• 01.07.2006 18:45

Motorenzukunft: Interview mit Max Mosley

FIA-Präsident Max Mosley beantwortet einige Fragen, um Licht das Dunkel der zukünftigen Motorenregeln zu bringen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Warum streiten sich die FIA und einige Hersteller in der Formel 1 über die Motoren?"
Max Mosley: "Die FIA möchte, dass die Hersteller die Weiterentwicklung der existierenden Motoren stoppen und die Triebwerke auf dem Stand 1. Juni 2006 bis mindestens 2011 einsetzen. Leider wollen vier von ihnen die Weiterentwicklung fortsetzen und die anderen dazu bewegen, dies ebenso zu tun."

Titel-Bild zur News: Max Mosley

Max Mosley wendet sich strikt gegen einen Homologierungskompromiss

Frage: "Warum sollen sie mit der Weiterentwicklung aufhören?"
Mosley: "Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind die Motoren schon viel leistungsstärker als von den Motorenlieferanten prognostiziert. Dadurch sind die Autos schneller als wir erwartet hatten und die Fahrer sorgen sich bereits über die Kurvengeschwindigkeiten. Wenn wir zum anderen damit aufhören, die Motoren in jedem Jahr einige hundert Umdrehungen pro Minuten höher drehen zu lassen (was eine sterile und nutzlose Sache ist, die in keinem Verhältnis zur realen Welt seht), dann können die Automobilhersteller einige sehr talentierte Leute aus der Formel 1 darauf ansetzen, Systeme zur Energiespeicherung und -rückgewinnung, sowie auf kraftstoffeffiziente Motoren anzusetzen. Beide Gebiete sind Hauptströmungen der Automobilentwicklung."#w1#

"Drittens kommt hinzu, dass die derzeitigen Ausgaben von 100 bis 200 Millionen Euro je Hersteller beim Entwickeln eines Formel-1-Motors, der nicht relevant für Straßenautos ist, klarerweise nicht tragbar ist, speziell für Hersteller, die in der Formel 1 nicht erfolgreich sind."

FIA möchte Weiterentwicklung ganz stoppen

Frage: "Warum stimmen dem einige Hersteller nicht zu?"
Mosley: "Sie wollen die Weiterentwicklung fortführen und haben einen Vorschlag gemacht, der den Umfang bei den Verbesserungen der existierenden Motoren einschränkt (das so genannte Monaco-Abkommen), das aber dennoch weitgreifende Weiterentwicklungen erlaubt."

Frage: "Warum wollen sie so etwas?"
Mosley: "Vielleicht, weil viele Leute in ihren Motorenabteilungen arbeiten und sie wollen die Unannehmlichkeiten der Verkleinerung ihrer Belegschaft oder das Versetzen in andere Arbeitsbereiche vermeiden. Zudem glauben einige der weniger erfahrenen Manager in der Formel 1, dass sie einen Vorteil gewinnen können, wenn sie mehr Zeit haben. Sie vergessen dabei, dass die Teams vor ihnen auch nicht stillstehen."

Frage: "Aber ist das Monaco-Abkommen nicht ein guter Kompromiss?"
Mosley: "Nicht wirklich, denn selbst dieses eingeschränkte Programm würde jeden Hersteller 30 Millionen Euro im Jahr und mehr kosten. Nicht alle Hersteller wollen auf diese Weise Geld verschwenden. Zudem wissen die unabhängigen Teams, dass diese Kosten an sie weitergegeben werden und auch sie wollen das Geld nicht nutzlos ausgeben."

Mehr Geld für die Formel-1-Vermarktung?

Frage: "Aber diese 30 Millionen Euro sind gegenüber den jetzigen Ausgaben doch schon große Einschnitte. Sicher, dass dies nicht ein Kompromiss sein kann?"
Mosley: "Erstens wollen wir aus Sicherheitsgründen keine jährlichen Leistungszuwächse. Zweitens sind 30 Millionen Euro oder mehr eine Menge Geld, wenn es im Budget fehlt. Man sollte sich aber auch einen anderen Aspekt anschauen. Wenn die vier abtrünnigen Hersteller in jedem Jahr 30 Millionen Euro oder auch mehr in einen Topf einzahlen, damit die Formel 1 vermarktet werden kann, dann könnten sie sich zwei Rennen im Jahr in den USA leisten und könnten ausreichend Werbung im US-amerikanischen Fernsehen kaufen, um eine landesweite Übertragung von allen Grands Prix zu gewährleisten. Und dann hätten sie immer noch Geld übrig. Ist es nicht Zeit, ein etwas größeres Bild zu sehen?"

