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Meinung: Sollte McLaren jetzt voll auf Oscar Piastri setzen?
Teamorder oder nicht? Die Frage, ob McLaren alles auf die Karte Oscar Piastri setzen sollte, wird von unseren Redakteuren kontrovers diskutiert
(Motorsport-Total.com) - Mit drei Siegen in Folge hat Oscar Piastri die Vorhersagen vor der Formel-1-Saison 2025 ein Stück weit auf den Kopf gestellt, denn viele Beobachter hatten Lando Norris als Titelkandidaten Nummer eins bei McLaren gesehen. Während Piastri zur Form seines Lebens aufläuft und die WM anführt, steht mit Max Verstappen noch immer ein Altmeister bereit, um jede Schwäche auszunutzen.

© Sutton Images
Oscar Piastri ist in der Formel 1 der Fahrer der Stunde Zoom
McLaren dominiert die Konstrukteurswertung, Piastri und Norris führen bei den Fahrern - doch wie lange noch? Sollte das Team aus Woking jetzt eine klare Richtung vorgeben? Oder sollte man beide Fahrer weiter frei gegeneinander fahren lassen? Dazu haben die Redakteure aus dem Motorsport Network folgende Meinungen:
Das könnte der einzige Weg sein, Verstappen auf Distanz zu halten
Casper Bekking: Wenn McLaren beide Weltmeisterschaften gewinnen will, braucht es so schnell wie möglich Klarheit. In der Konstrukteurswertung bestehen angesichts der aktuellen Dominanz und der fehlenden Konstanz der Konkurrenz kaum Zweifel. Aber um die Kontrolle über die Fahrer-WM zu übernehmen, muss einem der beiden Fahrer der Vorrang gegeben werden. Denn eines ist sicher: Max Verstappen gibt niemals auf.
Der amtierende Weltmeister weiß besser als jeder andere, wie man eine Saison aufbaut und wie man einen Titel gewinnt - nämlich durch Konstanz und maximale Punkteausbeute, selbst wenn man nicht das schnellste Auto hat. Und genau das macht er im Moment. Es könnte am Ende vielleicht nicht reichen, aber seine Herangehensweise hält ihn im Titelrennen - besonders dann, wenn sich die McLaren-Fahrer gegenseitig Punkte wegnehmen.
Wenn die Berichte stimmen, wie schlecht der Red Bull aktuell wirklich ist, dann ist es eine bemerkenswerte Leistung, dass Verstappen nur 32 Punkte hinter dem WM-Führenden liegt. Das sagt mir zwei Dinge: In Verstappens Händen ist der Red Bull gar nicht so schlecht - und Verstappen nutzt wirklich jede Chance. Sollte ein zukünftiges Update die Balance wieder in seine Richtung kippen, könnte der Rückstand auf die Spitze schnell schrumpfen - man muss nur auf den Fortschritt schauen, den McLaren im vergangenen Jahr in Miami gemacht hat.
Ist Piastri jetzt WM-Favorit, Hans-Joachim Stuck?
"Strietzel" Stuck ist immer für einen flotten Spruch gut: Oscar Piastri, McLarens Bahrain-Sieger 2025, sei "eine coole Sau", sagt er. Weitere Formel-1-Videos
Wenn man davon ausgeht, dass auch die McLaren-Fahrer unter dem steigenden Druck noch Fehler machen, wäre es klüger, sich frühzeitig einen Sicherheitspuffer aufzubauen und Klarheit zu schaffen. Piastri wirkt abgeklärt, bleibt unter Druck ruhig und trifft gute Entscheidungen.
Im Gegensatz dazu hat Norris sowohl vergangene Saison als auch in diesem Jahr gezeigt, dass er in Drucksituationen fehleranfällig ist. Genau deshalb sollte McLaren voll auf den Australier setzen, wenn man 2025 wirklich den Fahrertitel holen will. Unbeholfene Auftritte wie in Ungarn 2024 sind in einem WM-Kampf nicht akzeptabel.

© LAT Images
Kann nur Oscar Piastri Max Verstappen im WM-Kampf schlagen? Zoom
Ein zweites Argument für die frühzeitige Festlegung auf einen klaren Nummer-1-Fahrer ist die Herausforderung der Saison 2026. Je früher der Kampf mit Verstappen entschieden ist, desto früher kann man sich komplett auf das neue Auto unter dem kommenden Reglement konzentrieren. Und da Rivalen wie Ferrari und Mercedes, die keine Titelchancen mehr haben, vermutlich bereits 2026 im Blick haben, zählt für McLaren jeder zusätzliche Entwicklungstag.
Teamorder ist das beste Rezept für eine interne Implosion
Christian Nimmervoll: Wenn ein Team von außen dazu gedrängt wird, Teamorder zugunsten eines Fahrers zu verhängen, nur um die Fahrer-WM zu gewinnen, dann habe ich das Gefühl, im falschen Film zu sein. Genauer gesagt, in dem Film, der sich vor 30 Jahren bei Ferrari abgespielt hat, als Michael Schumacher zur unangefochtenen Nummer 1 erklärt wurde - und seine Teamkollegen wie Eddie Irvine oder Rubens Barrichello bestenfalls gut bezahlte Wasserträger waren. Ferrari wurde für diese Strategie damals heftig kritisiert - und sie hat letztlich auch dem Image des Sports geschadet.
Piastri hat aktuell 131 Punkte, Norris 115. Ein Rückstand von 16 Punkten kann praktisch durch zwei Rennsiege aufgeholt werden. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass Andrea Stella seinem Fahrer Lando Norris jetzt mitteilt, dass er kein Weltmeister mehr werden könne und sich für Piastri opfern müsse. Eine solche Entscheidung würde zweifellos zu einem internen Zerwürfnis führen, und zwar zu Recht.

