Nach dem Saisonauftakt: Patrick Friesacher zieht Bilanz

Im ausführlichen Interview mit 'F1Total.com' spricht der Minardi-Pilot über die ersten drei Rennen, das neue Auto und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Weil Christian Klien bei Red Bull Racing ausgewechselt wurde und Alexander Wurz bei McLaren-Mercedes bestenfalls als Montoya-Ersatz zu Renneinsätzen kommen kann, ist Patrick Friesacher im Moment Österreichs einziger Fixstern am Formel-1-Himmel. Im Interview mit 'F1Total.com' zieht er nach den ersten drei Saisonrennen eine erste Zwischenbilanz.

Titel-Bild zur News: Patrick Friesacher

Patrick Friesacher hat seine ersten drei Formel-1-Rennen bereits hinter sich

Frage: "Patrick, wie sind die ersten drei Rennen für dich gelaufen? Bist du zufrieden damit?"
Patrick Friesacher: "Eigentlich schon. Bevor ich zum ersten Rennen gefahren bin, hatte ich gerade mal 95 Runden in einem Formel-1-Auto auf dem Buckel. Das ist nicht wirklich viel. Dann sind wir noch dazu auch im Freien Training in Australien nicht gefahren. Natürlich habe ich mir deswegen schwer getan, speziell im Qualifying und dann auch im Rennen. Ich habe das Rennen aber beendet und dabei sehr viel dazugelernt."#w1#

"In Bahrain konnte ich locker mit den Jordans mitfahren"

"In Malaysia war es schon viel besser. Da ist mir alles viel leichter gefallen. Ich denke, dass man das im Qualifying auch gesehen hat. Leider habe ich mich im Rennen auf dem Ölfleck von Button gedreht. In Bahrain konnte ich dann am Anfang locker mit den Jordans mitfahren. Ab Mitte des Rennens haben meine Hinterreifen abgebaut. Das war das Hauptproblem. Der Anfang des Rennens war aber sehr gut. Das Qualifying habe ich mir selbst verbockt, denn im ersten und zweiten Sektor sind mir große Fehler unterlaufen. Deswegen war ich dann hinter Albers."

Frage: "War es speziell bei deinem Debüt in Australien auch schwierig, mit den Überrundungen zurechtzukommen?"
Friesacher: "Schon, weil ich daran nicht gewöhnt war. Davor bin ich in den anderen Serien immer vorne mitgefahren, von daher war das eine ganz neue Situation für mich. Natürlich irritiert einen das am Anfang, weil man dadurch abgelenkt wird. Da verliert man ein bisschen die Konzentration, worauf man sich einstellen muss. Man muss auch ständig in den Schmutz fahren, wobei die Reifen dreckig werden. Es dauert dann ein paar Kurven, bis sie wieder sauber sind. Das ist nicht einfach."

Frage: "Was ist dir von den ersten drei Rennen als Höhe- beziehungsweise Tiefpunkt in Erinnerung geblieben? Tiefpunkt wahrscheinlich der Freitag in Australien, nehme ich an..."
Friesacher: "Genau. Höhepunkt war sicher, dass wir am Anfang des Rennens in Bahrain vor den Jordans gefahren sind. Ich konnte den Speed von Monteiro locker mitgehen. Das war überhaupt kein Problem."

Überholmanöver gegen Monteiro eines der Highlights

Frage: "Du hast Monteiro in der zehnten Runde ja sogar überholt. Wie ist das passiert?"
Friesacher: "Er hat sich in der ersten Kurve verbremst. Da bin ich vorbeigefahren. Danach war ich bis zum Boxenstopp eigentlich vor ihm, aber nach dem Boxenstopp begannen die Hinterreifen stark abzubauen. Dadurch habe ich die Position wieder verloren."

Frage: "Du bist einmal schneller, einmal langsamer als Christijan Albers. Das schwankt recht stark. Glaubst du, dass du ihn während der Europasaison in den Griff bekommen wirst?"
Friesacher: "Ja, schon. Am Anfang hat es eben viel Neuland gegeben. Ich musste mich erst einmal mit dem Auto zurechtfinden, aber jetzt geht das schon ganz gut. Bis jetzt bin ich recht zufrieden. Natürlich muss ich aber noch vieles lernen - und je mehr Kilometer ich an Erfahrung habe, desto leichter werden mir diese Dinge fallen."

Über den PS04B: "Man ist ständig am Korrigieren"

Frage: "Was ist dir fahrerisch bisher am schwersten gefallen?"
Friesacher: "Speziell am Anfang, also beim ersten Rennen, war unsere Balance sehr schlecht. Mit unserem Auto kann man derzeit nicht wirklich eine saubere Linie fahren. Man ist ständig am Korrigieren. Das ist das Hauptproblem."

Frage: "Wie schaut es körperlich aus? Stichwort: Nackenmuskulatur."
Friesacher: "Das habe ich nur nach dem ersten Rennen ein bisschen gespürt, ist aber auch gleich wieder weggegangen. Da gibt es jetzt eigentlich überhaupt keine Probleme mehr."

Frage: "Ohne despektierlich klingen zu wollen, fährst du momentan nur um die letzte Startreihe. Ist die Formel 1 so aufregend, dass dir das egal ist, oder ist das schon manchmal ein bisschen frustrierend?"
Friesacher: "Natürlich will man als Rennfahrer immer vorne mitfahren. Man muss aber einmal irgendwo anfangen - und zum Anfangen hätte mir nichts Besseres als Minardi passieren können. Jetzt kann ich schön langsam reifen. Ich lerne von Rennen zu Rennen immer wieder neue Dinge hinzu."

Frage: "Steht schon fest, dass in Imola das neue Auto kommen wird?"
Friesacher: "Das steht fest, ja."

