• 04.09.2005 23:48

Marko: "Bei Red Bull ist vieles möglich!"

Helmut Marko, Motorsportbeauftragter bei Red Bull, über den möglichen Kauf eines zweiten Teams und Kliens Chancen auf noch ein Rennen

(Motorsport-Total.com) - Christian Klien und David Coulthard schrammten heute in Monza relativ deutlich an WM-Punkten vorbei. Weil auch der zukünftige Motorenlieferant Ferrari eine herbe Schlappe einstecken musste, hatte der Motorsportbeauftragte von Red Bull, Helmut Marko, nicht allzu viel zu lachen, als er am Abend in der TV-Sendung 'Sport am Sonntag' auftrat. Dennoch sprach der Österreicher wie immer offen aus, was er denkt - unter anderem über die geplante Fahrerrochade und die mögliche Übernahme des Minardi-Teams. Dank der freundlichen Genehmigung des 'ORF' kann das vollständige Interview nun auch bei 'F1Total.com' nachgelesen werden.

Titel-Bild zur News: Helmut Marko

Helmut Marko schließt nicht aus, dass Red Bull auch Minardi aufkaufen wird

Frage: "Herr Marko, warum gab es heute für Red-Bull-Cosworth keine Chance auf WM-Punkte?"
Helmut Marko: "Wir sind gezwungen, mit all unseren Daten und Einstellungen ans Limit zu gehen, damit wir mit den Werksteams halbwegs mithalten können, vor allem im direkten Kampf in der Konstrukteurs-WM um den sechsten Platz gegen BAR-Honda. Zur Vorgeschichte: Bis Samstagvormittag muss man die Reifenwahl treffen. Wir haben uns sozusagen für die härteste weiche Mischung entschieden."#w1#

Nächtlicher Regen bremste Red-Bull-Cosworth in Monza

"Über Nacht kam aber Regen, der den ganzen Gummibelag weggewaschen hat. Dadurch und dadurch, dass wir fahrwerksmäßig auch am Limit waren, ist es bei Klien zu dem Übersteuern gekommen. Bei Coulthard, der in eine Startkollision verwickelt war, hat das Team sehr gut reagiert und von einer Zweistopp- auf eine Einstoppstrategie umgestellt. Das heißt, er hatte 50 Kilogramm mehr Sprit an Bord - und 50 Kilogramm sind in der Formel 1 sehr viel. Dieses Mehrgewicht hat die Balance und die Reifen zerstört. Ähnliches ist ja auch bei McLaren passiert."

Frage: "In der Konstrukteurs-WM liegen Sie noch zwei Punkte vor BAR-Honda. Wie sehen Sie vier Rennen vor Schluss die Ausgangslage in diesem Duell?"
Marko: "Vernünftig betrachtet? Keine Chance! Aber wir sagen, dass wir das erreichen wollen, also unternehmen wir auch alles dafür. Noch einmal: Es war nicht die falsche Reifenwahl, sondern dieser Regen war auf keiner Wettervorhersage - und er war intensiv. Wenn wir von vornherein härtere Reifen genommen hätten, hätten wir überhaupt nicht diesen Speed gehen können."

Frage: "War Monza das letzte Rennen für Christian Klien oder wird er auch in einer Woche in Spa noch fahren?"
Marko: "Also da muss ich etwas ausholen. Es geht ja nicht nur um den Christian Klien. Es geht erstens einmal um Red Bull Racing, das eingestiegen ist und sich als Ziel gesetzt hat, in drei Jahren aus eigener Kraft Grands Prix zu gewinnen. Jetzt machen wir am Auto, am Motor und überall entsprechende Fortschritte, also müssen wir auch auf der Fahrerseite evaluieren, damit das, was technisch weitergeht, fahrerseitig auch passiert. Das ist einmal eine Seite."

Zu viele Nachwuchstalente für zu wenig Cockpits...

"Die andere ist, dass das Red-Bull-Juniorenprogramm quasi zu erfolgreich ist. Wir haben ja nicht nur Liuzzi und Klien, sondern wir haben auch einen Neel Jani und einen Scott Speed, und eine Ebene darunter haben wir wieder zwei, drei, die da nachdrängen. Irgendetwas muss sich Red Bull einfallen lassen, damit die Piloten in der Formel 1 unterkommen. Es ist aber eine Firmenphilosophie, dass man die Leute nicht hängen lässt. Wir sind bemüht darum - es gibt auch Gespräche -, dass in irgendeiner Form das Gros unserer Piloten zum Einsatz kommt."

