Liuzzi: "Wir sind wieder bei der Musik dabei"
Force-India-Fahrer Vitantonio Liuzzi im Interview über die Form seines Teams in Spa, die jüngsten Updates und die Hoffnungen auf einen Top-10-Platz
(Motorsport-Total.com) - In den vergangenen Rennen konnte Force India keine WM-Zähler einstreichen, doch nun hat das Team um Vitantonio Liuzzi die Top 10 wieder fest ins Auge gefasst. Im belgischen Spa-Francorchamps möchte der indisch-britische Rennstall erstmals mit dem auspuffangeströmten Diffusor ins Rennen gehen und erhofft sich davon einen kleinen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. In seiner Medienrunde spricht Liuzzi über seine Wünsche für das Wochenende in den Ardennen.

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Vitantonio Liuzzi verspricht sich einiges von den Neuerungen seines Rennstalls
Frage: "Tonio, wie war deine Sommerpause? Hattest du einen schönen Urlaub?"
Vitantonio Liuzzi: "Ja, der Urlaub war prima. Es fühlte sich nur wie ein komplettes Jahr an (lacht; Anm. d. Red.). Es ist schön, wieder zurück zu sein. Anfangs war die viele Freizeit richtig klasse, doch zum Schluss lag das letzte Rennen einfach zu weit in der Vergangenheit. Ich habe das Rennfahren schließlich doch sehr vermisst. Es ist aber auf alle Fälle kein Fehler, einmal eine oder zwei Wochen frei zu haben."#w1#
Frage: "Wir sind wieder einmal in Spa, wo Force India im vergangenen Jahr eine ausgezeichnete Leistung zeigen konnte. Könnt ihr das 2010 wiederholen?"
Liuzzi: "Das Belgien-Rennen 2009 war ein Schock für alle, denn niemand hätte damit gerechnet, dass wir derart konkurrenzfähig sein würden. In diesem Jahr wird es gewiss anders zugehen. Wir werden sicherlich wettbewerbsfähig sein."
"Das waren wir ja schließlich schon in den vergangenen Rennen. Nur haben wir dabei halt keine Punkte mitgenommen. Hier in Spa haben wir diesbezüglich eine bessere Chance, weil die Strecke den Charakteristiken unseres Autos etwas mehr entgegen kommt. Wir denken, dass wir ziemlich stark sein können. Eine Wiederholung des Resultats aus dem Vorjahr anzustreben wird aber wohl ungeheuer schwierig."
"Ich vermute, alle anderen Teams sind etwas aufgewacht und haben spitzgekriegt, weshalb wir 2009 auf dieser Art von Strecke derart stark waren. Manche Rennställe haben ihre Autos in diesem Jahr bestimmt dahingehend entwickelt. Wir können ein gutes Wochenende haben, doch das Podium zu erreichen wird sehr, sehr hart."
Ist der VJM03 in Spa eine Klasse für sich?
Frage: "Die Schnelligkeit auf den Geraden war eine große Stärke des VJM02 aus der vergangenen Saison. Konntet ihr diese Charakteristiken auch beim VJM03 umsetzen?"
Liuzzi: "Zweifelsohne. Im Winter haben wir sehr hart daran gearbeitet, den Abtrieb zu verbessern."
"Gleichzeitig lag uns viel daran, den geringen Luftwiderstand auch am diesjährigen Auto beizubehalten. Das war ja schließlich ein großes Plus des VJM02. Wir mussten natürlich einen Kompromiss eingehen, konnten uns allerdings in allen Bereichen steigern. Wir sind besser geworden. Auf einer so schnellen Strecke wie Spa sollten wir jedenfalls noch immer einen kleinen Vorteil haben."
Frage: "In Ungarn zählte Force India nicht zu den Schnellsten. Habt ihr etwas von eurer Leistung auf der Geraden eingebüßt?"
Liuzzi: "In Ungarn gibt es ja nun nicht wirklich viele lange Geraden. Damit schienen wir unsere Probleme zu haben. Das war keine große Sache, aber eben spürbar."
"In Silverstone hatten wir ähnliche Schwierigkeiten, doch diese fürchten wir nun nicht mehr. Das sollte hinter uns liegen. So schreibt eben jedes Rennen seine eigene Geschichte. Was in Spa zu machen ist, werden wir am Freitag sehen. Hier und in Monza sollten wir nicht allzu viele Probleme bekommen."
Frage: "War es schwierig für das Team, den angeblasenen Heckflügel optimal umzusetzen?"
Liuzzi: "Das sind sehr komplexe Systeme, die aus vielen aneinander gesetzten Röhren bestehen. Durch ein kleines Loch kannst du den Luftfluss steuern."
