Liuzzi: "Für jeden Fehler musst du teuer bezahlen"
Force-India-Pilot Vitantonio Liuzzi über die Qualifikation von Ungarn, die Aussichten für Spa und das Ziel, 2010 noch auf das Podium zu fahren
(Motorsport-Total.com) - Für Vitantonio Liuzzi und Force India war das Qualifying am Hungaroring nur ein recht kurzes Vergnügen, denn bereits nach der zweiten Teilsession konnte der Italiener seinen VJM03-Dienstwagen in der Boxengasse abstellen. Vollkommen unerwartet trat dieses Szenario aber nicht ein, wie Liuzzi in seiner Medienrunde gesteht. Dabei lässt der 28-Jährige aber auch durchsickern, dass er sich speziell für Spa große Hoffnungen macht - dort könnte Force India auch 2010 überraschen.

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Etwas zerknirscht: In der Qualifikation von Ungarn war mehr drin für Vitantonio Liuzzi
Frage: "Vitantonio, es ist ein hartes Wochenende für dich und Force India..."
Vitantonio Liuzzi: "In gewisser Weise schon, doch darauf hatten wir uns bereits gefasst gemacht. Anhand der bisherigen Ergebnisse kannst du durchaus abschätzen, was gut ist für dich und was weniger gut sein wird. Aufgrund der Resultate aus Monaco hatten wir allerdings auf ein etwas besseres Wochenende gehofft."#w1#
"Letztendlich wurde uns aber klar, dass wir es mit einem überaus schwierigen Event zu tun haben würden - speziell im Hinblick auf die Charakteristiken unseres Autos. Prompt war es bisher recht knifflig. Schon am Freitag waren wir nicht bei der Musik dabei und ich hatte auch noch ein paar technische Probleme, weshalb ich nicht allzu viele Runden auf der weichen Mischung drehen konnte."
"Das Qualifying ist dumm gelaufen, denn wir waren eigentlich etwas schneller, als wir dachten. Unsere Geschwindigkeit hat soweit gepasst. In Q1 waren wir durchaus auf Tempo, gerieten in Q2 aber in Verkehr. Ansonsten waren wir dort ebenfalls gut unterwegs."
"Platz elf oder zwölf wäre sicherlich drin gewesen, doch leider verlor ich in der letzten Kurve im Verkehr etwa eine halbe Sekunde. Uns war klar: Den Sprung in Q3 zu schaffen, würde schwierig werden. Unsere Positionen in der Qualifikation stimmen uns dennoch zuversichtlich. Es wird ein hartes Rennen, doch Punkte sind noch immer möglich. Schauen wir also einmal, was am Sonntag drin ist."
Frage: "Wäre Q3 eine realistische Möglichkeit für dich gewesen, wenn es am Morgen für dich gelaufen wäre? Hättest du ohne diese diversen Schwierigkeiten den Sprung geschafft?"
Liuzzi: "Wir hatten nicht erwartet, derart schnell zu sein, doch nach Q1 hat sich einiges verändert. Wir haben gewissermaßen unsere Augen geöffnet und dachten darüber nach, was möglich sein könnte - zum Beispiel mit einer perfekten Runde."
"Schaut euch nur einmal meine Rundenzeit an und zieht die sechs Zehntel ab, die ich in den letzten Kurven verloren habe. Wir wären bis auf ein Zehntel an Q3 herangekommen. Es war eng, würde ich zusammenfassend sagen. Ob es möglich gewesen wäre? Schwer zu sagen."
"Wir dürfen trotzdem zufrieden sein, weil wir schon vorab davon ausgegangen sind, dass Ungarn das schlechteste Rennen überhaupt für uns darstellen würde. Nun geht es darum, die Vorbereitungen für Spa weiter voranzutreiben. Am Hungaroring ist für uns in erster Linie Schadensbegrenzung angesagt. Vielleicht sind ja trotz unserer Startposition noch ein paar Punkte drin."¿pbvin|512|2968|inside|0|1pb¿
Spa reloaded: Schafft Force India die Wiederholung?
Frage: "In Spa begann 2009 eine überaus konkurrenzfähige Phase für Force India. Denkst du, das könnte sich in diesem Jahr wiederholen?"
Liuzzi: "Ich glaube, wir sollten dort erneut recht konkurrenzfähig sein. Es wird aber schwierig, eine Wiederholung anzustreben."
"2009 war immerhin das erste Jahr unter einem neuen Reglement und die Autos waren noch ganz neu. KERS war ebenfalls noch dabei. Es gab viele andere Umstände, um es einmal so zu sagen. 2010 konnten sich viele Rennställe in Bezug auf ihre Abtriebswerte und den Topspeed verbessern. Ich rechne also nicht damit, einen so großen Vorsprung zu haben, wie im vergangenen Jahr."
"Wir sollten aber in einer guten Form sein, um das Podium anvisieren zu können. Das haben wir zu Beginn der Saison als Ziel ausgegeben: Wir wollen auf das Siegertreppchen. Ich denke, wir sollten darum kämpfen können, doch einfach wird es nicht. Die anderen treten ja schließlich auch nicht auf der Stelle und entwickeln kräftig weiter. Unser Auto sollte jedenfalls prima zu dieser Strecke passen."
