• 10.01.2008 18:40

Marmorini: "Es ist jetzt wesentlich uninteressanter"

Toyota-Motorenchef Luca Marmorini nennt im Teaminterview negative Aspekte der Homologierung und spricht über den aktuellen Entwicklungsstand des RVX-08

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Ist der RVX-08 tatsächlich der selbe Motor wie der RVX-07?"
Luca Marmorini: "Ich würde sagen, innen ist es wegen der Motoren-Homologierung, mit der wir arbeiten müssen, derselbe. Es gab ein paar kleinere Modifikationen am Motor, die sich im Reglement bewegen und die wir der FIA zur Homologierung vorgelegt haben. Aber grundsätzlich ist das Kernstück des Motors dasselbe, mit dem wir die Saison 2006 beendet haben."

Titel-Bild zur News: Luca Marmorini

Luca Marmorini würde gern wieder mehr Freiheit bei der Entwicklung haben

Frage: "Welche Dinge konnten verändert werden?"
Marmorini: "Wir hatten eine klare Drehzahlbegrenzung und wir wussten, dass wir wichtige Komponten nicht grundlegend modifizieren konnten. Deshalb haben wir daran gearbeitet, die Lücke zwischen dem wahren Limit der Motors und dem, wie wir ihn nutzen, zu schließen. In der Vergangenheit haben wir da etwas Luft gelassen und sind nicht völlig ans Limit gegangen, weil wir immer noch die Drehzahl erhöhen oder Materialien austauschen konnten. Das durften wir seit 2007 nicht mehr tun. Deshalb mussten wir in die Forschung und die Entwicklung investieren, damit wir sichergehen, immer das volle Potential des Motors zu nutzen. Das bedeutet, dass nicht Komponenten verändert wurden, sondern die Art und Weise, wie wir den Motor nutzen."#w1#

Frage: "Konnte die Performance verbessert werden?"
Marmorini: "Ja, unsere Arbeit hatte positive Auswirkungen auf Performance und Rundenzeiten, aber wir sprechen hier sicher nicht über große Veränderungen, weil wir dazu nicht die Freiheit haben. Wir können nur innerhalb des sehr eng gesteckten Rahmens arbeiten, aber wir haben einige interessante Entwicklungen vorgenommen und wir erwarten uns für 2008 positive Ergebnisse."

Frage: "Wird der RVX-08 2008 konkurrenzfähig sein?"
Marmorini: "Ich denke ja. Wir sind recht zufrieden mit dem, wo wir stehen, aber arbeiten wie immer hart daran, uns noch zu verbessern."

Kritische Gedanken zur Homologierung

Frage: "Sie arbeiten nun seit über einem Jahren mit der Motorenhomologierung - was denken Sie darüber?"
Marmorini: "Es ist wesentlich uninteressanter geworden, weil wir uns auf sehr kleine Details konzentrieren. Das haben wir sowieso gemacht, weil ein gutes Formel-1-Team immer darauf achtet, dass alle Details passen. Aber mit dem derzeitigen Reglement hat man keine Chance, interessante Motorenkonzepte zu entwickeln, die man auch in Serienfahrzeugen einsetzen könnte. Aus Sicht der Motorenentwicklung ist es deshalb wesentlich uninteressanter. Wegen dieser Beschränkungen gehen wir immer ans Limit des Motors. Deshalb müssen wir viel Mühe und Ressourcen in die Qualität der Teile stecken. Wenn man den Motor immer an sein Limit bringen will, möchte man perfekte Teile haben. Das ist eine große Investition."

"Mit dem derzeitigen Reglement hat man keine Chance, interessante Motorenkonzepte zu entwickeln, die man auch in Serienfahrzeugen einsetzen könnte." Luca Marmorini

Frage: "Bedeutet die Homologierung, dass die Motoren in der Formel 1 jetzt weniger wichtig sind?"
Marmorini: "Man kann immer noch ein bisschen Entwicklung betreiben. Wir konzentrieren uns immer noch darauf, die Rundenzeiten zu verbessern. Aber das geht jetzt nicht mehr einfach über mehr Power oder eine höhere Drehzahl. Das ist nicht mehr erlaubt. Wir haben jedoch daran gearbeitet, den Motor so zu nutzen, dass wir die Rundenzeit trotzdem verbessern können. Schließlich müssen das Gesamtpaket gewinnen - Chassis und Motor. Toyota fertigt Motor und Chassis unter einem Dach, das ist ein großer Vorteil für uns."

