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Nach Mercedes-Streit: Warum überholst du nicht einfach?!

Teamgedanke, Reifenschonung oder Chancenlosigkeit: Warum entschied sich Nico Rosberg dafür, Lewis Hamilton anzutreiben statt zu attackieren?

(Motorsport-Total.com) - Weltmeisterteam Mercedes hat beim Grand Prix von China nicht nur einen weiteren Doppelerfolg erzielt, sondern auch für die nächste teaminterne Kontroverse gesorgt. Der Streitpunkt: Nico Rosberg wirft Lewis Hamilton vor, ihn vorsätzlich eingebremst und somit das Teamergebnis gefährdet zu haben. Schon während des Rennens hört man daher den Funkspruch: "Lewis fährt sehr langsam, also bringt ihn dazu, schneller zu machen" - eine Aussage, bei der sich viele Fans angesichts eines nicht allzu spannenden Rennens die Frage stellen: Warum überholst du nicht einfach?!

Titel-Bild zur News: Lewis Hamilton, Nico Rosberg

Nico Rosberg ordnet sich auch in China hinter Lewis Hamilton ein Zoom

"Jemanden zu überholen, der genauso schnell ist wie man selbst, oder vielleicht nur ein wenig schneller oder langsamer, ist immer schwierig und es verschafft einem keinen Vorteil, nah dran zu bleiben", erklärt der China-Dritte Sebastian Vettel. "Man verliert an Abtrieb, die Reifen überhitzen und fangen an zu rutschen und man bekommt immer mehr Probleme."

Das seit 2004 im Rahmen der Formel-1-Weltmeisterschaft ausgetragene Rennen auf dem Shanghai International Circuit ist von jeher ein taktisch geprägtes gewesen. Nichts anderes wurde auch vom diesjährigen chinesischen Event erwartet. Grund dafür waren wie so oft die Reifen, die wegen der Streckenbeschaffenheit und der vergleichsweise stets kühlen Temperaturen in Fernost besonderer Behandlung bedürfen.

Reifenangst bestimmt das Rennen

Reifenhersteller Pirelli sagte für den Sonntag eine Zweistoppstrategie hervor. 15 von 16 ins Ziel gekommenen Piloten hielten sich daran. Variationen waren da nur in der Reihenfolge der zu benutzenden Reifenmischungen möglich.

So dominant Mercedes auch in diesem Jahr sein mag, in Schanghai plagten sie die gleichen Reifensorgen, wie dem Rest des Feldes. Seit Malaysia kommt bei den Silberpfeilen zusätzlich die Angst vor taktischer Überlegenheit des erstarkten Ferrari-Teams hinzu. All das führte zu identischen Strategien der ersten vier und schlussendlich zu den teaminternen Problemen bei Mercedes.


Fotos: Mercedes, Großer Preis von Malaysia


Weltmeister Hamilton gab von der Pole-Position aus gestartet das Tempo im Rennen vor. Das war Rosberg vor allen zu Beginn der ersten beiden Stints zu langsam. Seine Sorge: Der immer näher kommende Vettel und die immer stärker abbauenden Reifen, vor allem im Windschatten des Teamkollegen. Doch auch Hamilton wollte seine Pneus nicht unnötig belasten, um seinen Sieg nicht zu gefährden.

Kein Platz mehr für Risiko?

"Nico war wirklich gefangenen in dieser Situation", ordnet Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff die Situation ein. "Denn in dem Moment, indem man auffährt, fangen die Reifen an, an Performance einzubüßen und von hinten drohte Vettel. Im ersten Stint hat er eine Sekunde Abstand zu Lewis gehalten und dann sind ihm die Reifen ausgegangen. Dann fragte er nach und hielt lieber zwei Sekunden Abstand. Beide hätten schneller fahren können, aber der Vordere hat sich entschieden, das nicht zu tun, weil auch er seine Reifen schonen wollte."

Es bleibt jedoch die Frage, warum Rosberg Hamiltons Schongang nicht dazu nutze, einfach einmal unerwartet auf die Tube zu drücken und zum Überholen anzusetzen. "An in den Rundenzeiten kann man sehen, dass Nico die ganze Zeit versucht hat, mit Vettel im Rücken auf Lewis aufzuschließen und das hat nicht funktioniert", antwortet Mercedes-Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda. Eine unbeliebtere Variante lautet: zu viel Risiko - und das nicht nur in Bezug auf die empfindlichen Reifen.

Zu viel Risiko, dass Vettel den Vorteil der zeitweise verlangsamten Mercedes hätte nutzen kommen, um an Rosberg vorbeizugehen und den silbernen Doppelerfolg kaputt zu machen, warf Rosberg Hamilton vor. Zuviel Risiko, dass es zu einem Vorfall wie in Belgien 2014 kommen könnte und es zu einer Berührung der Teamkollegen kommt, hätte man wohl Rosberg vorgeworfen, wenn er das Manöver gewagt hätte. Zu viel Risiko hat offensichtlich keinen Platz mehr an der Spitze der Königsklasse.

Rosberg gibt Social-Media-Antwort

Rosberg antwortete den Fanbeschwerden allerding schon am Sonntagabend direkt in den sozialen Medien. Auf die Frage, warum er nicht um den Sieg gekämpft hat, statt sich zu beschweren, verteidigt er sich in einem Kurzvideo: "Ich respektiere die Meinung und versuche auch Respekt zu zeigen, wenn es nötig ist. Ich kann verstehen, dass es von außen vielleicht nicht so einfach zu verstehen ist, aber ich habe versucht ihn im ersten Stint zu attackieren, was nicht funktionierte. Ich habe nur meine Reifen kaputt gemacht."

"Im zweiten Stint machte es dann keinen Sinn mehr, es noch einmal zu versuchen, denn Vettel war schon nah dran und ich hätte meinen zweiten Platz gefährdet, weil ich meine Reifen zerstört und Vettel die Chance zum Überholen gegeben hätte. Meine einzige Chance auf den Sieg oder ein Überholmanöver wäre am Ende des Rennens gekommen. Darauf hatte ich hinausarbeiten wollen."