"Wir konnten schon in Kanada aufzeigen, dass wir auf solchen Strecken ein großes Potenzial haben. Hätten wir dort in Kurve eins nicht den Zwischenfall mit Felipe gehabt, wir wären wohl in den Top 5 angekommen. Das wird durch die Geschwindigkeit unterstrichen, die wir in diesem Rennen noch an den Tag legen konnten. Spa sollte also durchaus interessant für uns werden."
Frage: "In welchen Bereichen hat das Auto seine größten Schwierigkeiten? Auf der Bremse, ist es die Traktion oder fehlt es an Abtrieb oder der Balance? Was meinst du?"
Liuzzi: "Wir kennen die Charakteristik unseres Autos sehr gut. Hier in Ungarn haben wir viele mittelschnelle Kurven und das ist Gift für uns. Wir können zwar genug Geschwindigkeit mit in die Kurve hinein nehmen, rutschen dann aber über die Vorderräder weg."
"Vermutlich fehlt es uns einfach an Abtrieb. Die Balance ist okay und das sind doch aber schon einmal gute Nachrichten. Im ersten Sektor sind wir sehr stark, in den Abschnitten zwei und drei haben wir indes zu kämpfen. Gerade dort fliegt Red Bull nur so um den Kurs - dort kommt es eben auf Abtrieb an."
Stillstand gibt es nicht in der Formel 1
Frage: "Wie lautet dein Zwischenfazit in Bezug auf die erste Saisonhälfte bei Force India? Dein Team hat das Jahr sehr gut begonnen, scheint in letzter Zeit aber etwas mehr Schwierigkeiten zu haben..."
Liuzzi: "Ich denke, in den jüngsten Rennen ist es etwas unglücklich für uns gelaufen. Es ist ja nicht so, dass wir unsere Geschwindigkeit eingebüßt haben. Andere Teams haben einfach aufgeholt. Wir konnten dennoch eine gute Entwicklung an den Tag legen."
"Ich würde sagen, wir haben noch immer eine ähnliche Geschwindigkeit wie Renault. So war es schon zu Saisonbeginn. Sauber und Williams sind uns allerdings näher auf die Pelle gerückt. Das Feld ist nun insgesamt viel enger beisammen. Für jeden kleinen Fehler musst du nun teuer bezahlen. Das ist der große Unterschied. In meinen Augen haben wir keinen Rückschritt gemacht. Das Team leistet gute Arbeit."
"Es ist nur so: Am Anfang der Saison gab es zwischen den Top-10-Rennställen einfach ein größeres Leistungsspektrum. Das hat uns in die Karten gespielt, weil wir gleich sehr gut begonnen haben. Wir machen noch immer einen guten Job und werden schon bald wieder in den Punkterängen landen. Wir kämpfen nach wie vor um den sechsten Platz in der Teamwertung."
"Rang fünf und Renault einzufangen bleibt aber unser Ziel. Sollten wir die Entwicklung - vor allem im Hinblick auf den angeströmten Diffusor - für Spa auf die Reihe kriegen, dann könnte sich das für uns als Wendepunkt in dieser Saison erweisen. Das könnte alles verändern. Sämtliche Strecken der zweiten Saisonhälfte - Singapur ausgenommen - kommen unserem Auto tendenziell entgegen."
Weitere Entwicklungen sind in der Pipeline
Frage: "Wie ist euer Eindruck vom angeströmten Diffusor, den ihr am Freitag im Einsatz hattet?"
Liuzzi: "Es sah gut aus. Adrian war sehr zufrieden damit und konnte einen Unterschied fühlen. Der angeströmte Diffusor bedeutet uns sehr viel und wir beschäftigen uns wirklich sehr intensiv damit."
"Außerdem ist es keinem Team gelungen, dieses Teil ans Auto zu schrauben, sodass es gleich funktioniert hätte. Wir haben uns dazu entschlossen, es erst einmal wieder abzubauen. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass wir dieses Element in Spa bereit haben werden."
Frage: "Machst du dir Sorgen, wonach ihr es in Bezug auf die Entwicklung eventuell nicht mit Teams wie Sauber und Williams aufnehmen könntet? Sind die anderen in diesem Bereich vielleicht einen Tick schneller?"
Liuzzi: "Dazu muss ich sagen: Im vergangenen Jahr hatten wir die beste Entwicklung des gesamten Starterfeldes."
"Das bereitet mir also nicht allzu viele Sorgen. Ich denke, das Team arbeitet mit Nachdruck daran, das Auto weiterzuentwickeln. Es ist aber halt ein gewisses Fragezeichen, wie sich die Situation nach der Einführung des angeströmten Diffusors gestalten wird. Unsere Jungs sind aber sehr clever. In den vergangenen Jahren sind sie immer wieder mit neuen Ansätzen angekommen."
"Nach dem angeströmten Diffusor wartet nämlich noch ein weiteres, sehr interessantes Projekt auf uns. Prognosen abzugeben ist diesbezüglich nicht so einfach. Als der F-Schacht in der Formel 1 eingeführt wurde, konnte sich niemand denken, dass so ein System funktionieren würde. Dennoch funktioniert es. Wichtig ist einfach, Neues zu wagen."
"Wir haben schon ein paar neue Ideen und ich rechne nicht damit, dass wir unter den kommenden Entwicklungen zu leiden haben werden. Andere Teams haben neben dem F-Schacht und dem angeströmten Diffusor keine größeren Schritte unternommen. Wir hatten hingegen bei jedem Rennen verschiedene Neuerungen am Start. Das stimmt mich sehr zuversichtlich."