Neuer Minardi sieht doch nicht radikal anders aus

Frage: "Hast du es schon gesehen? Und schaut es wirklich so radikal aus, wie Paul Stoddart sagt?"
Friesacher: "Ich habe es gesehen, ja, aber noch nicht fertig, sondern am Computer. Dass es radikal anders aussehen soll, stimmt nicht, aber es ist trotzdem ein großer Fortschritt für uns. Das jetzige Auto ist vier Jahre alt. Damit kann man nichts mehr gewinnen. Das neue Auto ist halt runder und schöner, aber ich würde nicht sagen, dass es im Vergleich zu den anderen Teams radikal aussieht."

Frage: "Ihr habt mit dem Auto noch keinen Kilometer getestet. Steht vor Imola noch ein Shakedown auf dem Programm?"
Friesacher: "Wir haben nächste Woche vielleicht noch einen Test vor dem Rennen. In der Fabrik wird aber Tag und Nacht gearbeitet, dass das Auto überhaupt fertig wird, also steht das noch nicht fest. Von daher kann es auch passieren, dass wir vor dem ersten Renneinsatz gar nicht testen werden."

Frage: "Angeblich liefert Cosworth 60 PS mehr, dazu kommen Verbesserungen am Chassis. Welchen Zeitsprung erwartest du dir vom neuen Auto?"
Friesacher: "Das ist momentan schwer zu beurteilen. So etwas kann ich erst sagen, wenn ich beim Test zum ersten Mal damit gefahren bin."

Ab Imola kennt Friesacher die meisten Strecken schon

Frage: "Ihr kommt auf Strecken, die du aus der Formel 3000 schon kennst. Macht das für dich einen Unterschied?"
Friesacher: "Eigentlich nicht viel, aber wenn man an eine neue Strecke kommt, hat man nicht viele Runden, um sich darauf einzustellen - speziell mit dem Rundengeiz, der jetzt in der Formel 1 herrscht. Von daher werde ich mir leichter tun, denn ich kenne ab jetzt alle Strecken und kann am Freitag sofort mit der Arbeit beginnen."

Frage: "Freust du dich auf eines der nächsten Rennen besonders?"
Friesacher: "Monaco."

Frage: "Seit deiner Präsentation als Formel-1-Fahrer in Velden sind inzwischen einige Wochen vergangen. Klingelt dein Handy noch immer so oft wie damals?"
Friesacher: "Nicht mehr so oft, aber das Medieninteresse in der Formel 1 ist trotzdem ein ganz anderes als das, was ich bisher aus der Formel 3000 gewöhnt war. Es ist schon mehr geworden, aber wie gesagt, inzwischen hat es sich wieder ein bisschen beruhigt."

"Kontakt mit anderen Fahrern hat man nicht"

Frage: "Ist die Formel 1 prinzipiell so, wie du sie dir vorgestellt hast?"
Friesacher: "Eigentlich schon. Allerdings bekommt man an den Rennwochenenden von dem ganzen Rummel relativ wenig mit, weil alle Fahrer nur mit dem eigenen Team arbeiten und mit den eigenen Ingenieuren beisammen sitzen. Am Abend fährt man dann wieder zurück ins Hotel. Kontakt mit anderen Fahrern hat man nicht."

Frage: "Hast du mitbekommen, wie deine Leistungen im Fahrerlager aufgenommen werden, oder ist dafür einfach zu wenig Kontakt in andere Richtungen da?"
Friesacher: "Momentan bekomme ich davon nicht so viel mit. Die Teamchefs schauen sich das aber auf jeden Fall an und wissen auch, wie unser Auto derzeit beisammen ist. Das bekommen diese Leute schon mit, auf jeden Fall."

Keine Probleme mit dem Sponsoringpaket

Frage: "Angeblich gibt es Probleme mit einem deiner Sponsoren, dem Kärntner Tourismusverband. Kannst du zu diesen Gerüchten etwas sagen?"
Friesacher: "Kärnten hat sowieso nie etwas eingezahlt. Jörg Haider (Kärntner Landeshauptmann; Anm. d. Red.) hat mir dabei geholfen, gewisse Sponsoren zu gewinnen, aber das Land selber hat mich eigentlich nie direkt unterstützt."

Frage: "In Imola ist vielleicht dein Landsmann Alexander Wurz dabei. Hast du ihn schon kennen gelernt und was traust du ihm als Montoya-Ersatz bei McLaren-Mercedes zu?"
Friesacher: "Ich habe mich in Bahrain mit dem Alex unterhalten. Er meinte, dass es im Training kein Problem gewesen sei, im Auto zu sitzen. Die ganze Renndistanz könnte aber mit seiner Größe schon zum Problem werden. Vielleicht finden sie aber etwas, womit sie das noch verbessern können, denn wie man gesehen hat, war er in Bahrain sehr schnell."

"Ich muss mich um meine eigenen Sachen kümmern"

Frage: "Kannst du dich in Christian Klien hineinversetzen, ein guter Bekannter von dir, der sein Cockpit räumen muss?"
Friesacher: "Hineinversetzen? Schwer zu sagen. Ich muss mich um meine eigenen Sachen kümmern. Es ist eine Red-Bull-Entscheidung. Die haben sich halt so entschieden. Dagegen kann man nichts machen."

Frage: "Was machst du jetzt noch vor Imola?"
Friesacher: "Ich bin die meiste Zeit zuhause, trainiere jeden Tag. Dann stehen auch ein paar Sponsorentermine auf dem Programm. Ansonsten ist nicht so viel los."

Frage: "Was heißt Training bei dir? Wie sieht das aus?"
Friesacher: "Großteils Radfahren und Laufen."