• 30.07.2007 20:03

  • von Michael Noir Trawniczek

Marko: "Chancen für junge Österreicher noch nie so groß"

Im Interview nimmt Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko unter anderem zum Red Bull-Juniorenprogramm Stellung

(Motorsport-Total.com) - Dr. Helmut Marko hat einen dicht gedrängten Terminkalender - zur 'Ennstal Classic', wo er beim Demo-Grand-Prix durch die Stadt Gröbming einen Porsche-Sportwagen pilotierte, kam er knapp vor dem Start. Der Red Bull-Motorsport-Berater nahm sich freundlicherweise die Zeit, um noch in der Startaufstellung ein Interview zu geben.

Titel-Bild zur News: Helmut Marko

Marko: Von 2.000 Junioren schaffen es jedes Jahr nur zwei in die Formel 1...

Frage: "Herr Dr. Marko, die Ennstal Classic bietet den Fans Motorsport zum Angreifen - wie erleben Sie diesen Event im Vergleich zur Formel 1?"
Helmut Marko: "Die Ennstal Classic ist in etwa so, wie Rennsport Ende der Sechziger-, anfangs der Siebzigerjahre war - wo das Publikum fast direkt an die Autos gelangen konnte, wo eine freundschaftliche, kameradschaftliche und lustige Atmosphäre herrschte. Wo es einfach lustig hergeht und der Sport im Vordergrund steht."#w1#

Frage: "Wäre so etwas heute noch möglich in der Formel 1?"
Marko: "Nein, das wäre absolut unmöglich."

Frage: "Kommen wir zu Red Bull Racing, wo Sie ja als Motorsport-Konsulent tätig sind. Das Team hatte in der ersten Saisonhälfte Probleme - auch weil der Windkanal falsche Daten ausgespuckt hat. Dieses Problem mit dem Kalibrieren neuer Windkanäle hatten mehrere Teams. Andererseits erzählte Peter Sauber hier in Gröbming, dass es beim neuen Windkanal der Schweizer keinerlei Probleme gab. Worauf kommt es da an beim Kalibrieren?"
Marko: "Naja, wir haben das bereits eingeschränkt auf zwei Bereiche und ich bin am Dienstag in England und werde dann also mehr wissen. Das Thema Windkanal ist etwas sehr diffiziles - man kann den Windtunnel von Sauber, der komplett neu gebaut wurde, leider nicht mit unserem vergleichen. Weil unserer auf der Basis eines Gebäudes aus den Fünfzigerjahren aufgebaut wurde, und da ist es natürlich mit der Adaption und der Installation um einiges schwieriger."

Frage: "Wie wirken sich diese zwar eingeschränkten aber immer noch vorhandenen Probleme auf den Bau des neuen Boliden aus? Man baut ja jetzt bereits das nächstjährige Auto, nehme ich an?"
Marko: "Nein, nein - das geht sich schon aus, denn wir wissen jetzt auch, um welche Tendenzen und Abweichungen es geht. Also, dieses blinde Heineintappen ist vorbei. Aber die Situation ist natürlich nicht optimal."

"Dieses blinde Heineintappen ist vorbei." Dr. Helmut Marko

Frage: "2008 sind Kundenautos offiziell erlaubt - kann man also sagen, dass Red Bull Engineering die 2008er-Autos für Red Bull Racing und die Scuderia Toro Rosso baut?"
Marko: "Das ist natürlich wieder zu unterscheiden. Da gibt es ja das Concorde Agreement - wenn das in Kraft tritt, dann ist es gestattet. Nur gibt es da jetzt Diskussionen über eine Änderung. Nachdem die aber einstimmig erfolgen muss, werden wir dieser Änderung nur zustimmen, wenn es klar ist, dass wir das Auto für ein zweites Team konstruieren und bauen dürfen."

Frage: "Gab es eigentlich auch von anderen Teams Anfragen bezüglich eines Kundenautos?"
Marko: "Wir könnten laut Reglement sowieso nur ein zweites Team mit Autos versorgen. Und von der Kapazität her wären mehr als zwei Teams sowieso unmöglich."

Frage: "Sie werden auch 2008 mit David Coulthard und Mark Webber antreten, beide sind über 30 Jahre alt. Beim letzten Grand Prix wurde diese Entscheidung bestätigt, im Regenchaos hat quasi die Erfahrung die Jugend besiegt - kann man das so sagen?"
Marko: "Ja, ganz klar. Es war bis auf Heikki Kovalainen kein einziger junger Fahrer in den Punkterängen und unter solchen Wetterverhältnissen macht sich natürlich die Routine bezahlt."

