Michael verspricht: "Williams ist konkurrenzfähig"

Williams-Technikchef Sam Michael erklärt, warum 2011 ein gutes Jahr wird, wieso das Getriebe kaum kopiert werden kann und ob das Schwungrad-KERS kommt

(Motorsport-Total.com) - Die Lackierung des neuen Williams FW33 ist gleichzeitig Programm: Vor allem im Bereich der Seitenkästen erinnert die farbliche Abstimmung frappierend an das Rothmans-Design der 1990er Jahre, als das Team zum letzten Mal die Formel 1 dominierte und 1997 Weltmeister wurde. Dass der Titel 2011 möglich ist, darf zwar angezweifelt werden, nach den Testfahrten ist jedoch eines klar: Der FW33, der unter der Leitung von Technikchef Sam Michael konstruiert wurde, machte einen starken Eindruck, sogar eine Testbestzeit konnte Rubens Barrichello für sich verbuchen.

Titel-Bild zur News: Sam Michael (Technischer Direktor)

Sam Michaels Williams-Schicksal ist eng mit dem FW33 verknüpft

"Die Testfahrten haben bewiesen, dass wir ein konkurrenzfähiges Auto haben", bestätigt der Technikchef bei der Präsentation der neuen Lackierung in der Williams-Fabrik in Grove. Er verspricht: "Solange wir das Auto schnell weiterentwickeln, werden wir ein gutes Jahr haben. Als Team sind wir ambitionierter denn je." Die Rückschläge beim Testen - das Energie-Rückgewinnungs-System zwang das Team mehrmals zu lähmenden Reparaturpausen - will der Australier nicht überbewerten: "Wir hatten einige nervige Systemprobleme, aber wir sind trotzdem 3.800 Kilometer gefahren."

Technikchef Michael enorm unter Druck

Michael steht 2011 unter großen Druck: Er weiß, dass der FW33 ein Erfolg sein muss, um weiterhin das Vertrauen des erfolgsverwöhnten Teambesitzers Frank Williams zu genießen. Die Ungeduld ist erwartungsgemäß groß, schließlich feierte man 2004 durch Juan-Pablo Montoya den letzten Sieg in der Formel 1.

"Solange wir das Auto schnell weiterentwickeln, werden wir ein gutes Jahr haben." Sam Michael

"Da gibt es eine große Gruppe im Mittelfeld, in der man nicht voraussehen kann, wer wo liegen wird", meint Michael auf die Frage nach den Zielen für 2011. "Wir wissen, dass es nicht leicht wird, doch wir hoffen, dass uns dieses Auto einen Schritt näher an die Spitze bringen kann." Im Vorjahr erreichte Williams in der Konstrukteurs-WM Platz sechs, ein Podestplatz blieb für Rubens Barrichello und Nico Hülkenberg unerreicht. Dieses Jahr will man die Topteams aufmischen.

Bahrain-Absage als großer Vorteil

Dass der Grand Prix von Bahrain abgesagt wurde, sieht Michael bei diesem Vorhaben als großen Vorteil. "Natürlich hätten wir es zum ersten Rennen geschafft, wären dort gewesen und hätten unser Bestes gegeben. Man ist aber immer ein bisschen unvorbereitet. Zwei Wochen länger Zeit zu haben macht einen Riesenunterschied - zwei Wochen sind eine Ewigkeit in der Formel 1. Man kann die Dinge verfeinern und hat dann ein besseres Paket." Er empfindet die plötzliche Zeitplan-Änderung als "ziemlich surreal. In der Formel 1 geht es immer nur um Deadlines, und zwar solche, die endgültig sind."


Fotos: Die neue Lackierung des Williams FW33


Bereits im Dezember 2009 begann man in Grove, das aerodynamische Konzept zu entwickeln, bestätigt Michael. Mit dem mechanischen Konzept begann man drei Monate später. "Es ist das Rückgrat dieses Autos", so der Williams-Technikchef. "Jeder will ein schmales Heck, das hat den Designprozess des FW33 geprägt."

"Zwei Wochen mehr Zeit sind eine Ewigkeit in der Formel 1." Sam Michael

Ein Grund dafür ist das engmaschige Reglement 2011, das im vorderen Chassisbereich kaum Freiheiten lässt. "Der einzige Ort, der noch wirklich frei ist, ist das Heck", erklärt Michael. "Es benötigte viele Monate Entwicklung auf dem Prüfstand. Wir mussten in Sachen Kraftübertragung wirklich viel Papier aus der Vergangenheit zerreißen und wir ließen keinen Stein auf dem anderen."