Frage: "Sie sind jetzt meiner Frage gut ausgewichen, also noch einmal: Wird Christian Klien noch einmal fahren oder ist das diesjährige Programm für ihn abgeschlossen?"
Marko: "Wir haben gesagt, dass wir eine Evaluierung nach Monza machen. Das wird morgen in Salzburg passieren. Danach wird entschieden."

Frage: "Welche Meinung werden Sie in diese Evaluierung einbringen?"
Marko: "Wir haben gesehen, dass Kontinuität ein sehr wichtiger Faktor ist. Auf der anderen Seite wissen wir aber auch, dass wir dem Liuzzi Rennchancen geben müssen um beurteilen zu können, wie gut er im Rennen ist. Es wird ein guter Kompromiss werden."

Klien bekommt in Spa wahrscheinlich seine letzte Chance

Frage: "Könnte dieser Kompromiss so aussehen, dass Christian Klien noch ein Rennen bis zum Fahrerwechsel fahren wird?"
Marko: "Das könnte so aussehen."

Frage: "Steht bereits fest, dass es 2006 keine solche Fahrerrotation mehr geben wird?"
Marko: "Es ist klar, dass die Strategie dahin geht, dass die Leute ihr Cockpit für das ganze Jahr haben, ja."

Frage: "Ist das ein Eingeständnis, dass das dieses Jahr vielleicht doch keine so gute Idee war?"
Marko: "Wir mussten ein Bild von den Fahrern bekommen. Im Nachhinein betrachtet war der einzige Fehler, dass wir vielleicht einen längeren Rhythmus machen hätten sollen - nicht nach drei Rennen wechseln, sondern nach sechs, wie wir es nach dem ersten Wechsel dann gemacht haben. Aber man lernt aus Fehlern, und diesen werden wir nicht noch einmal machen."

Frage: "Sie haben eben schon angesprochen, dass Sie zu viele Fahrer haben. Es gibt Gerüchte über eine Übernahme des Minardi-Teams. Ist das wirklich ein Thema?"
Marko: "Ich habe vorhin schon gesagt: Wir versuchen, für unsere Fahrer Einsatzmöglichkeiten zu finden. Überall dort, wo es Plätze gibt, sprechen wir. Minardi hat zwei Fahrercockpits frei. Da gibt es intensive Gespräche, wie und unter welchen Konditionen das möglich wäre."

Marko will eine Minardi-Totalübernahme nicht ausschließen

"Das wird natürlich medial schon wieder etwas aufgebauscht, aber auf der anderen Seite ist bei Red Bull vieles möglich..." Helmut Marko

Frage: "Das heißt, das geht von der Übernahme des Teams bis dahin, dass man sich nur die Startplätze kauft, richtig?"
Marko: "Wir sprechen über Fahrerplätze. Das wird natürlich medial schon wieder etwas aufgebauscht, aber auf der anderen Seite ist bei Red Bull vieles möglich."

Frage: "Michael Schumacher und Rubens Barrichello kamen heute beim Heimrennen von Ferrari nicht einmal in die Punkte. Wieso erfangen sich die einfach nicht?"
Marko: "Ich glaube, ein Großteil geht auf den Saisonbeginn zurück. Ferrari war zu überheblich und hat das neue Auto erst nach drei Rennen gebracht, weil sie dachten, ihr Vorjahresmodell sei schnell genug. Zwischenzeitlich haben McLaren und Renault enorm aufgeholt. So einen Vorsprung kann man in der heutigen Formel 1 nicht mehr wettmachen. Dazu kam, dass sie mit Bridgestone einen Reifen hatten, der die meiste Zeit einfach nicht wettbewerbsfähig war."

Frage: "War das heute schon endgültig der WM-Titel für Fernando Alonso?"
Marko: "Ich glaube, bei meinem letzten Besuch habe ich schon gesagt, dass Alonso nur noch auf Platz fahren muss, was er aber nicht tut. Der hetzt die Mercedes' in Fehler oder in Materialschäden, greift kontinuierlich an! Der Renault ist das zuverlässigere Auto. Die Mercedes' sind nicht standfest genug. Für mich ist klar, dass er Weltmeister wird, außer es passiert etwas Außergewöhnliches."