• 06.05.2002 14:27

  • von Fabian Hust

Michelin reist mit neuen Reifen zum Alpenglühen

Auch dieses Mal produziert Michelin die Reifen für das kommende Rennen erst in der letzten Minute

(Motorsport-Total.com) - Spannung garantiert: Nach dem Gastspiel auf dem 'Circuit de Catalunya', der durch seine Streckenführung packende Positionskämpfe nicht unbedingt fördert, tritt die Formel 1 am kommenden Wochenende in Österreich an. Der 'A1-Ring' ? als eine der letzten Natur-Rennstrecken im Grand Prix-Kalender malerisch in den steirischen Alpen gelegen ? verspricht fast schon traditionell einen spannenden Rennverlauf.

Titel-Bild zur News: Reifen

Auf dem A1-Ring ist primär ein Reifen mit einer weicheren Mischung gefragt

Gleich drei Abschnitte der Berg- und Talbahn warten mit echten Überholmöglichkeiten auf. Trotz des Totalumbaus 1996 konnte der neue Kurs viel von seiner ursprünglichen Hochgeschwindigkeits-Charakteristik bewahren. Für das Rennen in Spielberg stellt Michelin seinen Partner-Teams komplett neu entwickelte Reifen zur Verfügung, die noch von Dienstag bis Freitag bei intensiven Testfahrten sowohl im spanischen Valencia als auch im portugiesischen Estoril erfolgreich getestet wurden.

Überholen ausdrücklich erlaubt: Das Streckenlayout des A1-Rings fordert Ausbremsmanöver geradezu heraus. Einer längeren Geraden folgt eine langsame Kurve ? so lautet das Geheimrezept für spannende Rennen auf dem unweit des beschaulichen Spielberg gelegenen Kurses. Gleich dreimal müssen die Piloten aus Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 km/h ihre Boliden vor engen Zweite-Gang-Ecken zusammenbremsen. Der rutschige Asphaltbelag in der 'Castrol'-, 'Remus'- oder 'Gösser'-Kurve trägt seinen Teil zu den oft haarigen Rad-an-Rad-Duellen bei.

Das Design des modifizierten 'Österreichrings' stammt aus der Feder des deutschen Architekten Hermann Tilke, der für die gelungene Hightech-Piste von Sepang in Malaysia ebenso verantwortlich zeichnet wie für den neuen Kurs von Hockenheim. Sein Markenzeichen: Formel 1-Strecken, die zum Überholen einladen. Neben dem einzigartigen Alpen-Panorama bietet der A1-Ring etwas Einmaliges in der Welt der Formel 1: Die Bergauf-Gerade zur 'Remus'-Kurve weist eine Steigung von bis zu zwölf Prozent auf ? für Grand-Prix-Verhältnisse geradezu immens.

Während beim Großen Preis von Spanien der Schlüssel zum Sieg in der aerodynamischen Effizienz der Boliden lag, stehen auf der österreichischen Berg- und Talbahn andere Set-up-Faktoren im Vordergrund. Im Abstimmungsroulette auf der 4,319 Kilometer langen Strecke zählen eher hohe Bremskraft und vor allem gute mechanische Haftung sowie eine möglichst optimale Traktion aus den engen Kurven heraus ? eine Disziplin, die den Michelin-Pneus liegt.

"Die Beschaffenheit des Streckenbelags verlangt eine besonders sorgfältige Reifenwahl, vor allem im Qualifying", analysiert Sam Michael, Chef-Ingenieur des BMW-Williams-Team. "Auf dem A1-Ring sind verschiedene Rennstrategien denkbar ? insbesondere, wenn der Reifenverschleiß in Kombination mit engen Kurven vor den langen Geraden und den daraus resultierenden zwei oder drei Überholmöglichkeiten eingerechnet wird." Zusätzlich verlangen die Beschleunigungsorgien auf den Geraden nach leistungsstarken Triebwerken. Die dünnere Luft in der höher gelegenen Bergregion erfordert zudem eine spezielle Anpassung der Motorabstimmung auf die Höhenlage.

Auch bei Michelin ? derzeit mit Juan-Pablo Montoya und BMW-Williams-Zweiter sowohl in der Fahrerweltmeisterschaft als auch in der Konstrukteurswertung ? steht die Entwicklung nicht still. Für den sechsten Saisonlauf kündigt Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier neue Reifenkonstruktionen an: "Der 'Circuit de Catalunya' und der 'A1-Ring' weisen so gut wie keine Gemeinsamkeiten auf. Die Streckenoberfläche in Österreich ist sehr eben und beansprucht die Reifen nicht über Gebühr. Daher arbeiten wir für das kommende Rennwochenende an Pneus, die sich komplett von denen unterscheiden werden, die in Barcelona zum Einsatz kamen." BMW-Williams-Mann Sam Michael: "Michelin hatte bereits im vergangenen Jahr Reifen für uns, mit denen wir es in die erste Startreihe schafften. Ich bin sicher, dass wir auch 2002 konkurrenzfähiges Material haben werden."

Um die Neuentwicklungen des französischen Reifenspezialisten ausgiebig zu testen, traten die Michelin-Partner nur zwei Tage nach dem Grand Prix von Spanien bereits wieder zu Probefahrten an. Während BMW-Williams, McLaren-Mercedes, Renault und Jaguar im spanischen Valencia ihre Runden drehten, weilte Toyota mit Testfahrer Ryan Briscoe im portugiesischen Estoril. "Die Tage verliefen sehr erfolgreich für uns", freute sich der 20-jährige Australier. "Wir arbeiteten an mechanischen Einstellungen und der Startautomatik."

Gustav Brunner, Technischer Direktor der Rot-Weißen, blickt dem Rennen auf dem A1-Ring positiv entgegen: "Barcelona verlangte aerodynamische Effizienz. Auf diesem Gebiet sind wir noch nicht da, wo wir hinwollen. In Österreich zählt vor allem Bremsen und Beschleunigen. In diesen beiden Disziplinen schlägt sich unser TF102 nicht schlecht. Österreich wird uns daher sicher besser liegen als Barcelona."

Bei Renault zeigte man sich trotz kleinerer Probleme nicht enttäuscht: "Wir können von der geleisteten Arbeit ermutigt sein", so Mike Gascoyne, der Technische Direktor des Teams. "Trotz der Triebwerksprobleme denke ich, dass sich die Modifikationen als gut erwiesen haben und sich die Arbeit an unserer Traktionskontrolle in eine positive Richtung bewegt", so der Brite über eine der Stärken der 'Equipe Jaune'.

Für das BMW-Williams-Team drehten Juan-Pablo Montoya und Testfahrer Antonio Pizzonia ihre Runden. Der Fokus lag auf Reifentests im Hinblick auf den Österreich-Grand Prix sowie Arbeiten an der Motorabstimmung des Williams-BMW FW24. BMW-Motorsportdirektor Gerhard Berger gibt sich für die Zukunft optimistisch: "Bislang stand bei jedem Rennen mindestens einer unserer Fahrer auf dem Podium. Die Motivation, diese Erfolgsserie weiterzuführen, treibt uns bei der harten Arbeit an. Ich gehe davon aus, dass wir am A1-Ring bereits einen Schritt nach vorn machen werden."