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  • 23.10.2017 19:13

  • von Dieter Rencken & Dominik Sharaf

Maximal aggressive Taktik: So wollte Red Bull Vettel knacken

Zwei Boxenstopps und auf jeden Fall das Heft des Handelns in die Hand nehmen: die strategischen Überlegungen hinter Max Verstappens Aufholjagd in Austin

(Motorsport-Total.com) - Wie bringt man seinen Piloten von Startplatz 16 auf das Podium? Mit einer aggressiven Strategie, dachte sich die Red-Bull-Truppe und setzte mit Max Verstappen beim US-Grand-Prix in Austin am Sonntag alles auf eine Karte. Der Niederländer, der schon im Qualifying gepokert und sich die härteren Supersoft-Reifen für den Start organisiert hatte, zog eine Taktik mit einem langen ersten Stint und zwei Boxenstopps durch - auch in der Hoffnung, dass ihm das Safety-Car ihm zur Hilfe käme.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen

Auf Verstappens Überholkünste war Verlass, auf die Raffinesse Red Bulls auch Zoom

Doch es reichte auch ohne Rennglück, wäre da nicht die viel diskutierte FIA-Entscheidung zu dem Überholmanöver gegen Kimi Räikkönen gewesen. Zwei Faktoren machten die Aufholjagd möglich: Erstens Verstappens Hatz im D-Zug-Tempo durch das Feld, als er nach dem Start binnen elf Runden auf Rang sechs vorfuhr und wieder auf Tuchfühlung mit den übrigen Topautos war. Er war "back in the game", wie sein Renningenieur ihm im Funk nach dem Überholen hörbar erfreut mitteilte.

Zweitens entschied sich Red Bull, eine andere Strategie als die direkten Konkurrenten zu wählen. Statt Verstappen nach seinem Wechsel von Supersoft auf Soft in Runde 24 auf der Strecke und die Reifen schonen zu lassen, holte man ihn im 37. Umlauf nochmals an die Box. "Wir haben geahnt, dass das Aufholen vielleicht klappen würde, aber das Vorbeikommen dann schwierig wäre", sagt Teamchef Christian Horner über das Fernduell mit Räikkönen und Valtteri Bottas im Mercedes.

Denn Verstappen verkürzte seinen Rückstand auf die Finnen zwar pro Runde um 0,3 bis 1,0 Sekunden, bei Red Bull sah man seine Gummis jedoch einbrechen. "Also haben wir beschlossen, aggressiv zu sein und zwei Boxenstopps zu machen." Der Vorteil: Damit saßen die Konkurrenten in der Falle. Weil der Teenager schon auf seiner Outlap auf frischen Supersofts brandschnell unterwegs war, waren Räikkönen und Bottas gezwungen, sich mit alten Pneus über die Distanz zu schleppen.

"Wenn sie gestoppt hätten, wären sie hinter ihm wieder auf die Strecke gekommen", weiß Horner. "Unsere Befürchtung war eher, dass sie ihren Stopp früher absolvieren würden." Dann wäre der in Austin gut funktionierende Undercut nicht mehr möglich und Verstappen gezwungen gewesen, Autos mit ungefähr identisch alter Bereifung zu überholen. "Wir wollten Nägel mit Köpfen machen, sodass ihnen keine Alternative mehr bleibt als weiterzufahren", erklärt Horner die Philosophie.

Die Taktik wäre beinahe aufgegangen, zum Schluss ging Verstappen aber die Zeit aus. Horner ärgert sich, denn aus seiner Sicht wäre der fünf Sekunden entfernte Sebastian Vettel auf dem zweiten Platz nicht mehr allzu schwierig zu knacken gewesen - anders als Hamilton im Mercedes. "Ich glaube nicht, dass wir Lewis' wahre Stärke gesehen haben", so Horner, "aber wir wären sicher in der Lage gewesen, Zweiter hinter ihm zu werden."