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  • 27.01.2022 14:24

  • von Matt Somerfield, Co-Autoren: Giorgio Piola, Norman Fischer

Neue 18-Zoll-Reifen von Pirelli: Was das für die Formel-1-Teams bedeutet

Pirelli bringt in der Formel-1-Saison 2021 neue Reifendimensionen mit: Was das für die Teams beim Design der Autos bedeutet und ob das Racing besser wird

(Motorsport-Total.com) - Teil des neuen Fahrzeugkonzepts für die neue Formel-1-Saison 2022 sind auch die 18-Zoll-Felgen, die schon seit einiger Zeit immer wieder im Gespräch waren. Reifenhersteller Pirelli musste dafür ein völlig neues Produkt mit einer deutlich kürzeren Seitenwand entwickeln und produzieren.

Titel-Bild zur News: Rie 13- und 18-Zoll-Reifen von Pirelli im Vergleich

Pirelli setzt 2022 auf neue 18-Zoll-Reifen Zoom

Und genau daran werden sich Teams und Fahrer wohl am meisten gewöhnen müssen, wenn es um das Reifenverhalten verglichen mit dem Vorgänger geht.

Erstens wird die Sicht des Fahrers stärker beeinträchtigt als bisher. Nicht nur die Felgen wurden im Durchmesser vergrößert, sondern auch die gesamten Reifen. Aufgeschraubt sind die neuen Pneus 60 Millimeter größer als bislang. Das macht es natürlich schwieriger, aus dem Auto heraus darüber hinwegzusehen.

Zudem wird die Sicht noch weiter beeinträchtigt, wenn wir den neuen Abweiser hinzuziehen, der darüber befestigt sein wird.

Auch die Aerodynamiker werden durch die Änderungen herausgefordert, denn der Reifen mit dem niedrigeren Profil wird sich anders verhalten als der bisherige Gummi. Das dynamische Verhalten des Reifens führt zu Unbeständigkeiten, die sie unbedingt in den Griff bekommen wollen.

In der jüngeren Vergangenheit wurden eine Reihe von aerodynamischen Tricks angewandt, um den als "Tyre Squirt" bekannten Walg-Effekt abzumildern. Da jedoch viele dieser Features entweder entfernt oder stark eingeschränkt wurden, müssen die Teams neue Wege finden, um mit der daraus resultierenden Veränderung der Steifigkeit und der Seitenwandhöhe des Reifens umzugehen.

Deformierung der Reifen

Die neue Reifen walgen anders als die alten Zoom

Pirelli besitzt schon länger die Aufgabe, den Sport unterhaltsamer zu machen. Dabei wurde der thermische Abbau als eine Möglichkeit erkannt, strategische Unterschiede zwischen den Teams und Fahrern zu schaffen.

Im Rahmen der Überarbeitung hatten die Fahrer jedoch darum gebeten, dass dieser Aspekt weniger in den Vordergrund gerückt wird. Sie wollen freier fahren können, ohne Angst haben zu müssen, die Reifen während eines Rennens so stark managen zu müssen.

In den vergangenen Jahren war es üblich, weit unter dem tatsächlichen Potenzial des Autos zu fahren, damit der Reifen nicht überhitzt und ein zusätzlicher Boxenstopp nötig wird. Alles, was der Fahrer während eines Stints tun musste, war, sich an ein Rundenzeit-Delta zu halten. Mit älteren Reifen war man dabei schneller unterwegs, als mit einem zusätzlichen Boxenstopp und frischen Reifen.

Berücksichtigt man dann noch den Zeitverlust, der durch das Überholen von anderen Autos oder Überrundeten entsteht, war die Schildkröten-Taktik plötzlich viel attraktiver als die des Vollgas-Hasen.

Die Herangehensweise von Pirelli an die Entwicklung der neuen Reifen und die Auswirkungen der Neukonstruktion des Autos könnten diese Strategie jedoch verändern.

Die steiferen Reifen mit kürzeren Seitenwänden werden eine neue Konstruktion aufweisen, um einige der Temperaturprobleme zu lösen, mit denen die Teams an der Reifenschulter konfrontiert waren. Das sollte zu einem geringeren Management führen.

