• 11.05.2006 13:21

  • von Adrian Meier

Moss: Rennen sind immer mehr von Taktik geprägt

Der frühere Formel-1-Pilot sieht den Trend eines zunehmenden Einflusses der Taktik mit Sorge - Ferrari nach zwei Siegen keineswegs überlegen

(Motorsport-Total.com) - Der Grand Prix von Europa auf dem Nürburgring am vergangenen Wochenende bot ein spannendes Duell zwischen dem amtierenden Weltmeister Fernando Alonso und Rekordweltmeister Michael Schumacher. Auch wenn beide fast über die komplette Renndistanz dicht beisammen lagen, wurde das Rennen erneut nicht durch einen Zweikampf und Überholmanöver auf der Strecke entschieden, sondern durch die Taktik der Teams.

Titel-Bild zur News: Stirling Moss

Stirling Moss hat derzeit Einiges an der Formel 1 auszusetzen

Diese Tatsache stößt dem ehemaligen Formel-1-Piloten Stirling Moss sauer auf: Der Europa-Grand-Prix habe zwar für die deutschen Fans mit dem Sieg von Michael Schumacher beim Heimrennen vielleicht das ideale Ergebnis hervorgebracht, "aber in erster Linie handelte es sich dabei eher um taktisches Kalkül als einen fesselnden Zweikampf auf der Strecke", erklärte er in seiner 'Crash.net'-Kolumne.#w1#

Entscheidung über Siege fällt oft in der Box

Das Ergebnis des Rennens sei zwar auch im Hinblick auf die Weltmeisterschaft gut, jedoch "ist es eine Schande, dass es sich um ein weiteres taktisches Rennen gehandelt hat". Laut Moss stellt dies einen bedenklichen Trend dar, der sich in der Königsklasse des Motorsports derzeit immer mehr abzeichnet: "Die Rennen werden immer mehr von Leuten wie Ross Brawn oder anderen schlauen Gehirnen gewonnen, anstatt auf der Strecke unter den Fahrern." Es sei unglaublich, dass Boxenstopps über Sieg und Niederlage entscheiden können.

Fernando Alonso

Spielen die Boxenstopps eine zu große Rolle in der heutigen Formel 1? Zoom

Doch nicht nur hier sieht Moss eindeutig Verbesserungspotenzial in der Formel 1. Die Strafversetzung von Nico Rosberg und Mark Webber um zehn Plätze in der Startaufstellung aufgrund unerlaubter Motorwechsel hat laut dem Briten erneut gezeigt, dass die derzeitige Motorenregel nicht richtig für die Formel 1 ist: "Nico hat unglaubliches Potenzial und große Klasse, daher ist es wirklich schade, dass er unter dieser dummen Motorenregel zu leiden hatte."

Moss ist ein Gegner der derzeitigen Motorenregel

"Ich hoffe, dass diese Regel zurückgenommen wird, denn ich bin der Meinung, dass es das Schlimmste ist, wenn man ein Team bestraft, nur weil sie viel Druck gemacht haben", erklärte Moss seine Abneigung. Eine Strafversetzung bei einem Schaden in den Trainings würde er befürworten, "aber dass sie mit dem gleichen Motor zwei Rennen bestreiten müssen, ist in einem Sport wie dem unseren unrealistisch, vor allem weil Geld wirklich keine Rolle spielt".

"Es wirklich schade, dass er unter dieser dummen Motorenregel zu leiden hatte." Stirling Moss

Außerdem würde man so auch dem Zuschauer einen Teil der Faszination nehmen, "denn man kann zweifelsohne kein Rennen fahren, wenn man dafür sorgen muss, dass der Motor noch ein weiteres aushält. Das ist nicht gut für das, was wir als Sport bezeichnen - und auch nicht für die geschäftlichen Belange des Motorsports."

Daneben sei er auch nach wie vor nicht mit dem letzten Abschnitt des Qualifyings einverstanden und wünscht sich darüber hinaus neben den normalen WM-Punkten für das Rennergebnis weitere Bonuspunkte, wie sie in der GP2 bereits vergeben werden: "Ich würde nach wie vor gerne einen Extra-Punkt für den Trainingsschnellsten und für den Piloten mit der besten Rennrunde sehen, denn ich denke, dass sie das verdient hätten."

Ferrari ist nicht überlegen

Trotz aller Unzufriedenheit mit diversen Regeln freut sich Moss über den Sieg Ferraris auf dem Nürburgring und blickt zuversichtlich auf den Grand Prix von Spanien auf dem 'Circuit de Catalunya' am kommenden Wochenende voraus: "Es ist gut für die Formel 1, dass ein Traditionsteam wie Ferrari wieder gewinnt, aber natürlich möchten wir nicht, dass dies jetzt wieder ewig so weiter geht, wie es vor einiger Zeit der Fall war."

"Ich glaube wirklich, dass der Ausgang aller Rennen offen ist." Stirling Moss

Allerdings ist Moss davon überzeugt, dass Ferrari nach den Triumphen in Imola und am Nürburgring nicht eine erneute Siegesserie wird starten können: "Ich glaube nicht, dass die Einschätzung, der Ferrari sei derzeit das schnellste Auto in der Formel 1, richtig ist, auch wenn sie natürlich an der Spitze dabei sind." Die Erfolge seien einfach auf die große Erfahrung des Teams und die individuelle Klasse von Schumacher und Brawn zurückzuführen: "Ich denke, deshalb präsentieren sie sich sehr stark, aber ich glaube nicht, dass sie derzeit weit vor allen Anderen liegen."

Denn auch Alonso mache derzeit einen guten Job, man dürfe den Spanier nach zwei verlorenen Rennsiegen keinesfalls abschreiben: "Ich glaube wirklich, dass der Ausgang aller Rennen offen ist." Man müsse nun einfach abwarten, doch schon an diesem Wochenende in Barcelona werde man sehen, wer beim sechsten Saisonlauf die Nase vorn haben wird.