Radikale Heckpartie

Im Mittelpunkt stand dabei von Anfang an, am niedrigsten zu bauen. Ein Ziel, das man schließlich erreicht hat. "Das ist das kleinste und kompakteste Heck, das Williams je designt hat", bestätigt Michael. "Die treibende Kraft hinter dem Getriebe war es, den Luftstrom zum Heckflügel zu verbessern, was dieses Jahr ein Schlüsselfaktor sein wird."

"Das ist das kleinste und kompakteste Heck, das Williams je designt hat." Sam Michael

Das zwang das Team zu Kompromissen bei der Hinterrad-Aufhängung: "Die Aufhängung ist sehr hoch, damit der untere Teil des Heckflügels nicht eindringt. Noch nie in der Formel 1 war der Winkel bei der Antriebswelle so groß wie bei uns." Trotz des großen Risikos blieb man aber bisher beim Testen von Problemen verschont, wie Michael versichert: "Wir haben bei der Aufhängung eine unkonventionelle Herangehensweise gewählt, es gab aber beim Testen keine Probleme mit der Kraftübertragung oder mit der Hinterrad-Aufhängung. Der fundamentale Teil des Autos funktioniert also, dadurch können wir uns jetzt auf die Performance konzentrieren."

Williams-Getriebe mit Kopierschutz

Auch bei anderen Autos sind dem "Aussie" interessante Detaillösungen aufgefallen, doch diese vier Elemente können seiner Meinung nach "während der Saison den Unterschied ausmachen". Dabei habe man sogar einen Vorteil gegenüber den anderen innovativen Teams. "Der Red-Bull-Auspuff kann am leichtesten kopiert werden", behauptet Michael. "Der Unterboden von Toro Rosso und der Renault-Auspuff sind auch Karosserieteile. Vielleicht kostet es ein paar Monate, um es hinzukriegen, doch das ist während der Saison möglich." Beim Williams-Getriebe schließt er dies aber aus: "Das ist ein komplett anderes paar Schuhe."


Fotos: Testfahrten in Barcelona


Michael selbst möchte durchaus von den anderen Teams kopieren: "Wir wissen bereits, was die Zahlen bezüglich dieser Lösungen sagen. Wir sind in Eile, eines der drei Dinge auszuwählen, die wir nicht am Auto haben." Dass ausgerechnet ein engmaschiges Reglement zu so viel Innovation führt, ist für ihn eine Überraschung: "Ich dachte, die Autos und die Formel 1 würden langweilig werden. Es hat aber den gegenteiligen Effekt gehabt - die Leute pushen noch härter, um Vorteile in kleinen Bereichen zu finden. Wenn ich mir die Autos ansehe, dann unterscheiden sie sich recht stark voneinander. Damit durfte man nicht rechnen."

"Ich dachte, die Autos und die Formel 1 würden langweilig werden." Sam Michael

Vielleicht kann Williams dieses Jahr noch mit einer großen Überraschung aufwarten. 2011 feiert das Energie-Rückgewinnungs-System KERS ein Comeback in der Formel 1, Williams besitzt mit Williams Hybrid Power sogar eine eigene Hybridfirma, die in diesem Bereich forscht. 2009 entwickelte man im Gegensatz zu allen anderen Teams ein KERS, das die Bremsenergie nicht durch Batterien, sondern via Schwungrad speichert. Durch die enormen Vibrationen kam die Lösung aber nie zum Einsatz.

Kommt Schwungrad-KERS noch 2011?

Auch wenn man zu Saisonbeginn 2011 auf ein konventionelles Batterie-KERS setzt, will Michael das Debüt der Schwungradlösung in dieser Saison nicht ausschließen: "Williams Hybrid Power hat ein Schwungrad entwickelt und wir haben es für dieses Auto in Betracht gezogen. Es war sehr knapp, aber schließlich haben wir uns wegen der schmalen Bauweise für ein Batteriesystem entschieden. Wir wollen es aber nicht ausschließen, dass wir bei diesem Auto irgendwann auf das Schwungrad umrüsten."

Auch wenn er dies für "unwahrscheinlich" hält, werde man "definitiv 2012 wieder überlegen, ob das Schwungrad oder die Batterie die bessere Lösung ist." Der 2011er Bolide ist wegen dem eingebauten KERS etwas länger als das Vorjahres-Auto. Das System befindet sich unter dem Tank.

"Wir wollen es nicht ausschließen, dass wir bei diesem Auto irgendwann auf das Schwungrad umrüsten." Sam Michael

Bleibt die Frage, wie es nun mit dem FW33 weitergeht? Michael prognostiziert: "Beim Barcelona-Test haben wir zum ersten Mal das komplette Upgrade-Paket für das erste Rennen am Auto." Einige Teile wird man aber auch ungetestet nach Australien mitnehmen: "Zwischen Barcelona und Melbourne werden wir das Auto noch einmal ändern, denn wir haben schon wieder neue Dinge im Windkanal gefunden."