Jagd nach Performance

Die Teams haben in der vergangenen Ära hart daran gearbeitet, einige dieser Probleme zu beheben, und haben an zahlreichen Stellen Leistungsreserven gefunden - sei es bei der Strategie für die Reifendecke, dem Design der Felgen, der Bremskanäle oder der Aufhängung.

All diese Elemente müssen für 2022 neu konzipiert werden. Nicht vergessen darf man, dass sich auch die aerodynamische Balance des Autos durch die Umstellung auf ein stärker auf den Unterboden ausgerichtetes Design verändern wird.

Heizdecken für Reifen

Reifen dürfen ab 2022 nicht mehr so stark aufgeheizt werden Zoom

Während die aktuellen Regeln darauf hindeuten, dass Reifendecken ab 2024 endgültig verboten sein werden, besteht die wichtigste Änderung ab 2022 darin, dass die Höchsttemperatur der Decken von 100 auf 70 Grad Celsius gesenkt werden soll.

Das könnte einen Einfluss darauf haben, wie Fahrer aus der Boxengasse fahren oder den Rennstart angehen, da sie vielleicht erst die Reifen aufwärmen müssen, anstatt sofort ihre Temperatur zu managen.

Die Art und Weise, wie die Reifen bearbeitet werden, kann sich jedoch in jedem Fall ändern, denn während viele Teams in den letzten Jahren die Aufhängungselemente erhöht und extremere Pushrod-on-upright-Lösungen verwendet haben, um bei verschiedenen aerodynamischen Bemühungen zu helfen, wurden diese zusammen mit den hydraulischen Lösungen entfernt.

Mercedes-Aufhängung

Die Aufhängung des Mercedes W10 im Detail Zoom

Stattdessen werden die Teams zu klassisch gefederten Aufhängungen zurückkehren, die sich natürlich auf das Verhalten des Autos auswirken und dem Fahrer ein anderes Feedback und Gefühl vermitteln.

Der Wechsel zu BBS als einzigem Felgenlieferanten bedeutet, dass alle Vorteile, die man bei der Kontrolle der Wärmeübertragung zwischen Felge und Reifen hatte, ebenfalls verloren gehen werden. Die großen Kühlrippen, wie man sie in den letzten Jahren bei Mercedes gesehen hat, sind nicht mehr möglich.

Größere Bremsen

Zu beachten ist auch, dass sich die Größe der Bremsscheiben 2022 ebenfalls ändern wird. Der seit 2017 verwendete Standarddurchmesser von 278 Millimeter für die vorderen und hinteren Scheiben wird durch neue Abmessungen ersetzt.

Vorne können die Teams eine Scheibengröße zwischen 325 und 330 Millimeter wählen, während hinten ein Scheibendurchmesser zwischen 275 und 280 Millimeter zulässig ist.

Dimensionen der neuen Bremse

Die Bremsen bekommen ebenfalls neue Dimensionen Zoom

Diese Änderungen haben natürlich Auswirkungen auf das Design der Bremsscheiben und ihre Nähe zu den größeren Felgen, wobei zusätzliche Designüberlegungen auch in das Design des Bremskanals einfließen.

Dies könnte ein Weg sein, auf dem die Teams einige kleine Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten erzielen können.

Aber auch wenn die Möglichkeit, so komplexe Konstruktionen wie in der Vergangenheit zu entwickeln, drastisch eingeschränkt wurde, könnte sich die Übertragung der beim Bremsen entstehenden Wärme immer noch als entscheidend für das Temperaturmanagement der Reifen erweisen.

McLaren-Bremse

McLaren wurde mit dieser großen Bremstrommel gesehen Zoom

Wie aus dem Design des Testträgers von McLaren hervorgeht, besteht die Möglichkeit, die Bremstrommel zu vergrößern, um sie an die Größe anzupassen, so wie man es früher getan hätte. Die Teams könnten jedoch auch die Vorteile einer etwas kleineren Trommel und eines größeren Zwischenraums zwischen ihr und der Felge erkennen.

Während die Vorfreude auf die Saison 2022 steigt und wir die Autos zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, werden wir zweifellos über die verschiedenen aerodynamischen Ansätze schwärmen, die die Teams angesichts der neuen Regeln gewählt haben.

Teams und Fahrer werden dabei aber hoffen, dass sie bei den Aspekten, die die Reifenleistung beeinflussen können, alles richtig gemacht haben.