© Motorsport Images
Bei Ferrari stand Barrichello klar im Schatten von Michael Schumacher Zoom
Ferrari selbst ist das perfekte Beispiel. 1999 musste Eddie Irvine seinen fünften Platz in Magny-Cours an Michael Schumacher abgeben - ein einziger Punkt, der nach dem damaligen Punktesystem am Ende den Unterschied gemacht hätte zwischen einem Ferrari-Titel für Irvine oder einem für Mika Häkkinen im McLaren. Hätte Irvine diesen Punkt behalten, hätte Ferrari das WM-Finale in Suzuka 1999 selbst in der Hand gehabt - mit Irvine auf dem Weg zum Titel.
Jetzt auf Piastri zu setzen, wäre aus McLarens Sicht ein kolossaler Fehler. Erstens, weil es das Verhältnis zu Norris stark belasten würde. Zweitens, weil Piastri noch nicht bewiesen hat, dass er Norris dauerhaft überlegen ist. Und drittens, weil 1999 zeigt, dass man mit einer zu frühen Festlegung auf den falschen Fahrer eher den Titel verliert als gewinnt.
Norris hat an McLaren geglaubt - und das sollte das Team auch tun
Oleg Karpow: Oscar Piastris aktuelle Form ist zweifellos beeindruckend. Aber man kann durchaus argumentieren, dass Lando Norris nicht langsamer ist als sein Teamkollege. Es sind die Fehler, die ihn bisher zurückgeworfen haben - aber abgesehen vom Q3-Crash in Dschidda gab es keine wirklich gravierenden Patzer. Er könnte also immer noch McLarens beste Hoffnung auf den Fahrertitel sein. Und: Und Piastri hat sich auch nicht uneinholbar abgesetzt.
Natürlich kann man über Entwicklungspotenzial sprechen - und da es erst Oscars dritte Saison ist, könnte man sagen, dass sein Zenit, also sein Leistungsmaximum, höher liegt. Aber das ist alles hypothetisch.

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Lando Norris macht aktuell mehr Fehler als Oscar Piastri Zoom
Norris hat in seiner Zeit in der Formel 1 zwei Dinge bewiesen. Erstens: Er lernt. Vielleicht nicht so schnell, wie sich das manche Fans wünschen, aber er entwickelt sich stetig weiter. Und zweitens: Seine Loyalität zu McLaren ist unbestritten. Er ist beim Team geblieben, auch in schwierigen Jahren - obwohl er durchaus Angebote hatte, zu einem Topteam zu wechseln. Es wäre nicht fair, wenn das Team sich jetzt von ihm abwendet. Das wäre nicht "der McLaren-Weg".
Zak Brown und Andrea Stella stehen nicht selten in der Kritik - aber sie verdienen auch Anerkennung dafür, dass sie an Werten festhalten, die nicht nur dem Team, sondern dem Sport guttun. Ich glaube nicht, dass sie einen Fahrer bevorzugen werden, solange es nicht absolut notwendig ist.
Ist das ein Risiko, das den Titel kosten könnte? Vielleicht. Aber das Konzept mit zwei Fahrern, die sich gegenseitig pushen, ist ein zentraler Grund, warum McLaren überhaupt in dieser Position ist. Und solange Norris nicht rechnerisch aus dem Titelrennen ist, verdient er volle Unterstützung.
Noch ist es zu früh - aber der Druck wächst
Kemal Sengul: McLaren muss aktuell noch keine Entscheidung treffen - aber das könnte sich bald ändern. Lando Norris galt vor Saisonbeginn 2025 als einer der Titelanwärter, vor allem nach seinem starken Finish im Vorjahr. Doch bislang gelingt es ihm nicht, konstant fehlerfreie Wochenenden abzuliefern. Oscar Piastri hingegen wird von Rennen zu Rennen stärker, wirkt souverän und konstant.
Sollte Norris an seinen Sonntagen arbeiten und vielleicht zwei Siege in Folge holen, könnte er den Rückstand schnell aufholen, aber derzeit ist es Piastri, der das Maximum aus dem McLaren herausholt.
Da beide Fahrer langfristig an das Team gebunden sind, muss McLaren vorsichtig vorgehen. Sich zu früh auf einen Nummer-1-Fahrer festzulegen, könnte das bislang gesunde Teamgefüge stören. Nach sechs Rennen ist es schwer zu sagen - aber wenn Piastri weiterhin abliefert und Norris weiter patzt, könnte die Entscheidung sich von selbst ergeben.
Und dann ist da noch der Verstappen-Faktor. Wenn Red Bull tatsächlich weiter in Schwierigkeiten steckt und McLaren die Nase vorne behält - durch Imola, Monaco und Barcelona - könnte es strategisch sinnvoll sein, mit Teamorder noch bis spät in die Saison zu warten.
Hinzu kommt das Entwicklungspotenzial: Bevorstehende Updates könnten das Kräfteverhältnis im Team wieder zugunsten von Norris verschieben. Angesichts so vieler Unbekannten scheint es momentan der beste Weg zu sein, den Dingen noch etwas Zeit zu geben - und die harte Entscheidung nur zu treffen, wenn es wirklich nötig ist.


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