McLaren im TMG-Windkanal: Der Wahrheit auf der Spur...

McLaren-Sportdirektor Sam Michael erklärt, warum McLaren den TMG-Windkanal nutzt und mit welchen Mitteln die Simulationen der Teams immer realistischer werden

(Motorsport-Total.com) - Der McLaren-Windkanal in Woking genießt in der Branche einen guten Ruf. Dennoch greift die Truppe von Martin Whitmarsh diese Saison auch auf den TMG-Windkanal in Köln zurück, wodurch die kuriose Situation entsteht, dass McLaren und Ferrari die gleiche Anlage benützen. Die "Scuderia" überarbeitet derzeit den Windkanal in Maranello, weil man in den vergangenen Jahren an Problemen mit der Korrelation gelitten hat - die Simulationsergebnisse spiegelten sich in der Realität nur bedingt wieder. Deshalb mietete man sich in Köln ein, wo der F138 zur Gänze entwickelt wird.

Titel-Bild zur News: Toyota-Windkanal

Auch McLaren nutzt inzwischen wie Ferrari den TMG-Windkanal

Dass auch McLaren nach Köln ausweicht und die begehrte Anlage nutzt, hat unter anderem damit zu tun, dass Marussia den Windkanal in Woking ausgiebig nutzt. Zwischen McLaren und Marussia besteht eine technische Partnerschaft, die dies ermöglicht, denn die Ingenieurstruppe rund um Marussia-Technikchef Pat Symonds kann auf keinen eigenen Windkanal zurückgreifen. McLarens Sportdirektor Sam Michael sieht im aktuellen Modell durchaus seine Vorteile: "Wir machen solche Dinge regelmäßig, damit wir wissen, dass die Korrelation zwischen den Modellen übereinstimmt."

Der Australier weiß, dass ein Windkanal nie ausgereift ist, dass es immer neue Technologien gibt, die man sich zunutze machen kann. "Es handelt sich um ein fortschreitendes Experiment", bestätigt er. "Selbst, wenn wir mit unseren Ergebnissen zufrieden wären, dann würden wir trotzdem versuchen, die Korrelation zwischen dem aktuellen Windkanal und dem in zehn Jahren zu verbessern."

Schlüsselwort Korrelation

Doch worum geht es bei der Korrelation - das Schlüsselwort in Sachen Windkanal-Technologie - wirklich? Michael versucht sich in einer ausführlichen Erklärung: "Das einzige fertige Modell, das es gibt, ist das Auto, das am Ende bei den Grands Prix auf der Strecke fährt. Es liefert Rundenzeiten, alle Systeme sind aktiv. Um das Auto auf der Strecke zu verbessern, muss man im Simulator mit einem Modell arbeiten. Das einfachste Modell - und das gibt es schon lange - ist ein Windkanal-Modell."

Bei einem in der Formel 1 gängigen Windkanal-Modell, das meist 60 Prozent der Originalgröße eines echten Boliden aufweist, handelt es sich um eine deutliche Vereinfachung des Originals. "Da sind die Temperaturen nicht vergleichbar, das gilt auch für die Umweltbedingungen, der Maßstab ist unterschiedlich", zählt Michael auf.

"Das einzige fertige Modell, das es gibt, ist das Auto, das am Ende bei den Grands Prix auf der Strecke fährt." Sam Michael

Wie man der Realität im Labor nahe kommen will

Und damit fangen die Probleme an: "Sobald man ein reales Element entfernt, wird die Korrelation wichtig." Der ehemalige Williams-Technikchef gibt ein Beispiel aus der Motorensimulation, wie man versucht, die realen Bedingungen zu simulieren: "Bei den Motoren-Prüfständen haben wir Korrekturfaktoren - das ist einfach ein anderes Wort für die Korrelation -, damit die Ergebnisse mit dem Resultat auf der Strecke so weit wie möglich übereinstimmen."

"Ein Prüfstand besitzt eine Anblasfunktion, um Luftdruck für die Airbox zu generieren. Das muss man nicht verwenden, man kann darauf bei einem Prüfstand auch verzichten, aber man macht das, damit die Daten möglichst repräsentativ sind." Auch in der Windkanal-Technologie findet man stets neue und repräsentativere Wege, um die Realität zu simulieren. Michael fällt auf, dass sich in diesem Bereich im vergangenen Jahrzehnt viel getan, was auch daran liegt, dass es in der Formel 1 ein Testverbot gibt und man auf Simulationseinrichtungen mehr denn je angewiesen ist.

"Sobald man ein reales Element entfernt, wird die Korrelation wichtig." Sam Michael

Reifen als härteste Nuss

"In der Windkanal-Technologie konnte man vor zehn Jahren nur Geradeaus-Fahrten simulieren, es gab feste Reifen", erinnert er sich. "Heute gibt es Windkanal-Reifen, man kann den Windkanal dynamisch nutzen. Das macht man aber nicht, weil es knifflig oder im Trend ist, sondern um Bedingungen zu simulieren, die der Realität eher entsprechen."

Die härteste Nuss für die Ingenieure sind dieser Tage die Reifen. Sie beeinflussen die Performance maßgeblich und wirken bei Kurvenfahrten durch ihre Verformung anders auf die Aerodynamik des Autos als auf geraden Strecken. In diesem Bereich ist man auf Zulieferer angewiesen, denn die Windkanal-Reifen stammen aus dem Hause Pirelli. Und genau diese Modell-Pneus haben McLaren bei der Entwicklung des diesjährigen Autos genarrt und in eine falsche Richtung geleitet - ein Beweis für die Komplexität der Windkanal-Arbeit in der Formel 1 anno 2013.

"Das alles macht man nicht, weil es knifflig oder im Trend ist, sondern um Bedingungen zu simulieren, die der Realität eher entsprechen." Sam Michael