• 17.05.2005 19:09

Monaco: Belastungsprobe für das Getriebe

Ein Formel-1-Getriebe ist für schnelle Gangwechsel konzipiert, doch nirgends muss im Rennen so oft geschaltet werden wie in Monaco

(Motorsport-Total.com) - Wäre der Große Preis von Monaco in den engen Straßen von Monte Carlo nicht schon seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Formel 1, es würde ihn heute wohl nicht mehr geben. Eine Ausrichtung eines Formel-1-Rennens inmitten der Häuserschluchten, auf Straßen, die hauptsächlich für den öffentlichen Verkehr gebaut wurden (inklusive der für Rennwagen eher ungeeigneten Gullideckel, Zebrastreifen und Ablaufrinnen), wäre heute undenkbar.

Titel-Bild zur News: Ferrari-Getriebe

Die Getriebe in der Formel 1 sind heute in das Gesamtkonzept eingebettet

Aber seit 1955 gab es keine Formel-1-Saison ohne den Klassiker an der Côte d'Azur, und Jahr für Jahr müssen sich Teams und Fahrer mit den Eigenheiten des Rennens abfinden. Die heutigen Fahrer dürften erleichtert sein, dass sie die mehr als 3.600 Gangwechsel in einem Monaco-Rennen nicht mehr mit einer herkömmlichen H-Schaltung absolvieren müssen. Noch vor etwas mehr als zehn Jahren stiegen einige Fahrer nach dem Rennen mit einer von Blasen übersäten rechten Hand aus dem Cockpit.#w1#

Die Fahrer haben es vielleicht etwas leichter als in der Vergangenheit, die Getriebe jedoch nicht. "Das Design des Getriebes ist stark an die Aerodynamik des Autos gekoppelt", erklärte Diego Ioverno, der Getriebespezialist bei Ferrari. "Die größte Herausforderung für uns ist es, ein effektives Getriebe für den Platz zu entwerfen, der uns erlaubt wurde." Dabei haben gerade die Änderungen der Aerodynamikregeln für 2005 einiges bewegt.

Gratwanderung in der Getriebeentwicklung

Der Unterboden liegt nun näher am Getriebe, der verfügbare Platz wurde damit wieder einmal verkleinert. Die Getriebeabteilung musste damit leben und "Opfer bringen", kam damit aber gut zurecht. "Es ist Teil unserer Arbeit, wir müssen damit leben und tun unser Bestes", so Ioverno pragmatisch. "Aber man muss auch anmerken, dass wir in einer schwierigen Umgebung arbeiten, denn ein Getriebe kann als eine Energie verschwendende Komponente zwischen dem Motor und den Rädern angesehen werden."

Die Herausforderung beim Getriebedesign besteht darin, das Innenleben dem Gehäuse anzupassen, wobei die grundlegenden Abmessungen des Gehäuses von den Fahrzeugdesignern vorgegeben wird. Hinzu kommt, dass alle Teile immer leichter werden. Beide Tatsachen begünstigen Getriebeschäden, und auch der Ferrari F2005 hatte zu Beginn einige Probleme in diesem Bereich.

"Die Hauptänderung für dieses Jahr betrifft die verwendeten Materialien für das Getriebegehäuse", erklärte der Italiener. "Vor zwei Jahren haben wir Titan verwendet, im vergangenen Jahr kam dann eine Mischung aus Titan und Kohlefaser zum Einsatz, und in diesem Jahr haben wir den Kohlefaseranteil weiter gesteigert - aber es ist ein komplizierter Werkstoff. Sobald man eine neue Technologie einsetzt, muss man einiges lernen und einige Probleme lösen. Zudem ist die Entwicklungszeit sehr kurz."

Dabei sollte das Gehäuse doch nur das Innenleben schützen. Doch es ist weit mehr als ein simpler Schutz. "Die Teile bewegen sich nur so, wie es das Gehäuse zulässt, denn es unterstützt die internen Teile", so Ioverno. "Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass die Innenteile aus Metall und das Gehäuse aus Kohlefaser in verschiedenen thermischen Bedingungen arbeiten." In Monaco ist es da wenig hilfreich, dass so viele Schaltmanöver absolviert werden.

3.600 Gangwechsel im Monaco-Grand-Prix

"Allein im Rennen vollführt ein Fahrer 3.600 Gangwechsel, das sind 20 Prozent mehr als auf dem Kurs mit den wenigsten Schaltmanövern, in Monza", erklärte Ioverno. Doch die Liste der Besonderheiten in Monaco geht noch weiter. "Ein Fahrer schaltet an einem Ort nie in derselben Weise, es ist daher eine Herausforderung, das Getriebe einzustellen. Wenn ein Fahrer über einen Wasserabfluss oder einen Kerb fährt, dann vibriert der ganze Antriebsstrang. Unter diesen Bedingungen ist es schwierig, einen Gangwechsel zu absolvieren."

"Formel-1-Getriebe sind im Gegensatz zu denen von Straßenautos nicht synchronisiert, wie synchronisieren mittels einer Anpassung der Motorendrehzahl und koordinieren es mit der Betätigung des eigentlichen Gangwechsels", erklärte er weiter. "Alles muss genau aufeinander abgestimmt sein. Wenn aber alles vibriert, dann verliert man diese Abstimmung und riskiert Schläge im Getriebe oder ein Verschalten - oder auch beides."

Auch wenn heutige Formel-1-Getriebe hoch entwickelt sind, narrensicher sind sie nicht. "Man muss bedenken, dass ein Gangwechsel nur wenige Millisekunden dauert", so Ioverno. "In dieser kurzen Zeit passieren eine Menge Dinge. Wenn man genau dann schaltet, wenn die Drehzahl des Motors wegen des Überfahrens eines Randsteins rasant ansteigt, dann gerät der Gangwechsel aus dem Takt. Es kann passieren, dass man dann keinen Gang mehr einlegen kann. Es ist alles an der Grenze gebaut, und unsere Stellmotoren sind ja nicht für Lkws ausgelegt. Ist das Drehmoment über einem gewissen Niveau, dann ist schlicht kein Gangwechsel möglich."

"In dem Moment, in dem man den Gang wechselt, muss auch die Traktionskontrolle aus sein. Beide Systeme vertragen sich dann nicht", fuhr er fort. "Der Fahrer verlangt also nach einem Gangwechsel, das System stoppt alles außer den Sicherheitssystemen und startet den Prozess, der zum Gangwechsel führt. Das alles geht sehr schnell, variiert aber von Gang zu Gang. Insgesamt dauert es weniger als zehn Millisekunden. Der gesamte Schaltvorgang ist in 25 bis 30 Millisekunden vorüber."