Frage: "Welche Ziele soll der RVX-08 mit seiner Performance erreichen?"
Marmorini: "Es ist ganz ehrlich schwierig, unsere Ziele - außer der Zuverlässigkeit - im Detail zu nennen. Unser Ziel für dieses Jahr ist es, keinen Ausfall wegen eines Motorschadens zu haben. Das ist uns 2007 gelungen und wir erwarten uns, dass wir das wieder schaffen. Wir haben noch andere Ziele, aber da kann ich nicht ins Detail gehen, denn jeder sucht nach Ideen und etwas, mit dem er seine Performance noch steigern kann."

"Unser Ziel für dieses Jahr ist es, keinen Ausfall wegen eines Motorschadens zu haben." Luca Marmorini

Herausforderung Standard-ECU

Frage: "Was macht die ECU genau? Warum ist die Standard-ECU eine so wichtige Neuerung?"
Marmorini: "In einem Formel-1-Motor - ja sogar in jedem modernen Fahrzeugmotor - werden auch die mechanischen Teile von der Elektronik kontrolliert. Beim Thema Standard-ECU gibt es zwei Aspekte. Zum einen hat die FIA beschlossen, alle aktiven Kontrollsysteme wie die Traktionskontrolle zu verbieten. Zum anderen werden alle dieselbe Hardware benutzen. Das ist eine sehr große Neuerung. Ein hochdrehender Motor wie wir ihn im Formel-1-Auto haben, wird mit einem anderen Kontrollsystem auch eine völlig veränderte Dynamik haben."

Frage: "Wie groß war die Herausforderung, die Standard-ECU zu intergrieren?"
Marmorini: "Wir haben viele Tests auf dem Prüfstand gemacht und haben analysiert, wie zuverlässig der Motor mit dieser Standard-ECU ist. Dann haben wir viel an der Strecke gearbeitet, um zu lernen, wie man diese ECU benutzt, die für unsere Ingenieure neu war. Man muss viel in die Entwicklung investieren, um einen bestehenden Motor, der für ein anderes System gebaut wurde, anzupassen. Es ist nicht so einfach, den Motor mit einem neuen System richtig zum Laufen zu bringen und es war viel Arbeit für unsere Motorenleute und Elektroniker. Ich bin aber mit dem Fortschritt, den wir gemacht haben, zufrieden."

Toyota RVX-08

Der RVX-08 wurde an die neuen Gegebenheiten in der Formel 1 angepasst Zoom

Frage: "Wie wirkt sich die ECU auf die Leistung des Motors aus?"
Marmorini: "Das hängt davon ab. Wenn man in Betracht zieht, dass wir alle unsere Motoren fast am absoluten Limit benutzen, dann man muss man sich selbst ein Polster lassen, wenn man nicht genau versteht, wie man diese neue Hardware einsetzt. Man muss versuchen, sich zu verbessern und das Beste aus der neuen ECU und seinem Motor herauszuholen, mit der Hoffnung, keine Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit zu haben."

Die Starts sollen besser laufen

Frage: "Konnten die Start-Probleme, die es 2007 gab, gelöst werden?"
Marmorini: "Wir haben die Probleme, die wir 2007 an der Startlinie hatten, analysiert. Ich denke dass wir unser grundsätzliches Verständnis für alle Komponenten, die für einen guten Start wichtig sind - Reifen, Motor, Übersetzung, Kupplung und Fahrer - signifikant verbessern konnten. Wir sind mit dem, was wir während der Saison gelernt haben, recht zufrieden. Jetzt aber spielt der Fahrer wieder eine wichtigere Rolle und wir mussten unsere Herangehensweise für dieses Jahr leicht ändern. Wegen der Standard-ECU und dem Wegfall der anderen Kontrollsysteme bekommt der Fahrer wieder mehr Verantwortung und er hat wesentlich mehr Einfluss darauf, ob der Start gelingt."

Frage: "Wie bewerten Sie das erste Jahr der Partnerschaft mit Williams?"
Marmorini: "Es war für mich sehr positiv. In der Zusammenarbeit mit ihnen haben wir uns als Team definitiv weiterentwickelt, wobei wir die Tatsache respektiert haben, dass sie Gegner sind und jeder schneller sein will als der andere. Ich würde sagen, dass die Zusammenarbeit extrem gut funktioniert hat und dass wir dadurch auch wichtige Informationen gewinnen konnten. Denn wir hatten bei allen Rennen vier und nicht nur zwei Motoren dabei. Ebenfalls gut war, dass wir unseren Motor in einem konkurrenzfähigen Auto beobachten konnten und so einen Anhaltspunkt hatten. Wir freuen uns darauf, in diesem Jahr wieder mit ihnen zusammenzuarbeiten."