer Designer. Als er für uns arbeitete war das ein Plus. Als er bei einem anderen Team war, war das ein Minus. Wenn man beides zusammenzählt war er ein großer Verlust."

Trotzdem war die Zeit bei Williams nicht nur von Erfolg gekrönt, Der tödliche Unfall von Ayrton Senna in Imola 1994 traf das Team hart. "Damals habe ich mich ernsthaft gefragt, ob ich in der Formel 1 weitermachen will", so Newey gegenüber 'Auto Motor Sport'. "Wäre der Unfall Resultat eines Konstruktionsfehlers gewesen, hätte ich aufgehört. Doch alle Datenaufzeichnungen zeigen, dass Ayrtons Auto übersteuerte. Das passiert nicht, wenn - wie überall vermutet - die Lenksäule bricht. Deshalb habe ich weitergemacht."


Fotos: Red Bull, Großer Preis der Türkei


Newey verließ Williams 1996 in Richtung McLaren, weil er mehr Kontrolle im Team haben wollte. 1997 konnte Williams noch beide Titel gewinnen, doch seitdem läuft das Traditionsteam, abgesehen von einem kurzen Hoch mit BMW, den alten Erfolgen hinterher. Gleich das erste Newey-Auto bei McLaren gewann 1998 den WM-Titel. Wohlgemerkt nach einer großen Reglementänderung. Doch auch bei den Silberpfeilen war nach dem MP4/18-Flop und den ständigen Niederlagen gegen Ferrari die Luft heraußen.

Red Bull bot dem Querdenker ein neues Umfeld, das er nach seinen Wünschen gestalten konnte. Teamchef Christian Horner sagt über die Anfangszeit: "Als Adrian zu uns kam waren wir noch nicht bereit für ihn. Williams und McLaren waren etablierte Teams. Wir hatten nicht die gleiche Infrastruktur wie sie, es war wie ein weißes Blatt Papier. Einige Leute haben ihm gesagt, dass er verrückt ist, wenn er zu uns kommt, aber er hat es jetzt allen gezeigt."

Mark Webber

Der Red Bull RB6 ist der aktuelle Genieblitz von Adrian Newey Zoom

In allen sieben bisherigen Rennen stand ein RB6 auf der Pole Position und gilt als das stärkste Fahrzeug im Feld. Ständig gibt es Weiterentwicklungen. "Ich versuche ein bestimmtes Problem in mich aufzusaugen, indem ich mir die Resultate ansehe, den Fahrern zuhöre und das Problem am Computer betrachte", beschreibt Newey seinen Arbeitsprozess. "Ich versuche zu verstehen, wie das Auto mechanisch und aerodynamisch arbeitet und welches Problem vorliegt. Wenn das in meinem Unterbewusstsein gespeichert ist, kommt mir in den folgenden Tagen plötzlich eine Idee." Klingt einfacher, als es eigentlich ist.

Red Bull gibt Newey alle Freiheiten, die er braucht, um auf die blendenden Genieblitze zu kommen. "Zwei Tage die Woche arbeite ich von zu Hause aus", so der 51-Jährige. "Das nehme ich mir heraus, um ungestört denken zu können. Tagsüber denke ich viel über die Probleme des Autos nach. In der Nacht verarbeite ich das Ganze dann und morgens unter der Dusche fällt mir plötzlich eine Lösung ein."

Selbst Probleme in der Designphase des RB6 können Newey und seine Mannschaft nicht vom Ziel abbringen. 'Mercedes wollte uns für 2010 zunächst mit Motoren beliefern, hat uns dann aber mit der endgültigen Absage bis November letzten Jahres hingehalten", sagt Helmut Marko. "Dadurch haben wir einen ganzen Monat Entwicklungszeit verloren. Wer weiß, wo wir ohne diese Verzögerung jetzt wären."

"Ich sehe mich selbst in zehn Jahren nicht mehr in der Formel 1, aber ich sehe mich auch nicht am Strand liegen." Adrian Newey

Neben dem beinharten Formel-1-Geschäft ist Newey abseits der Zeichenbretter ein lustiger Zeitgenosse, wie Horner zu berichten weiß. "Kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr haben wir Helmut einen Besuch in Graz abgestattet. Helmut wartet auf uns am Ende einer Allee. Adrian wollte mit dem Auto einen Power-Slide vollführen und krachte gegen einen Baum. Die eine Seite war komplett kaputt. Aber das ist ein typischer Freitagabend mit Adrian."

In seiner Freizeit fährt Newey selbst sporadisch Rennen, obwohl er bereits als Jugendlicher merkte, dass er am Steuer nicht zu den besten zählt. Mit 13 setzte ihn sein Vater in ein Go-Kart. "Er beobachtete, dass die meisten Eltern bestimmten, dass ihre Kinder fahren. Die Sprösslinge wollten das oft gar nicht so sehr, also meinte er zu mir, dass ich meine Entschlossenheit zeigen muss", erinnert sich Newey.

"Also bekam ich ein altes, schwaches Go-Kart. Zusammen mit meinem Fahrstil war ich hoffnungslos unterlegen. Aber ich habe mich dafür interessiert, es zu modifizieren und schneller zu machen. Das hat meine Fähigkeiten am Steuer bei weitem überstrahlt und meinen Karriereweg festgelegt." Das war der Startschuss für den erfolgreichen Designer.

Bleibt die Frage wie lange sich Newey noch den Hexenkessel der Königsklasse antun will. Er hat oft bestätigt, dass Red Bull sein letztes Team sein wird. Doch was kommt danach? "Ich möchte dann etwas tun, das meinen Geist fordert. Ich habe mir Yachten angeschaut, aber dieser Sport scheint mehr asozialer zu sein, als Motorsport. Ich weiß es nicht. Ich sehe mich selbst in zehn Jahren nicht mehr in der Formel 1, aber ich sehe mich auch nicht am Strand liegen. Ein weiterer Rennstall kommt für mich nicht in Frage. Wir haben hier ein gutes Arbeitsumfeld aufgebaut. Red Bull ist ein gutes, ehrliches und technisches Team."