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Lopez: Warum Renault rückwärts fährt

Renault-Teambesitzer Gerard Lopez kennt drei Gründe, warum man vom Saisonziel, Rennen zu gewinnen, weit entfernt ist, und nimmt die Fahrer in die Pflicht

(Motorsport-Total.com) - Renault ging als Geheimtipp in die Saison - ein innovatives Auto mit einem radikalen Auspuff-System sowie ein Aufwärtstrend im Jahr 2010 sorgten dafür, dass sich die Entscheidungsträger in Enstone durchaus Hoffnungen auf eine gute Saison machen durften. Bloß der schwere Rallyecrash von Robert Kubica überschattete die gute Vorbereitung. Mit den Podestplätzen von Witali Petrow und Nick Heidfeld in Melbourne und in Sepang ging die Saison dann tatsächlich vielversprechend los, doch nach und nach verlor man an Momentum und schlitterte immer tiefer in die Krise.

Titel-Bild zur News: Gerard Lopez

Gerard Lopez wollte dieses Jahr mit Renault eigentlich um Siege kämpfen

Nach den ersten elf Saisonrennen rangiert Renault mit 66 Punkten auf dem fünften Platz in der Konstrukteurs-WM - 42 Zähler holte man alleine in den ersten vier Grands Prix. Ein Beweis für den Abstieg des Rennstalls im Laufe der Saison. "Wir liegen hinter unseren Erwartungen", gibt auch Genii-Chef und Teambesitzer Gerard Lopez gegenüber 'ESPN F1' zu. "Daran besteht kein Zweifel. Einige Variablen haben gegen uns gespielt."

Doch worauf bezieht sich Lopez? Was sind die Gründe für die Teamkrise? Lopez antwortet: "Fangen wir damit an, dass wir unseren Windkanal zu einer Zeit schließen mussten, als wir gerade den Großteil unserer Entwicklungen während der Saison machten." Ein heftiger Schlag, der laut dem Teambesitzer nicht zu verhindern war: "Wir mussten den Windkanal von 50-Prozent- auf 60-Prozent-Modelle umrüsten - das war zu diesem Zeitpunkt notwendig, damit wir mit dem Programm für das neue Auto anfangen konnten."

Windkanal-Umstellung und Reglement-Chaos

In diesem Fall hatte der Bolide für die kommende Saison freilich Vorrang. "Wir hatten in Wirklichkeit keine Wahl", so Lopez. "Wir konnten das neue Auto nicht opfern, also opferten wir Performance zur Saisonmitte, aber das war die einzig mögliche Entscheidung."

Doch das war nicht der einzige Grund, warum Renault zur Saisonmitte gehörig ins Schleudern kam. Zu allem Überdruss veränderte die FIA das Diffusor-Reglement ab dem Valencia-Rennen: Zunächst wurde verboten, die Motoreneinstellungen zwischen Qualifying und Rennen zu verändern, wodurch die Qualifying-Leistungen von Renault beeinträchtigt wurden. Kurzzeitig wurde in Silverstone sogar das Zwischengas verboten, später ruderte man aber wieder zum Valencia-Reglement zurück.

"Zumindest weiß man, warum man zurückgefallen ist." Gerard Lopez

Auch wenn Renault im Vorfeld stets beteuerte, dass man durch die Reglementänderungen keinen Nachteil gegenüber der Konkurrenz hätte, erwies sich dies als Trugschluss. "Wir entwickelten das Auto komplett um das Auspuff-System herum und wir hätten nicht erwartet, welche Auswirkungen die ständigen Reglementänderungen für uns haben würden", gibt Lopez zu. Das Auspuffsystem "war einer unserer größten Unterscheidungs- und Entwicklungsmerkmale - wir wurden also sehr hart getroffen."

Lopez gibt Fahrern Mitschuld

Für den Genii-Boss steht fest, dass diese zwei Faktoren für die technischen Probleme Renaults verantwortlich sind. "Glücklicherweise ist es messbar, daher kann man festmachen, warum man an Performance verloren hat", sieht Lopez die Sache positiv. "Es gibt viel Bedauern, aber zumindest weiß man, warum man zurückgefallen ist."

Doch er sieht nicht die gesamte Schuld des Rückfalls beim Team. "Was die echte Weiterentwicklung angeht, haben wir interessanterweise den Output von Windkanal, CFD und Karosseriebau im Vergleich zum Vorjahr vergrößert", wundert sich Lopez.

"Als unsere Performance nachließ, haben unsere Fahrer nicht die Leistung gebracht." Gerard Lopez

Er ortet einen dritten Grund für den Rückfall: "Ziemlich genau zur gleichen Zeit, als unsere Performance nachließ, haben unsere Fahrer nicht die Leistung gebracht und den Performance-Verlust damit nicht kompensiert. Die Kombination dieser drei Faktoren hat dafür gesorgt, dass wir vom dritten oder vierten auf den fünften Platz zurückgefallen sind. Jetzt müssen wir all das wieder aufholen und den vierten Platz anvisieren, was nicht einfach wird, da auch Mercedes große Fortschritte gemacht hat."

Belgien als Trendwende?

Kein Wunder, dass die Anspannung vor dem Grand Prix von Belgien nun größer ist als vor anderen Rennen. Lopez fragt sich, ob sein Team über die Sommerpause hinweg den Rückstand teilweise aufholen konnte, auch wenn die Fabriken zwei Wochen lang geschlossen waren: "Für und wird es ganz klar ein Moment der Wahrheit, denn wir haben unsere Köpfe zusammengesteckt und analysiert, was bei den letzten Rennen schief gelaufen ist und haben Lösungen gebracht, mit denen wir hoffentlich wieder ein konkurrenzfähiges Paket besitzen werden. In Spa wissen wir, ob wir konkurrenzfähig sind oder nicht."¿pbvin|512|3976||0|1pb¿

Auch wenn man bei den vergangenen Rennen von außen nicht den Eindruck hatte, als würde man bei Renault der Probleme Herr werden, behauptet Lopez, dass das Gegenteil der Fall ist: "Hinter verschlossenen Toren ist viel passiert und wir gerieten nie in Panik."

"In Spa wissen wir, ob wir konkurrenzfähig sind oder nicht." Gerard Lopez

Wären Siege möglich gewesen?

Das ursprüngliche Ziel, diese Saison Siege einzufahren, ist zwar klar außer Reichweite - Lopez ist aber der Meinung, dass auch externe Faktoren dafür verantwortlich sind. "Mit dem Auto, das wir zu Saisonbeginn hatten, ohne die Probleme mit dem Auspuffsystem und dem Windkanal und mit Kubica im Cockpit hätten wir unser Ziel, Rennen zu gewinnen, absolut erreichen können", übt er einmal mehr leise Kritik an seinen Piloten Heidfeld und Petrow.

Dennoch kehrt man nun nicht von der ursprünglichen Zielvorgabe ab: "Wir wollen eines der Spitzenteams sein und das beinhaltet Rennsiege. In der Formel 1 muss man nach vorne schauen und nicht nach hinten - zu Saisonbeginn dachten wir, dass wir um den dritten Platz kämpfen würden, aber durch die Variablen, die gegen uns gearbeitet haben, muss der vierte Platz das Ziel sein, um das wir kämpfen werden."

"Durch die Variablen, die gegen uns gearbeitet haben, muss der vierte Platz das Ziel sein." Gerard Lopez