• 20.06.2006 12:43

Martinelli: "Zwei harte Rennen hintereinander"

Ferrari-Motorenchef Paolo Martinelli geht aufgrund der Charakteristik der Strecken in Montréal und Indianapolis von einer schweren Kombination für die Motoren aus

(Motorsport-Total.com) - Mit dem Grand Prix von Kanada beginnt am kommenden Wochenende in Montréal der Abstecher der Formel 1 nach Nordamerika, der Grand Prix der USA in Indianapolis folgt lediglich eine Woche später. Beide Strecken weisen dabei lange Geraden auf und erfordern somit neben einigen anderen Faktoren vor allem einen kräftigen Motor.

Titel-Bild zur News: Paolo Martinelli

Paolo Martinelli sieht Ferrari motorenseitig gut vorbereitet

"In Kanada benötigt man eine Kombination aus einer guten aerodynamischen Effizienz, starken Bremsen und natürlich einem leistungsstarken Motor für eine gute Beschleunigung", erklärt Paolo Martinelli, Motorenchef bei Ferrari, die Erfolgsfaktoren in Montréal. "Für den Motor ist die Strecke richtig hart, denn es gibt zahlreiche Beschleunigungsvorgänge und eine signifikant lange Gerade."#w1#

Beide Ferrari-Piloten in Kanada mit neuen Aggregaten

"Dass Indy direkt nach Kanada ansteht, bedeutet, dass wir zwei harte Rennen hintereinander haben." Paolo Martinelli

Doch nach dem Rennen auf dem 'Gilles Villeneuve Circuit' haben die Motoren von Michael Schumacher und Felipe Massa erst die Hälfte ihres Einsatzes geschafft. Da beide in Kanada mit neuen Aggregaten antreten, müssen diese in Indianapolis erneut verwendet werden: "Dass Indy direkt nach Kanada ansteht, bedeutet, dass wir zwei harte Rennen hintereinander haben - in diesem Saisondrittel ist das vermutlich die härteste Kombination bezüglich der Anforderungen an die Motoren."

"Kanada und Indy sind beide herausfordernd, aber es ist die Kombination der beiden Strecken, die den richtig schwierigen Aspekt ausmacht. Beide Kurse sind sehr anspruchsvoll", ist sich Martinelli sicher. Schließlich hat der 'Indianapolis Motor Speedway' eine ähnliche Charakteristik aufzuweisen wie Montréal: "Indy kombiniert eine sehr lange Gerade mit einer überhöhten Kurve, man steht also für mehr als 20 Sekunden voll auf dem Gaspedal. Wir können vermutlich etwa 22 Sekunden Vollgas erwarten, die längste derartige Passage im Rennkalender."

Testfahrten und Simulationen als Vorbereitung

Jedoch haben sich die "Roten" gut vorbereitet: "Wir haben große Anstrengungen bei der Vorbereitung auf diese beiden Grands Prix unternommen, haben Simulationen auf dem Prüfstand durchgeführt und in der vergangenen Woche in Le Castellet auf der Strecke getestet. Dort hatten wir einen großen Test, bei dem die Stamm- und die Testfahrer mit zwei Autos im Einsatz waren. Wir haben dort einen Long-Run durchgeführt, um das Verhalten des Motors bei den Rennen in Kanada und Indy so genau wie möglich simulieren zu können."

V8-Motor

Die Motoren werden bei den Rennen in Nordamerika besonders stark beansprucht Zoom

Durch die gründliche Vorbereitung geht Martinelli auch nicht davon aus, dass man beim ersten Einsatz der aktuellen V8-Motoren auf den beiden Strecken unangenehme Überraschungen erleben wird: "Wir haben genaue Software-Programme, mit denen wir das Verhalten des kompletten Autos simulieren können, damit sind wir also in der Lage, Drehzahlen, Getriebeabstufungen und das Setup des Autos vorhersagen zu können, bevor wir überhaupt dorthin kommen", beschreibt der Italiener.