"Unter solchen Wetterverhältnissen macht sich natürlich die Routine bezahlt." Dr. Helmut Marko

Frage: "Es gibt das Red Bull-Junioren-Programm - da reden die Leute sehr viel darüber. Manche sagen auch, das Programm sei gescheitert. Was sagen Sie dazu?"
Marko: "Gut, dieses Thema wird emotional momentan etwas aufgebauscht - aber wir haben sehr gute Leute. Einer davon ist beispielsweise der Sébastien Buemi, der in der Formel 3 an zweiter Stelle liegt und gerade einen Formel-1-Test absolviert hat, der übrigens sehr gut war."

"Wir haben einen Neuseeländer, Brendon Hartley, der die Formel Renault 2 Liter-Europameisterschaft anführt. Es führt Sebastian Vettel in der Formel Renault 3,5 Liter V6 - Filipe Albuquerque, unser Portugiese ist Zweiter."

"Also wir haben eine Vielzahl von guten Fahrern, die in den Juniorkategorien sehr erfolgreich sind. Wenn man das Urteil über das Red Bull Juniorenprogramm nur an der Performance von Scott Speed und Tonio Liuzzi aufhängt, dann wird das der Sache nicht gerecht."

Frage: "In Österreich wird das Thema wahrscheinlich aus deshalb so emotional diskutiert, weil eigentlich kein Österreicher mehr dabei ist. Haben Sie für diese Emotionen in Österreich Verständnis?"
Marko: "Selbstverständlich, aber nur weil einer Österreicher ist, hat er bei uns noch lange keinen Stammplatz, den muss er sich durch Leistung verdienen. Die Voraussetzungen sind für alle gleich. In dem Sinne würde ich sagen: Die Chancen für junge Österreicher waren noch nie so groß. Noch nie so groß."

"Die Chancen für junge Österreicher waren noch nie so groß." Dr. Helmut Marko

Frage: "Was sagen Sie zu den Österreichern in der GP2-Serie, der kleinen Formel 1? Zu Andreas Zuber und Andy Soucek?"
Marko: "Soucek ist meines Wissens nach heuer noch nie in die Punkteränge gefahren. Und der Zuber hat ein sehr gutes Rennen abgeliefert."

Frage: "Würden Sie sich für den Andi Zuber interessieren?"
Marko: "Ich glaube, der Zuber muss seine Leistungen konstanter bringen."

Frage: "Sie gelten für viele als eine strenge Autoritätsperson - was sagen Sie dazu, dass Sie dieses Image haben?"
Marko: "Mit dem kann ich ohne weiteres leben. Man muss nur eines bedenken: Es kommen ungefähr 2.000 Nachwuchsleute jährlich und davon schaffen es grade einmal zwei in die Formel 1. Und wenn die Leute glauben, dass sie in der Formel 1 bei einem Kaffeekränzchen sind, dann sind sie da völlig falsch informiert. In der Formel 1 ist der Druck so groß, wie sich das überhaupt keiner vorstellen kann."

"In der Formel 1 ist der Druck so groß, wie sich das überhaupt keiner vorstellen kann." Dr. Helmut Marko

"Und dann darf man auch nicht vergessen, dass die Geldbeträge enorm sind, die hier einfließen, um jemanden durch all diese Nachwuchsserien zu bringen. Das ist natürlich auch finanziell eine sehr große Verantwortung."

Frage: "Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Leute, wenn sie es so weit schaffen, tatsächlich 'owezahn', wie man in Österreich sagt, also eine ruhige Kugel schieben."
Marko: "'Owezahn' würde ich auch nicht dazu sagen, sondern es geht einfach darum, dass manche Leute dem Druck nicht standhalten. Dass Leute vom Aufgabenbereich her nicht mehr mitmachen wollen, weil es ihnen einfach zu viel ist."

"Oder dass ihnen die Aufgabe technisch zu komplex wird - man darf ja nicht vergessen, wie komplex die Technik heutzutage geworden ist. Man muss sich heutzutage mit Datenaufzeichnungen, der Elektronik und all dem auseinandersetzen."

"Und dann kommt natürlich hinzu: Je höher man hinaufkommt, desto schwieriger wird es eben, so ein Auto im Grenzbereich zu bewegen. Und dann kommen Grenzen auf. Dann gibt es noch das Qualifying - wenn einer das nicht schafft, dann hilft es nichts, wenn er der beste Rennfahrer ist. Alex Wurz ist da ein gutes Beispiel, der sehr gute Rennen gefahren hat, der jedoch im Qualifying gegenüber Rosberg deutlich verloren hat."