"Manchmal findet man den Fehler eben nicht so schnell, weil es ein recht kompliziertes Teil ist - wie ich schon sagte. Wir mussten ein paar Elemente auswechseln, um die Fehlerquelle zu finden. Es ging unter anderem darum, das Loch richtig abzudecken."¿pbvin|512|3055|sutil|0|1pb¿
Die Top 10 sind das Ziel für Force India
Frage: "Wie werdet ihr den angeblasenen Heckflügel in Spa einsetzen: Eher, um etwas mehr Abtrieb im Mittelsektor zu generieren oder um mehr Topspeed auf der Geraden zu erzielen?"
Liuzzi: "Das kommt ganz auf das jeweilige Team an. Jedes Heckflügel-System oder der F-Schacht bei der Konkurrenz arbeitet anders."
"Das ist abhängig vom Zugewinn durch das Element und dem Abtriebsniveau, das du einsetzt. Am Ende ist es eine Balance zwischen dem Zugewinn durch den reinen Abtrieb und dem Zugewinn durch den F-Schacht. Der Kompromiss macht's."
"Ich denke, wir werden diesbezüglich unterschiedliche Herangehensweisen sehen. Der Freitag wird interessant werden. Es gibt sicherlich einige Teams, die ohne F-Schacht am Start sein werden. Die Mentalität des jeweiligen Teams wird darüber entscheiden."
Frage: "Deutschland und Ungarn waren nicht gerade tolle Wochenenden für Force India. Wie stehen die Chancen in Belgien, beide Autos weit nach vorne und in die Punkte zu bringen?"
Liuzzi: "Wir müssen zeigen, dass wir wieder am Ball sind. Das ist wichtig. Die jüngsten Rennen waren grundsätzlich nicht so schlecht für uns, wir hatten halt nur etwas Pech. Dadurch konnten wir keine Punkte einfahren."
"Sämtliche Teams, die zu Saisonbeginn noch hinter uns lagen, haben sich ein bisschen verbessert. Insgesamt ist das Feld enger zusammengerückt. Wir haben aber auch Fortschritte gemacht. Im Rennen sind wir gut dabei, weil unsere Geschwindigkeit im Grand Prix zuletzt sehr stark war. Es ging sich einfach nicht für WM-Punkte aus. Für uns dreht es sich nun darum, zu bestätigen, dass wir wieder konkurrenzfähig in den Top 10 ankommen können."
"Wir haben es auf Punkte abgesehen. Damit würden wir einen ordentlichen Start in die zweite Saisonphase hinlegen. Spa und Monza sind diesbezüglich besonders wichtig für uns, denn die Charakteristiken dieser Kurse kommt unserem Auto sehr zupass. Aus diesem Grund wollen wir mit beiden Fahrzeugen in die Punkte fahren. Damit sollten wir in Spa beginnen."
Frage: "In Spa und Monza habt ihr vielleicht die größten Chancen auf ein Topergebnis. Was würde ein gutes Resultat auf diesen Kursen bedeuten - auch im Hinblick auf das kommende Jahr?"
Liuzzi: "Es ist immer wichtig, ein gutes Ergebnis zu holen. Das gilt für die Karriere eines jeden Rennfahrers und für jedes Team."
"Als wir bei Force India angefangen haben, war klar, dass wir eine langfristige Partnerschaft eingehen würden. Ich schaue daher sehr zuversichtlich in die Zukunft. Du willst bei jedem Rennen einhundert Prozent geben und gute Resultate einfahren."
"Ergebnisse sind immer wichtig - ob dein Platz nun sicher ist oder nicht. Vollgas gibst du aber ohnehin. Für uns beginnt nun eine sehr bedeutsame Phase der Saison, denn wir wollen unbedingt den sechsten WM-Rang bei den Konstrukteuren belegen. Ich werde mein Bestes geben, um dem Team dabei zu helfen, dieses Ziel zu erreichen."
Die Konkurrenz ist näher an Force India dran
Frage: "Im Saisonverlauf konntet ihr immer wieder in Q3 vordringen. Ist das angesichts der jüngsten Entwicklungen der Konkurrenz auch in Spa möglich? Zuletzt schien Force India etwas ins Hintertreffen geraten zu sein..."
Liuzzi: "Auch wir haben in den vergangenen Wochen kräftig entwickelt. Unsere größte Neuerung ist der auspuffangeströmte Diffusor."
