• 28.05.2025 15:25

  • von B.Vinel, Co-Autor: F.Nugnes, Übersetzung: S.Ehlen

Mattia Binotto: Das ist der Audi-Masterplan in der Formel 1

Sauber-Geschäftsführer Mattia Binotto zieht Bilanz: Was sich schon getan hat im Audi-Projekt und was sich bis zum Formel-1-Einstieg 2026 noch tun muss

(Motorsport-Total.com) - Zehn Monate sind vergangen, seit Mattia Binotto als Betriebs- und Technikleiter zu Sauber kam - und nun ist es nur noch eine Frage von Monaten, bis sich das Schweizer Formel-1-Team in Audi verwandelt.

Titel-Bild zur News: Sauber-Geschäftsführer Mattia Binotto vor einer Audi-Designstudie (Fotomontage)

Sauber-Geschäftsführer Mattia Binotto vor einer Audi-Designstudie (Fotomontage) Zoom

Für die deutsche Marke ist es die erste Teilnahme an der Motorsport-"Königsklasse", und der Weg an die Spitze wird alles andere als einfach. Denn seit 2012 - also seit über 250 Rennen - stand Sauber nicht mehr auf dem Podium. (Mehr dazu in der Formel-1-Datenbank!)

Angesichts des Budgetlimits und der Einschränkungen beim aerodynamischen Testen war es eine naheliegende Entscheidung, den Fokus auf das neue Technische Reglement ab 2026 zu legen. Dass die aktuelle Saison schwierig werden würde, war ohnehin absehbar.

Doch das bedeutet nicht, dass 2025 völlig abgeschrieben ist. Das zeigt etwa Nico Hülkenbergs siebter Platz beim Rennen in Australien.

"Es muss, wenn möglich, ein Jahr des Wachstums sein", sagt Binotto nun im Gespräch mit Motorsport-Total.com. "Die Platzierung in der Konstrukteurswertung ist nicht so entscheidend wie das Ziel, bei jedem Rennen Punkte zu holen. Wir müssen Konstanz in den Ergebnissen finden. Das wäre ein großer Schritt."

Grundlagen schaffen - wie einst Todt bei Ferrari

Binottos Plan für einen möglichen Audi-Titelgewinn umfasst fünf Jahre: 2030 will man um die WM mitfahren.

Während viele Teams regelmäßig große Ziele ankündigen - wie Alpines inzwischen aufgegebenes "100-Rennen-Projekt" von 2021 - ist dies für Sauber ein bisher beispielloser Ehrgeiz.

Doch laut Binotto ist dieses "gemeinsame Ziel mit Audi" gut durchdacht: Der Plan habe den Vorteil, genügend Zeit für den Aufbau der nötigen Grundlagen zu lassen.

Der Italiener verweist auf seine Zeit bei Ferrari, als das Team unter Jean Todt nach über 15 Jahren ohne Titel fünf Fahrer- und sechs Konstrukteurstitel in Serie holte: "Ich war bei Ferrari und erlebte eine fantastische Ära mit Michael Schumacher. Doch jedes Team braucht eine Aufbauzeit."


Fotostrecke: Michael Schumacher: Die Ferrari-Jahre

"Jean Todt kam 1993 nach Maranello - und der erste Titel folgte 2000. Und er ist nicht das einzige Beispiel für solide Grundlagenarbeit", erklärt Binotto.

"Schauen Sie sich McLarens Aufschwung an. Der ging auch nicht schnell. Es braucht Zeit, um an Infrastruktur, Werkzeugen, Menschen, Organisation und auch an der Kultur zu arbeiten."

"Audi bringt seine deutsche Kultur in ein Schweizer Team mit eigener Identität und einem wichtigen Anteil an internationalen Mitarbeitern ein. Das zu vereinen wird nicht einfach."

"Und wenn man von Kultur spricht, meint man Verhaltensweisen, Teamgeist. Es sollte nicht überraschen, dass das Zeit braucht. Es wird drei Jahre dauern, um aufzubauen, und zwei, um zu konsolidieren."

Mitarbeiter und Infrastruktur: Der Schlüssel auf drei Kontinenten

Die Grundlage des Umbaus sind zwei eng miteinander verbundene Säulen: Personal und Infrastruktur. Letzteres war für das Team in Hinwil schon immer eine Herausforderung: Viele erfahrene Formel-1-Ingenieure zögern, mit ihren Familien in die Schweiz zu ziehen.


Nico Hülkenberg und Audi: "Eine einmalige Chance!"

Ein deutscher Fahrer in einem deutschen Auto: Warum Nico Hülkenberg für die Formel-1-Saison 2025 zu Sauber wechselt und ab 2026 Audi-Werksfahrer sein Weitere Formel-1-Videos

Binotto kennt das Problem genau: "Wenn man versucht, in England Leute zu rekrutieren, ist nie der richtige Zeitpunkt - die Kinder sind noch in der Schule, die Frau hat einen Job, das Haus ist noch nicht verkauft", sagt er.

Aber: "Wer sagt denn, dass niemand in die Schweiz will? Ich denke, wir werden euch überraschen. Ich bin überzeugt von der Schweiz. Es ist ein guter Arbeitsort mit hoher Lebensqualität und einem sicheren, familienfreundlichen Umfeld. Das könnte zu unserem Wettbewerbsvorteil werden."

"Natürlich braucht es mehr als nur den Namen Audi. Es braucht auch Glaubwürdigkeit und konkrete Maßnahmen. Dazu gehört die Verpflichtung von Teamchef Jonathan Wheatley [von Red Bull] und neue Sponsoren, die wir bald ankündigen. Ebenso der Einstieg des Katar-Fonds, der die nötigen Mittel bereitstellt."

"Wir haben mit einer neuen Fahrerpaarung begonnen, darunter der junge Gabriel Bortoleto, und es stehen weitere Einstellungen an. Denn ich bin überzeugt: Wenn wir uns in einem Jahr wiedersehen, wird die Frage lauten: 'Wie habt ihr es geschafft, so viele Leute anzuziehen?'"


Fotostrecke: Das Formel-1-Showcar von Audi

Ein entscheidender Schritt ist das neue Sauber-Technologie-Zentrum in England, das Talente aus dem britischen "Motorsport-Valley" anlocken soll. Es wird direkt mit dem Werk in Hinwil (Chassis) und Neuburg (antrieb) zusammenarbeiten. Binotto erwartet die Eröffnung "in den nächsten Wochen", zunächst mit rund 20 Mitarbeitenden. Es soll als "Einstiegspunkt" für jene dienen, die nicht sofort in die Schweiz ziehen wollen.

In Hinwil steht derweil eine umfassende Modernisierung der Infrastruktur an - inklusive eines neuen Simulators.

"Wir arbeiten an vielen Fronten gleichzeitig", erklärt Binotto. "Wir müssen expandieren, also planen wir neue Gebäude. Wir brauchen mehr Leute und müssen unsere interne Fertigungskapazität erhöhen. Und wer Hinwil kennt, weiß: Die Erweiterung des aktuellen Standorts ist schwierig, also müssen wir ein Stück darüber hinausgehen."

Bedenkt man, dass Audi all dies stemmen muss und zugleich als erster neuer Motorenhersteller seit Hondas Problemen vor rund zehn Jahren in die Formel 1 einsteigt, wird klar: Die Herausforderung ist gewaltig. Doch Binotto ist überzeugt: Audi wird dieser Herausforderung gewachsen sein.