Frage: "Aber ist die Weiterentwicklung der Motoren und die Forschung daran nicht grundlegend für einen Hersteller?"
Mosley: "Nein, das ist eine altmodische Ansicht. Heutzutage liegt der Forschungsschwerpunkt bei allen wichtigen Automobilherstellern auf dem Sparen der Energie und dem effizienteren Umgang. Das ist für sie grundlegend - zumindest, wenn sie bestehen wollen. Aber einen Motor schneller als 19.000 Umdrehungen pro Minute drehen zu lassen, ist nutzlos. Es wäre viel besser, ein Formel-1-Programm zu haben, das eine Energierückgewinnung eine Kraftstoffeffizienz besitzt. Für die Formel 1 brächte es den Vorteil, dass die gespeicherte Energie beim Überholen abgerufen werden könnte und so den Rennsport verbessert."

Motorenhomologierung kommt wie geplant

Frage: "Was passiert nun?"
Mosley: "Die Regeln für 2008 stoppen alle Weiterentwicklungen von 2008 bis 2011. Dem hat jeder zugestimmt, der sich im März eingeschrieben hat. Wir können nicht andere und vor allem teurere Regeln einführen, wenn nicht alle Teams zustimmen. Wir haben immer wiederholt, dass wir uns jeden Vorschlag ansehen werden, wenn er von allen eingeschriebenen Teams unterstützt wird. Uns wurde ein einstimmiger Vorschlag vor einigen Wochen versprochen, aber dieser kam nicht.

Frage: "Und was wird längerfristig passieren?"
Mosley: "Die Regeln für 2009 mit einer Energiespeicherung und -rückführung befinden sich derzeit mit den interessierten Teams in der Diskussion. Für 2011 haben wir die Hersteller eingeladen, Vorschläge für einen Rennmotor zu unterbreiten, der durch die Kraftstoffeffizienz limitiert wird, nicht einfach nur durch den in die Jahre gekommenen Hubraum. Der Grundsatz wäre: Je mehr Leistung man aus dem Kraftstoff herausholen kann, z.B. aus der Durchflussmenge des Kraftstoffs, desto konkurrenzfähiger wird man sein. Derzeit ist nur die Frage, wie viel Leistung man aus einem festen Hubraum herauskitzeln kann - eine völlig nutzlose Übung."

Frage: "Wie sieht es 2007 aus?"
Mosley: "Da die Motoren für 2008 vom Stand des 1. Juni 2006 sein werden, würde es Sinn ergeben, eben diese Motoren auch 2007 einzusetzen. Diese existieren bereits und erfordern keine weiteren Entwicklungen. Mit einer derartigen Lösung würden wir ein Sicherheitsproblem vermeiden, eine Menge Geld sparen, und es wäre fair für alle Beteiligten. Momentan diskutieren wir mit den Teams über eine solche Lösung. Es wäre völlig irrational, zwischen dem jetzigen Zeitpunkt und Oktober 2007 mit voller Geschwindigkeit die Motoren weiterzuentwickeln, nur um dann im März 2008 wieder auf den Stand von 2006 zurückbauen zu müssen."

Frage: "Warum lässt man die Teams die Motoren nicht bis Ende 2007 weiterentwickeln und homologiert die Motoren dann?"
Mosley: "Jeder hat sich unter der Bedingung in die Weltmeisterschaft eingeschrieben, dass die Entwicklung der Motoren für 2008 am ersten Juni 2006 beendet ist - das ist genau das, was die Regeln besagen -, und viele Budgets wurden auf dieser Basis festgelegt. Es wäre komplett unangemessen und unfair, jetzt zu versuchen, jeden dazu zu zwingen, große und im Budget nicht vorgesehene Summen auszugeben, um Motoren für diese 15 Monate zu entwickeln. Das ist nicht das, mit dem sich im März alle einverstanden erklärt hatten. Darüber hinaus haben wir ein Sicherheitsproblem, das durch die Motorleistung entsteht. Das wurde seit Silverstone zu einer großen Befürchtung."