"Wir haben etwas Zeit gebraucht, um dieses Teil vollkommen zum Arbeiten zu bringen. Wir sind überzeugt davon, dass es hier funktionieren wird. Vielleicht gewinnen wir nun das Bisschen an Zeit, das es in den vergangenen Rennen so eng gemacht hat. Ich sehe nicht, dass wir einen Schritt zurück gemacht hätten. Bei uns ist es immer voran gegangen. Die anderen Teams haben eben nicht geschlafen."
"In unserem Bereich ist das Feld noch enger zusammengerückt. Zwischen dem Auto auf Platz sechs und dem Fahrzeug auf Platz 14 sind die Abstände wirklich sehr gering. Schon kleine Fehler reichen aus, um deine Teilnahme an Q3 zu verhindern. Wir glauben nicht, langsamer zu sein. Wir hatten zuletzt einfach nur eine harte Zeit. Ab Spa sind wir aber wieder bei der Musik dabei."
Frage: "Wie viel Arbeit habt ihr dafür im Simulator verrichtet?"
Liuzzi: "Unmittelbar nach der Sommerpause haben wir einen Tag im Simulator verbracht, um Spa und Monza auszuprobieren. Wir sollten sowohl in Belgien als auch in Italien eine gute Balance haben. Davon gehen wir aus. Jetzt müssen wir sehen, was das Wetter macht. In Spa kann sich alles schon binnen weniger Stunden komplett auf den Kopf stellen."
Frage: "Was würdest du sagen: Konntest du deine Kritiker mit deinen bisherigen Ergebnissen zum Verstummen bringen oder hattest du dafür eine Spur zu viel Pech?"
Liuzzi: "Es geht nicht so sehr um Glück oder Pech. Im Team wissen wir sehr genau über die Gründe Bescheid und sprechen auch darüber."
"Manchmal waren wir zu langsam, manchmal gab es - wie in Malaysia - ein Problem mit dem Gaspedal. Uns ist klar, weshalb es in gewissen Rennen nicht allzu prima für uns lief. Wir haben das Vertrauen, dass wir bei der Musik sind, wenn unser Paket voll und ganz funktioniert. Dann sind wir konkurrenzfähig genug, um Punkte abzugreifen."
2010: Mit Vollgas durch die Eau Rouge?
Frage: "Wie wichtig wird es an diesem Wochenende sein, den auspuffangeströmten Diffusor im Rennen einsetzen zu können?"
Liuzzi: "Das ist ein Bauteil, das uns eine Weile beschäftigte, ehe wir es zum Arbeiten brachten. Ich denke, das wird in Bezug auf die Rundenzeit einen großen Zugewinn darstellen."
"In Ungarn haben wir dieses Element schon einmal ausprobiert, doch dort war es eben noch nicht rennbereit. Nun sind wir sehr zuversichtlich, dass wir den neuen Diffusor an diesem Wochenende einsetzen können. Dieses Teil sollte uns einen Zeitvorteil, aber auch ein besseres Handling bescheren. Danach sieht es zumindest aus. Ich bin schon sehr gespannt darauf, diese Neuerung am Freitagmorgen zu testen."
Frage: "Die Eau Rouge schien in den vergangenen Jahren etwas von ihrem Mythos eingebüßt zu haben. Wird diese Herausforderung durch die vollen Tanks zu Beginn des Rennens nun wieder etwas größer?"
Liuzzi: "Ich denke, diese Passage wird im Rennen wieder mehr Spaß machen."
"Für eine Herausforderung halte ich das aber nicht, denn je mehr Sprit du ins Auto füllst, umso langsamer und träger wird alles. Ich denke, die Eau Rouge wird sicherlich mit Vollgas zu durchfahren sein. Im Trockenen ist diese Senke ohnehin schon zu einfach. Das wird also nicht viel verändern."
"Selbst beim Start des Rennens können wir dort bestimmt mit Bleifuß durchfahren. Vielleicht müssen wir einmal kurz zurückschalten, bevor es auf die lange Gerade geht. Schwieriger wird dieser Abschnitt durch die volleren Tanks also nicht. Weil wir alle in einem Pulk fahren, sind die ersten Runden in Spa aber allemal eine Herausforderung."
Frage: "Du rechnest also damit, dass die Eau Rouge auch mit vollen Tanks absolut voll geht?"
Liuzzi: "Ich denke schon. Das werden wir am Freitag ausprobieren, wenn wir eine Rennsimulation durchführen. Die Eau Rouge sollte voll gehen. Interessant ist nur der Punkt, an dem wir zurückschalten müssen - wir haben im Rennen ja schließlich 140 Kilogramm Benzin an Bord. Mit dem siebten Gang könnte es schwierig werden, dieses Gewicht den Hügel hinauf zu drücken."

