• 29.07.2010 15:47

  • von Michael Noir Trawniczek

Liuzzi gegen Testfahrten: "So ist es ausgeglichener"

Force-India-Pilot Vitantonio Liuzzi hat die Schwierigkeiten bei seiner Rückkehr ins Renncockpit selbst erlebt: "Aber das Testverbot ist für uns ein Vorteil"

(Motorsport-Total.com) - In der Formel 1 soll das aktuelle Testverbot eventuell wieder aufglockert werden. Vor allem die großen Teams machen sich für mehr Testchancen stark, um im harten Entwicklungswettkampf Vorteile zu haben. Das Beispiel von Michael Schumacher zeigt allerdings erneut, wie schwierig es für Piloten ist, die plötzlich in einem Formel-1-Auto fahren müssen. Force-India-Pilot Vitantonio Liuzzi musste 2009 unter solchen Bedingungen wieder einsteigen. Von seinen Erfahrungen berichtete der Italiener am Sonnerstag in Ungarn.

Titel-Bild zur News: Vitantonio Liuzzi

Liuzzi kehrte 2009 nach dem Wechsel von Fisichella ins Renncockpit zurück

Frage: "Vitantonio, sollte das Testverbot zumindest für junge Fahrer wieder gelockert werden?"
Vitantonio Liuzzi: "Der Schritt in die Formel 1 ist groß, sogar wenn man nur innerhalb der Königsklasse das Auto wechseln will. Man hat es im vergangenen Jahr bei mir in Monza gesehen. Natürlich wären Tests für die Piloten besser. Gleichzeitig denke ich aber auch, dass ein Testverbot besser für uns und generell besser für kleine Teams ist. Die großen Teams mit ihren riesigen Budgets würden uns sonst aufgrund der möglichen Tests zwischen den Rennen davonziehen."#w1#

"Die aktuelle Regel hilft uns also. Das Starterfeld wird so mehr auf einem gemeinsamen Level gehalten, es ist enger. Sonst wären die Unterschiede schon allein aufgrund der Budgets ganz anders. Für junge Fahrer ist es so natürlich aber schwierig. Einige Tests im Rahmen von Grand-Prix-Wochenenden wären da hilfreich, aber ich finde es eigentlich so gut, wie es derzeit ist. Es wird dadurch schwieriger, aber die Formel 1 ist ohnehin nicht einfach. Sie ist gemacht für harte Leute. Ich bin beim Thema Testfahrten wirklich zwiegespalten - 50:50."

Frage: "Du selbst musst manchmal an Freitagvormittagen aussetzen, weil euer Team einem jungen Piloten eine Testchance gibt. Sollte es nicht abseits der offiziellen Sessions Chancen für die Youngster geben?"
Liuzzi: "Das ist bei uns eben die Herangehensweise des Teams. Als wir uns zu Saisonbeginn über dieses Thema unterhalten haben, sagten wir: 'Warum nicht?'. Ich konnte nach meinen Problemen im vergangenen Jahr natürlich nachvollziehen, dass es sonst für Ersatz- oder Testfahrer schwierig wird. Natürlich hilft mir das Aussetzen nicht gerade, aber ein großes Manko ist es auch nicht. Am Freitagmorgen ist die Strecke ohnehin immer noch sehr schmutzig, man fährt nicht allzu viele Runden."

"Auch bei diesem Thema sehe ich es 50:50. Ich verstehe die Haltung des Teams. Ich bin auch kein Pilot, der nun viele Kilometer braucht, um sich wieder an das Auto zu gewöhnen und schnell zu sein. Es ist eben ein harter Sport. Entweder kannst du dich zu 100 Prozent damit abfinden, oder du bist ganz schnell kein Teil mehr dessen."


Fotos: Großer Preis von Ungarn, Pre-Events


Frage: "Blicken wir kurz voraus auf Spa-Francorchamps. Dort war Force India im vergangenen Jahr sehr gut, Giancarlo Fisichella hätte fast gewonnen. Rechnest du damit, dass auch in diesem Jahr eventuell ein Podestplatz möglich sein könnte?"
Liuzzi: "Definitiv sind Spa und Monza zwei ganz besondere Rennen für uns. Ich habe auch im vergangenen Jahr bei meinem Comeback teils ein richtig gutes Tempo fahren können, ich war phasenweise nahe an Adrian dran. Diese Wochenenden könnten wirklich positiv für uns werden. Ich denke aber, dass wir in diesem Jahr nicht mehr den gleichen Vorteil haben wie im Vorjahr, in Bezug auf Topspeed auf den Geraden. In diesem Jahr sind einige Autos in eine etwas andere Richtung entwickelt worden als im vergangenen Jahr."

"Es werden bestimmt wieder starke Wochenenden für uns, aber um den Sieg werden wir wohl kaum kämpfen können. Wir hoffen, haben uns sogar ein Podest als Ziel gesetzt, aber wir müssen dennoch erst einmal abwarten. Vor allem die Topautos sind in diesem Jahr auch schnell. Es wird nicht mehr so sein, dass wir plötzlich von Platz zehn aus zum schnellsten Auto auf solchen Strecken werden. Das wird doch etwas härter für uns. Wir wollen dennoch viele Punkte holen."

Frage: "Hast du eigentlich noch Kontakt zu Christian Klien, der jetzt Testfahrer bei HRT ist?"
Liuzzi: "Ja, wir sind nach wie vor gute Freunde und unterhalten uns oft. Aber seine Belange bei HRT und in der Formel 1 verfolge ich nicht allzu intensiv. Ich hoffe für ihn, dass er nochmal eine Chance bekommt. Bei mir war es so, dass ich mein Leben komplett umsortiert habem nachdem ich Toro Rosso verlassen hatte. Ich bin dann zu einem Team gegangen, dass mir für die Zukunft eine Perspektive bot. Und nun bin ich hier."

"Es gibt viele junge Piloten, die in die Formel 1 drängen und viel Geld mitbringen." Vitantonio Liuzzi

"Ich hoffe also, dass auch er wieder eine Chance bekommt. Es ist in der Formel 1 im Moment keine einfache Phase. Für Fahrer ist es schwierig, denn es gibt viele junge Piloten, die in die Formel 1 drängen und viel Geld mitbringen. Außerdem sind derzeit schon sehr viele Plätze besetzt und die Verträge unter Dach und Fach. Einfach wird es also für ihn nicht, aber ich hoffe, dass er eine Gelegenheit bekommt."

Frage: "Gab es in deiner Zeit als Testpilot zwischendruch Zweifel, ob du es zurück in ein Renncockpit schaffen würdest?"
Liuzzi: "In der Formel 1 kann man nie sicher sein. In der Karriere eines Fahrers kann immer viel passieren, auch bei den Teams ändert sich schnell mal etwas. Man weiß es also nie. Ich war immer mindestens zu 90 Prozent sicher, dass ich zurückkommen würde. Ich war stets hoch motiviert und immer bereit für die Rückkehr."

Frage: "Triffst du dich oft mit Freunden aus GP2-Zeiten?"
Liuzzi: "Ja. Wir alle haben nicht vergessen, woher wir eigentlich kommen. Es gibt noch viele Freunde dort. Wann immer mal Zeit ist, trifft man sich und redet. Es ist wirklich wichtig, dass man den Kontakt hält und nicht vergisst, woher man eigentlich kommt. Ich werde dort immer Freunde haben."