"Zusätzlich können wir in Bezug auf den Motor das anstehende Rennen sehr exakt auf dem Prüfstand simulieren", fügt er hinzu. "Wenn man den V8- genauer mit dem V10-Motor des vergangenen Jahres vergleicht, dann wird die Zeitdauer, in der mit Vollgas gefahren wird, zwischen zehn und 20 Prozent höher liegen, und auch die mittleren Drehzahlen werden um 600 bis 800 Umdrehungen pro Minute höher sein. Das sorgt für eine deutlich härtere Beanspruchung der beweglichen Teile im Motor, beispielsweise Kolben, Ventile und andere Komponenten."

Kleine Sicherheitsreserve für maximale Leistung

"Es ist unmöglich, zu sagen, dass wir in Bezug auf die Standfestigkeit zu hundert Prozent sicher sind." Paolo Martinelli

Ferrari hatte zu Saisonbeginn noch Probleme mit der Zuverlässigkeit des Triebwerks, Martinelli ist jedoch zuversichtlich, dass man die Schwierigkeiten inzwischen behoben hat und die Motoren auch die beiden aufeinander folgenden anspruchsvollen Rennen gut durchstehen werden: "Zu Saisonbeginn haben wir ein unerwartetes technisches Problem mit dem V8-Motor entdeckt, das wir nach den Resultaten der Wintertestfahrten nicht vorhergesehen hatten", gesteht er.

"Wir haben das Problem in der Region der Kolben ausgemacht, es identifiziert und die Schwierigkeiten behoben. Abgesehen davon hatten wir keine signifikanten Probleme bezüglich der Zuverlässigkeit", fährt er fort. "Natürlich versuchen wir, uns bezüglich der Leistung kontinuierlich zu verbessern, auch wenn die nächsten beiden Rennen sehr schwierig sind. Es ist unmöglich, zu sagen, dass wir in Bezug auf die Standfestigkeit zu hundert Prozent sicher sind, denn in der Formel 1 ist die Sicherheitsreserve sehr klein. Lediglich ein Bereich von etwa zwei bis drei Prozent steht zur Verfügung, um den nötigen Level an Performance des Motors beizubehalten."

Bedingungen haben Einfluss auf die Zuverlässigkeit

Grundsätzlich sei Ferrari gut gerüstet, um sowohl leistungsmäßig als auch in Bezug auf die Zuverlässigkeit mit der Konkurrenz mithalten zu können. Doch auch die Bedingungen an den Rennwochenenden können noch einen großen Einfluss auf die Motoren haben: "Es gibt viele verschiedene Parameter. Man kann ein heißes Rennen haben, bei dem man bevorzugt an der Spitze fahren möchte, damit nicht andere Autos den Luftstrom durch die Kühler beeinflussen."

"In Qualifying und Rennen kann man den Motor nicht schonen." Paolo Martinelli

"Wenn sich der Wettbewerb als sehr hart herausstellt, dann muss man für die komplette Renndistanz, von der ersten bis zur letzten Runde, viel Druck machen, was für den Motor eine zusätzliche Belastung darstellt", beschreibt Martinelli ein weiteres Szenario. "Wir müssen immer für den schlimmsten Fall vorbereitet sein. Wir streben als Laufleistung etwa 600 Kilometer pro Veranstaltung an, bestehend aus 300 Kilometern im Rennen, dem Qualifying und den Freien Trainings."

Allerdings habe man nur wenige Möglichkeiten, den Motor auf die besonders harten Rennen speziell vorzubereiten: "Normalerweise versuchen wir, die Motoren in Bezug auf Drehzahlen und Temperatur während der Freien Trainings am Freitag und Samstagvormittag zu schonen", beschreibt der Motorenchef Ferraris. Für die in den Trainings durchgeführten Arbeiten sei schließlich nicht die komplette Motorleistung nötig. "Aber in Qualifying und Rennen kann man den Motor nicht schonen, außer man liegt mit großem Abstand in Führung. Aber in diesen Genuss ist in dieser Saison noch niemand gekommen", meint Martinelli abschließend.