McLaren vs. Red Bull: WM-Kampf spitzt sich zu

Martin Whitmarsh und Christian Horner analysieren das Entwicklungsrennen um den WM-Titel und sprechen über ihre Fahrerpaarungen

(Motorsport-Total.com) - Je länger die Saison dauert, desto mehr scheint sich der WM-Kampf auf ein Duell zwischen McLaren und Red Bull zuzuspitzen. Silverstone ist als Halbzeit-Grand-Prix traditionell ein guter Indikator dafür, wie die zweite Saisonhälfte verlaufen könnte - und schon seit Jahren ein Rennwochenende, zu dem die Teams umfangreiche Updates bringen. So auch diesmal.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel vor Lewis Hamilton

Red Bull und McLaren liefern sich derzeit einen heißen WM-Kampf

"Die letzten Teile kamen Donnerstagnacht um 1:30 Uhr an der Strecke an", berichtet Martin Whitmarsh von der Intensität des Titelkampfs. "Wir haben viele neue Komponenten am Auto. Unsere Leute haben unglaublich hart gearbeitet, Tag und Nacht, um diese Teile hierherzubekommen." Dabei geht es vor allem um den auspuffangeströmten Diffusor, dessen Konzept von Adrian Newey ursprünglich für Red Bull designt wurde.#w1#

Updates wirken sich auf das Fahren aus

Doch Updates bringen heutzutage nicht immer sofort einen Fortschritt: "Wenn du das Auto weiterentwickelst und stufenweise Anpressdruck findest, verändern sich damit die Fahreigenschaften - nicht dramatisch, aber es kann sein, dass ein anderer Fahrstil nötig wird, ein anderes Setup. In einer Ära, in der Tests verboten sind, ist es ziemlich schwierig, neue Updates sofort hundertprozentig im Griff zu haben", erklärt Whitmarsh.

"Es stehen einem nur begrenzte Reifen zur Verfügung, wenig Zeit und kaum Runden, um es hinzubekommen", weiß der Brite. "Das ist die moderne Ära der Formel 1. Wir müssen alle Daten, die wir heute gesammelt haben, sorgfältig auswerten, dann Entscheidungen treffen, was wir morgen tun werden - und es dann hoffentlich Nagel auf den Kopf treffen!" Klingt einfach, ist in der Praxis aber natürlich ungeheuer komplex.

Christian Horner ist davon überzeugt, dass Red Bull seit dem Saisonauftakt in Bahrain schon eine Sekunde gefunden hat: "Wenn du in diesem Business stillstehst, fährst du rückwärts", strapaziert der Red-Bull-Teamchef eine alte Formel-1-Weisheit. "Ich glaube, es ist uns gelungen, bei jedem Grand Prix Performance zum Auto hinzuzufügen. Auch hier haben wir wieder einige kleine Teile, die uns helfen sollten."

¿pbvin|512|2900||0|1pb¿Die Rolle des Gejagten - zumindest von der Pace her, denn in der WM-Tabelle führt bekanntlich McLaren - sei dabei besonders schwierig: "Wenn du das Tempo vorgibst, bist du das Ziel, auf das alle schießen", gibt Horner zu Protokoll. "Die Leute neigen dazu, einzelne Teile des Autos hervorzuheben, weil sie glauben, dass sie viel Performance bringen, aber unterm Strich ist es das Paket, das zählt, wie wir alle wissen."

Den Fehler, Konkurrenten vorzeitig abzuschreiben, macht er nicht: "Wir dürfen Teams wie McLaren und Ferrari, die eine riesige Tradition haben, niemals unterschätzen. Das gilt auch für andere große Teams wie zum Beispiel Mercedes. Es ist meiner Meinung nach eine sehr gesunde Situation für die Formel 1, dass es nicht ein Team gibt, dass sich an der Spitze locker von allen anderen absetzen kann", so der 36-Jährige.

Brennpunkt Teamkollegen

Ein entscheidender Faktor ist im aktuellen WM-Kampf natürlich auch die Handhabung der Fahrer, denn zwischen Lewis Hamilton und Jenson Button liegen bei McLaren nur sechs, zwischen Sebastian Vettel und Mark Webber bei Red Bull nur zwölf Punkte. Wozu so eine interne Konkurrenzsituation im schlimmsten Fall führen kann, wurde in Istanbul vorgeführt, als sich Webber und Vettel in Führung liegend gegenseitig ins Auto gefahren sind.

"Das Wichtigste ist", meint Horner, "dass wir unsere Fahrer transparent und gleich behandeln. Sie sind beide ehrgeizig, sie sind beide hungrig und sie befinden sich in unterschiedlichen Phasen ihrer Karrieren. Wir räumen aber beiden gleiche Priorität ein und behandeln sie gleich. Unterm Strich ist es für uns egal, welcher Fahrer einen Grand Prix gewinnt, solange er nur in einem der Autos unseres Teams sitzt."


Fotos: Red Bull, Großer Preis von Großbritannien, Freitag


Whitmarsh stimmt seinem Kollegen zu, widerspricht ihm aber in einem Punkt. Denn während Horner süffisant sagt, dass Vettel und Webber "nicht Weihnachten gemeinsam verbringen" werden, hält der McLaren-Teamchef ein gutes persönliches Verhältnis seiner Fahrer für hilfreich: "Wenn sie miteinander kommunizieren - nicht nur professionell, sondern auch sozial -, dann schafft das eine Atmosphäre, in der es wahrscheinlicher ist, dass sie verstehen, was der jeweils andere warum macht."

"Aber eines ist klar: In beiden Teams wollen die Fahrer gewinnen und ihren Teamkollegen schlagen. So etwas birgt immer Potenzial für Spannungen - und ich schätze, dass es genau das ist, worauf die Medien hoffen, diese Spannungen, denn die sind Stoff für Storys, die sind unterhaltsam anzuschauen", zeigt er Verständnis für die schreibende Zunft. Nachsatz: "Es ist umso unterhaltsamer, wenn es mal schief geht..."